Frisch, nachhaltig und innvovativ - so soll die Werbung für den neuen ID.3 wirken. Silke Bagschik, Leiterin Vertrieb und Marketing E-Mobility, und Jörg Hitpass, Leiter Marketing Deutschland, erklären im Doppelinterview, was Sie beim ID.3 anders machen und welchen Einfluss das auf den gesamten Markenauftritt von VW hat.
Die Kampagne für den ID.3 startete schon im Mai 2019, fast anderthalb Jahre bevor der erste ID.3 ausgeliefert wurde. Warum der lange Vorlauf?
Jörg Hitpass: Beim ID.3 und der ganzen ID.-Familie geht es ja um mehr, als nur ein neues Fahrzeug auf den Markt zu bringen oder eine neue Fahrzeugfamilie. Das ist der Beginn eines Systemwandels. Und diesen wollten wir frühzeitig mit einer entsprechenden Kampagne begleiten.
Silke Bagschik: Wir reden hier ja nicht nur über ein Fahrzeug. Es geht um den Aufbruch in eine neue Ära. Da gibt es dann deutlich mehr zu erzählen. Es geht auch um das ganze Ökosystem drum herum, um die Elektromobilität an sich. Wir haben daher früh angefangen, um erst einmal Aufklärungsarbeit zu leisten und das Bewusstsein für Elektromobilität zu schaffen. Die meisten Menschen wussten natürlich schon, dass es Elektroautos gibt, hatten sich aber nie näher mit dem Thema beschäftigt. Welche Reichweiten sind eigentlich aktuell möglich, wie funktioniert das Laden, wie schnell kann das inzwischen gehen? Dieses Grundwissen mussten wir erst einmal vermitteln, um den Menschen zu zeigen, dass Elektromobilität etwas für jeden ist. Deshalb haben wir sehr früh anfangen, darüber zu informieren.
Anders als sonst steht bei vielen Spots aber gar nicht der ID.3 im Vordergrund, sondern die Elektromobilität an sich. Wieso?
Bagschik: Wir haben uns auf die Fahnen geschrieben, der Elektromobilität generell zum Durchbruch zu verhelfen. Und wir wollten früh zeigen, dass wir es wirklich ernst damit meinen. Was ja auch sehr gut zur Marke Volkswagen passt, weil wir das im großen Maßstab, im Volumen, machen. Aber wir freuen uns über jeden, der mitmacht – auch gern von anderen Marken. Wir wollen das Thema Elektromobilität generell vorantreiben und haben uns vorgenommen, die Klimaziele von Paris zu erreichen – nicht nur bei uns im Unternehmen, sondern hoffentlich als gesamte Gesellschaft. Wir als Marke Volkswagen haben dank unserer Größe die Chance, hier etwas zu bewegen. Und dazu sehen wir uns auch in der Pflicht.
Was waren denn die Hürden?
Bagschik: Wir haben schon früh viel Marktforschung betrieben und festgestellt, dass es gerade in den Köpfen noch viele Barrieren gibt. Viele sagten: Der Preis ist zu hoch, die Reichweite zu gering, das Laden zu kompliziert – und meinten: Das ist nichts für mich. Deshalb wollte wir im ersten Schritt zeigen, dass Elektromobilität inzwischen durchaus etwas für jeden ist. Deshalb auch der Claim „Now you can“ – jetzt kannst du. Was sagen soll: Die vermeintlichen Probleme gibt es so nicht mehr, es gibt keine rationalen Gründe mehr dagegen. Jetzt ist es nur noch eine Frage der Einstellung.
Wie haben Sie das konkret gemacht?
Hitpass: Wir haben sehr viel in Fernsehen investiert, um mit dem Thema ein breites Publikum zu erreichen. Und wir haben auch viel digital gemacht, weil gerade die Zielgruppe dort viel aufgeschlossener für Elektroautos ist.
Dort liefen dann auch Spots, in denen Sie mit den gängigen Vorurteilen aufräumten?
Bagschik: Ja. Das haben wir aber sehr spielerisch gemacht. Das lief dann vor allem in sozialen Netzwerken und digital. Und immer unterlegt mit cooler Musik. Mein Lieblingsspot ist ja der mit der Zwille: Ein Junge schießt eine Zwille ab, der Stein fliegt los – und dann wird daraus ein ID.3, der einfach los fährt. Das soll die enorme Beschleunigung zeigen, die das Auto mitbringt. Weil viele ja immer denken, Elektroautos seien Verzichtautos. Dabei ist das Gegenteil der Fall: Elektromobilität macht richtig Spaß.
Hitpass: Was aber nicht heißt, dass wir auf klassische Werbeformen verzichten. Fernsehen hat für uns immer noch eine große Bedeutung. Das ist nach wie vor einer der ganz wichtige Mediakanäle.
Und deshalb haben Sie schon im Mai 2019 angefangen, anderthalb Jahre, bevor der erste ID.3 ausgeliefert wurde?
Bagschik: Eigentlich haben wir ja sogar schon im September 2016 begonnen, als wir in Paris das erste Showcar zeigten. Da hatten wir schon einen großen Aufschlag. Das hat uns viel Aufmerksamkeit gebracht. Ab da haben wir die Schlagzahl kontinuierlich erhöht.
