Herr Söding, wie hoch ist das aktuelle Volumen des Automotive-Aftermarket (AM)-Geschäfts bei Schaeffler?
Die Schaeffler-Gruppe hat 2017 insgesamt 14 Milliarden Euro umgesetzt, 1,8 Milliarden davon im Aftermarket. Bezogen auf das Automotive-Geschäft von Schaeffler sind das 17 Prozent, bezogen auf den Gesamtumsatz 13 Prozent. Mit dem neuen Vorstandsressort Automotive Aftermarket wertet Schaeffler das ET- und Reparaturgeschäft innerhalb des Unternehmens auf. Was ändert sich dadurch konkret in diesem Bereich, den Sie ja schon seit 2009 als Vorsitzender der Geschäftsleitung verantworten?Die Verankerung im Vorstand rückt das Aftermarket-Geschäft in den Fokus. AM-Experten sind jetzt in allen entscheidenden Gremien vertreten. Die Sparte wächst und ist profitabel und mit diesem Schritt wollen wir das globale AM-Geschäft stärken. Zukunftsthemen wie die Digitalisierung und Elektromobilität wirken sich auch auf das AM-Business aus. Konkret investieren wir 180 Millionen Euro in eine Aftermarket Kitting Operation (AKO) in Halle. Eine AKO ist eine Art Verpackungszentrum?Es handelt sich um eine Logistikdrehscheibe für unser automobiles Ersatzteilgeschäft. Wir beziehen je nach Reparaturlösung bis zu 17 Einzelteile und liefern der Werkstatt dann eine komplette Lösung. Das Thema Digitalisierung spielt hier eine große Rolle. Wir wollen auf allen fünf Kontinenten AKOs etablieren. Der neue Betrieb in Halle wird unser Flaggschiff und soll 2020 in Betrieb gehen. Hier bündeln wir unsere zentralen Kitting-Aktivitäten für Europa.Welches ist die wichtigste Aufgabe, die Sie in Ihrer neuen Funktion als Vorstand erledigen möchten?Im Standardgeschäft wollen wir unsere führende Position halten, das Cross Selling mit unseren Marken LuK, INA und FAG verbessern und die Werkstattoptimierung vorantreiben. Im Fokus steht ein verbesserter Lieferservice. Der Dialog mit den Kunden soll intensiviert werden, die Verkaufsprozesse schlanker und intelligenter werden. Dazu nutzen wir auch Künstliche Intelligenz. Im Bereich des E-Commerce testen wir einen eigenen Marktplatz und starten in den kommenden zwölf Monaten den ersten Pilot für ältere Traktoren. Hier gibt es einen weltweiten Bestand, aber niedrigen Bedarf. Mit dem Pilot wollen wir die Nachfrage testen. Der Teilemarkt ist im Wandel. Wie positioniert sich Schaeffler künftig im Wettbewerb?In jedem nationalen Markt wächst die Vielfalt des Fahrzeugparks, die Folge ist eine explosionsartig wachsende Zahl an Teilen. Reparaturen werden immer komplexer, aber die Häufigkeit bestimmter Arbeiten pro Reparaturfall nimmt ab. Das heißt, bei den modernen Fahrzeugen sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass ein und derselbe Mechaniker eine bestimmte Reparatur zweimal ausführt. Das bedeutet für uns, dass wir unsere Position als bevorzugter Lieferant sichern müssen. Was heißt das konkret?Der Trend zu kleinteiligen Lieferungen ist ungebrochen und Expresslieferungen nehmen zu. Wir wollen die Werkstatt aber nicht nur pünktlich und preisgünstig beliefern, sondern sie im Reparaturprozess auch mit Knowhow und Unterstützung begleiten. Hier greift dann auch die Digitalisierung. Für uns steht zum Beispiel schon heute der digitale Katalog im Fokus. Insgesamt wollen wir mit unseren Kernkompetenzen wachsen und gleichzeitig den neuen Anforderungen aufgrund der Digitalisierung gerecht werden.Autonomes Fahren, Connected Cars, alternative Antriebe – die Transformation in der Autobranche erfasst auch das Ersatzteil- und Reparaturgeschäft. Wo sehen Sie aktuell den größten Handlungsbedarf? Derzeit ist die Fahrzeugentwicklung sehr stark politisch getrieben und es ist schwer vorherzusagen, was sich durchsetzen wird. Bei den neuen Technologien spielt auch China eine wichtige Rolle und die Frage, ob der Diesel bleibt oder nicht. Insgesamt werden die Veränderungen bei den Neuwagen bei Schaeffler im Automotive Aftermarket aber erst spät durchschlagen.Wieso?Das liegt an unserem Portfolio. Von den genannten Themen liegt unser Schwerpunkt bei den alternativen Antrieben. Derzeit arbeiten wir an Lösungen für die E-Achse und an Hybrid-Modulen. Nach