Die Beteiligten geben sich gewohnt freundlich, vom "besten gegenseitigem Einvernehmen" schreibt der VW-Konzern in seiner Pressemitteilung, es gebe "keinen besseren Zeitpunkt als jetzt" für den Abschied, heißt es bei Andreas Renschler. Alles in Ordnung also? Nicht ganz. Als Renschler 2015 zu VW kam, trat er an, um die größte Lkw-Allianz der Welt zu schmieden. Traton sollte im Lkw-Geschäft das werden, was VW im Autogeschäft bereits ist: der weltweite Marktführer. Der Plan stammt noch aus der Zeit von Ferdinand Piech und Martin Winterkorn und folgt dem Muster, das sich bei den Pkw bewährt hat: MAN und Scania sollten unter dem Blech möglichst viele gemeinsame Komponenten verwenden, als Marken aber unterscheidbar bleiben. Die geplante Übernahme von Navistar sollte den Weg auf den US-Markt ebnen.
Bei der Umsetzung gab es Probleme: Die Zusammenarbeit der früheren Konkurrenten MAN und Scania lief stockend, aufgrund der langen Entwicklungszyklen der Lkw kamen keine schnellen Einsparungen zustande. Renschler soll intern auf eine noch stärkere Zentralisierung gedrängt haben. Ebenso wie bei den Pkw müssen Lkw immer stärkere Grenzwerte einhalten. Um die hohen Kosten dafür stemmen zu können, planten Renschler und MAN-Chef Joachim Drees einen deutlichen Stellenabbau bei dem Münchner Hersteller, von 6000 Stellen war die Rede. Der Betriebsrat ging auf die Barrikaden. Dann kam Corona und die Krise verschärfte sich weiter. Es kam zu Produktionsunterbrechungen und Kurzarbeit. Schon im ersten Jahr lagen Umsatz und Gewinn deutlich unter dem Vorjahr, für den Rest des Jahres sieht es noch schlechter aus.
Es ist in der Branche kein Geheimnis, dass der mit großen Ambitionen gestartete Renschler schon länger frustriert war. Er litt unter zu großer Abhängigkeit von der Wolfsburger Zentrale, deshalb setzte er für Traton den Firmensitz München durch, betrieb mit großem Engagement den Börsengang und hoffte, damit möglich eigenständig agieren zu können. Nun verlässt er den Konzern. Ob es sein Nachfolger angesichts der aktuellen Situation schafft, dem Branchenprimus Daimler die Stirn zu bieten, erscheint zumindest zweifelhaft.
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