Das Showcar war mit den gegenläufigen Türen ja auch ein echter Hingucker…
Bagschik: Und dabei haben wir die Türen erst nachträglich eingebaut. Die erste Version hatte die noch gar nicht, die sah schon genauso aus wie die spätere Serienversion. Und dann standen wir grübelnd davor und sagten uns: Wir können doch nicht drei Jahre vor dem Serienstart schon die finale Version auf die Messe stellen. Da müssen wir noch was verändern. Und dann haben wir noch für die Show schnell diese Türen „reingebastelt“.
Warum haben Sie die in der Serie nicht drin gelassen?
Bagschik: Gerade bei dem Auto sind wir sehr Effizienz getrieben. Was nicht wirklich einen absoluten Nutzen für den Kunden bringt, darf kein Gewicht und keine Energie kosten. Und für die Türen hätten wir schon noch einmal den Rahmen verstärken müssen. Und das, ohne dass es einen echten Mehrwert für den Kunden gehabt hätte. Es war daher von Anfang an klar, dass die nicht in Serie gehen.
Hitpass: Das ist einfach etwas, das man bei Showcars macht, weil das auf der Messe erstmal ein Hingucker ist. Und natürlich geht es auch darum, mal neue Dinge auszuprobieren und Visionen für mögliche Zukunftsprojekte zu zeigen.
Haben Sie dafür Ihr Marketingbudget Richtung Elektro umgeschichtet?
Hitpass: Nein. Das würde ja bedeuten, dass wir es in anderen Bereich reduziert hätten. Das haben wir nicht getan. Wir haben natürlich neue Budgets für den ID.3 bereit gestellt. Die Kommunikation für andere Modelle wie den Golf 8 fahren wir deswegen aber nicht zurück.
Was unterscheidet denn die ID.-Kunden von denen, die klassische Verbrenner kaufen?
Bagschik: Gerade unsere Frühbucher, die schon ab Mai 2019 beim Pre-booking bestellt haben, sind neuer Technologie gegenüber sehr offen, sehen sich als progressiv, wollen etwas bewegen, fühlen sich dem Umwelt- und Klimaschutz verpflichtet, wollen auch ein bisschen Vorbild sein. Das ist bei den ersten Kunden schon deutlich zu erkennen. Aber das wird sich sukzessive erweitern. In Norwegen, wo die Elektromobilität ja schon deutlich weiter ist, sehen wir schon heute keinen Unterschied mehr zwischen den Käufern von Verbrennern und Elektroautos.
Hitpass: Unser Ziel ist ja, dass die E-Mobilität massentauglich wird. Dann ist auch die Zielgruppe breiter gefächert. Um Volumen zu generieren, muss man eine breite Zielgruppe ansprechen.
Sind das denn vor allem bisherige VW-Fahrer?
Hitpass: Ganz im Gegenteil. Die Eroberungsrate ist sehr hoch. Wir hören von unseren Händlern immer wieder, dass Kunden zu ihnen kommen, die vorher noch nie in einem VW-Autohaus waren. Die kommen von anderen Marken – viele sogar von Premiummarken. Die hatten Volkswagen bisher gar nicht auf dem Radar. Das ist schon eine tolle Sache.
Woran liegt das?
Hitpass: Das Thema Elektromobilität hat früher einfach niemand mit der Marke Volkswagen in Verbindung gebracht. Das war auch einer der Gründe, warum wir so früh und intensiv kommuniziert haben. Damit wollten wir die breite Basis schaffen, damit die Menschen, wenn Sie sich mit Elektromobilität beschäftigen, auch an VW denken. Und ich denke, das ist uns auch mehr als gut gelungen.
Sie haben zur ID.3-Weltpremiere auf der IAA 2019 den gesamten Markenauftritt erneuert. Warum?
Hitpass: Einen so radikaler Schritt wie die Transformation in Richtung E-Mobilität wollten wir natürlich auch in unserem gesamten Markenauftritt nutzen. Mit dem neuen Design zeigen wir: Das ist das „New Volkswagen“: verantwortungsvoll, zuversichtlich, nahbar, emotional, für alle.
Was ist nun anders?
Hitpass: Es sind viel mehr Menschen im Vordergrund, viel mehr Farbe, viel mehr Emotionen. Und wir zeigen die Fahrzeuge auch nicht mehr nur klassisch im Vollbild, sondern auch mal angeschnitten und aus anderen Perspektiven. Dadurch wirkt alles viel frischer, dynamischer und auch nahbarer und emotionaler.
Wie geht es 2021 weiter?
Hitpass: Im Mittelpunkt wird das Thema „Way to Zero“ stehen, der Weg hin zu Null-Emissionen. Den Klimaaspekt rücken wir mit der ID.-Familie in den Fokus. Unser „Way to Zero“ wird definitiv unser Kommunikationsschwerpunkt im kommenden Jahr.
Bagschik: Und dann kommt 2021 der ID.4, der jetzt schon bestellbar ist. Und auch für den planen wir eine ganz großartige Kampagne. Da werden wir dann vor allem die Familie in den Mittelpunkt stellen. Den der ID.4 wird ja ein echtes Familienauto.
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