"Der Fahrzeughandel wird für die Autoindustrie systemkritisch"

Beim Zulieferer ZF Friedrichshafen stellt man sich auf einen starken Umsatzrückgang im laufenden Jahr ein. Welchen wirtschaftlichen Einfluss die Pandemie hat, könne das Unternehmen heute allerdings noch nicht einschätzen. Die Nachfrage werde in allen relevanten Märkten erheblich beeinträchtigt.

Doch Vorstandschef Wolf-Henning Scheider bringt einen weiteren Aspekt ins Spiel: "Es geht nicht so sehr darum, wie wir den Wiederanlauf der Werke steuern, sondern entscheidend wird in einigen Wochen sein, ob die Menschen bereit sind und auch die finanziellen Mittel haben, um wieder Fahrzeuge zu kaufen."

Auch bei den zurückhaltenden Investitionen in der Industrie oder auch bei den Dienstleistungen sei das der entscheidende Punkt. Denn entscheidend sei, ob die finanziellen Mittel und auch die Bereitschaft da ist, im Nutzfahrzeuggeschäft wieder zu investieren. Also Fahrzeuge zu kaufen.

Es bringt nichts, ein Werk hochzufahren, wenn der Absatz fehlt. Auf der einen Seite gelte es wieder den Fahrzeughandel zu stabilisieren und ihm eine Möglichkeit zu geben, um wieder hochzufahren. Auf der anderen Seite gehe es darum, das Verbrauchervertrauen wieder zu stabilisieren. Bei allen Diskussionen steht für ihn das Thema Fahrzeugabsatz noch nicht genug im Vordergrund. "Der Fahrzeughandel wird für die Autoindustrie systemkritisch", ist er überzeugt.

In China registriere man einen Effekt, der vorher so nicht erwartet worden war. "Die Leute kaufen Autos, weil sie sich im Auto vor dem Virus sicher fühlen. Wahrscheinlich werden sie auch Lust auf Mobilität haben, wenn sie sich eine ganze Zeit lang nicht bewegen durften. Das sind dann vielleicht positive Effekte", sieht Scheider Mut machende Ansätze.

Positiv ist die Entwicklung in China. Der Zulieferer fährt seine Werke in China wieder hoch und erreicht bereits eine durchschnittliche Auslastung von 90 Prozent. "Ein wichtiger Aspekt war dabei auch die Belieferung unserer Kunden weiter sicherzustellen. Und diese Erfahrung können und werden wir nun nutzen, um die Eindämmung von Corona in den anderen Weltregionen zu meistern", erläutert Scheider. Orientiert an den Erfordernissen der Kunden passe das Unternehmen seine Kapazitäten gerade in allen Ländern an.

Das geschieht beispielsweise durch einen vorübergehenden Stopp der Produktion oder auch durch reduzierte Arbeitszeiten in den jeweiligen Werken. "Wir gehen aber auch einen Schritt weiter. Wir können in sämtlichen Konzern- und Divisionsfunktionen Kurzarbeit nutzen, wenn dies vom Gesetzgeber angeboten wird", so Scheider. In Deutschland habe ZF dazu mit den Arbeitnehmervertretern eine gute Rahmenvereinbarung abgeschlossen. Die Kurzarbeit betrifft bei ZF in Deutschland neben der Produktion auch weite Teile der Verwaltung und der Entwicklung.

Im Finanzbereich legt der Zulieferer seinen Schwerpunkt darauf, durch ein striktes Liquiditäts- und Cashmanagement die finanzielle Situation an die Entwicklung der Märkte anzupassen und damit die Handlungsfähigkeit des Unternehmens zu sichern. "Das hat zur Zeit höchste Priorität", erklärt der ZF-Chef.

Parallel dazu bereite sich das Unternehmen darauf vor, seine Kunden bestmöglich für den Zeitpunkt zu unterstützen, wenn diese die Produktion wieder aufnehmen und die Situation sich normalisiert. "Das bedeutet, dass wir auch aktuell in manchen Bereichen mit einer Mannschaft die Mindestfunktionen aufrecht erhalten. So können wir laufende Projekte weiter bearbeiten und nach den Produktionspausen rasch die Maschinen wieder hochfahren und die Lieferkette wieder in Gang setzen. Denn: es wird eine Zeit nach Corona geben."

Nachdem die Produktion in China wieder läuft, gelte es jetzt die internationale Logistik aufrecht zu erhalten, damit der Warenaustausch mit China wieder dauerhaft in Gang gebracht werde. "Die chinesische Produktion braucht uns in den anderen Regionen, damit im Land die Waren abgesetzt werden können und umgekehrt", so Scheider. Und weiter: "Wir sind sicher, dass wir das in China erlebte auch für den Wiederanlauf in den anderen Regionen verwenden können."

Ganz wesentlich ist für Scheider eine intensive Abstimmung und Koordination mit den Kunden. "Das heißt, schon frühzeitig das Gras wachsen hören in Bezug auf die erwarteten Absätze und Produktionsmengen bei den Fahrzeugherstellern", präzisiert der Manager. In Europa und in Nordamerika baue der Zulieferer bereits die Kommunikationslinien auf, um das sicherzustellen.

Stolz ist Scheider auch darauf, dass das Unternehmen bis zum Shutdown von Seiten der Kunden keinen einzigen Produktionsausfall in der Lieferkette zu beklagen hatte. "Und mit diesen Erfahrungen gehen wir jetzt in die Lieferkette für den Wiederhochlauf."

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