unserer Prognose werden im Jahr 2030 nur noch 30 Prozent der Neuzulassungen Verbrenner sein, 40 Prozent Hybride und 30 Prozent reine Stromer. In diesem Szenario entsteht ein Reparaturbedarf bezogen auf unser Portfolio nach etwa sechs bis acht Jahren. Das heißt, der Wandel wird uns nicht allzu schnell treffen, er wird nicht disruptiv sein. Das ist ein Unterschied zu vielen anderen Zulieferern. Wir erwarten keine revolutionäre Veränderung, eher eine evolutionäre. Welche Rolle spielen in diesem Transformationsprozess Kooperationen – zum Beispiel mit Startups?Kooperationen sind extrem wichtig, da der Markt sehr fragmentiert ist. Schaeffler unterhält Startup-Hubs unter anderem in Berlin, Nürnberg und Kalifornien. Der digitale Marktplatz Caruso ist Startup und Kooperation in einem. Das Portal REPXPERT ist 2015 gestartet. Wie viele registrierte Nutzer gibt es aktuell und sind Änderungen oder Erweiterungen geplant? Wir haben mittlerweile weltweit 100.000 registrierte Nutzer, davon 70.000 Werkstätten. Das Portal ist in 25 Sprachen und Landesversionen verfügbar. Künftig wollen wir auch „mixed reality“ für das Portal bereitstellen. Mixed reality, also interaktive Reparaturunterstützung in Echtzeit, stellen Sie ja auf der Automechanika vor. Was können wir dort noch erwarten?Grundsätzlich: Unsere Systemkompetenz in den Bereichen Antrieb, Motor und Fahrwerk und die Durchgängigkeit von der Erstausrüstung bis zur Werkstattunterstützung. Lösungen wie „mixed reality“ sollen zum Maßstab für die Reparaturunterstützung werden. Die Konzentration im Teilehandel schreitet voran, spektakulärster Deal war zuletzt die Übernahme von Stahlgruber durch den US-Riesen LKQ. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?Wir begrüßen und unterstützen den Konzentrationsprozess, denn er hilft, die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Der Teilehandel ist trotzdem nach wie vor sehr stark fragmentiert. LKQ als größter Marktteilnehmer in der EU hat immer noch weniger als zehn Prozent Marktanteil. Aber: Die überregionale Dimension der Konzentration wirbelt den traditionellen Markt durcheinander. Für uns bedeutet das, die neuen Player am Markt zu begleiten. Früher waren wir sehr landesspezifisch ausgerichtet, jetzt haben wir eine globale Key-Account-Struktur eingeführt.Sie sind seit 2008 Mitglied der Aftermarket Arbeitsgemeinschaft der CLEPA in Brüssel. Die CLEPA ist ebenso wie der ACEA gegen einen direkten Datenzugang für unabhängige Marktteilnehmer. Der Teilehandelsverband GVA kritisiert das, weil er die Ausgrenzung des IAM beim vernetzten Fahrzeug befürchtet. Wie entkräften Sie diese Befürchtung?Schaeffler setzt sich traditionell für die Belange des freien Aftermarket ein und wir engagieren uns auch in der Diskussion um die Regelung des Datenzugriffs und den Umgang mit Rohdaten. Allerdings fahren wir hier eine Doppelstrategie. Kurzfristig halten wir die Portale der Hersteller, also die vorhandenen Strukturen des „extended vehicle“ für den schnellstmöglichen Weg, einen diskriminierungsfreien Zugang zu den Daten sicherzustellen. Mittelfristig plädieren wir aber – ebenso wie der GVA – für einen direkten Zugang auch für unabhängige Marktteilnehmer, zum Beispiel über das Portal Caruso. Insofern unterstützen wir die Ziele des GVA, räumen aber ein, dass dieser Prozess mehrere Jahre dauert.Die Großhandelskooperation ADI hat die Schaeffler Automotive AM-Sparte zum Lieferanten des Jahres gekürt. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?Der Applaus ist das Brot des Künstlers: Kundenawards machen uns stolz und wir sehen darin eine Bestätigung. Da brauchen wir keine andere Statistik. Speziell ADI hat uns diesen Titel 2008 schon einmal verliehen und auch bei anderen Handelskooperationen sind wir regelmäßig Preisträger. Unsere Vitrine in Langen ist mittlerweile gut gefüllt.Lesen Sie auch:
Mehr Umsatz und Gewinn im zweiten Quartal: Schaeffler profitiert vom guten China-Geschäft
Mx-Kinsey-Studie zum Aftermarket 2030: Warum Milliardengewinne zur Neuverteilung anstehen
Ab 1. Januar 2018 drei Sparten: Schaeffler erweitert Vorstand
Im Datencenter: