Herr Neumann, VW-Konzernchef Herbert Diess bezeichnet 2019 als „ein Schlüsseljahr für die E-Mobilität“. Welcher Spielraum bleibt da für die technische Weiterentwicklung und das vertriebliche Ausrollen von CNG-Fahrzeugen?
Ja, unsere Leittechnologie ist die E-Mobilität. Wir sind dem Pariser Klimaschutzabkommen und damit dem Null-CO2-Emissionsziel bis spätestens 2050 verpflichtet. Und Volkswagen ist damit Vorreiter in der Automobilindustrie. Auch wenn die E-Mobilität den Schwerpunkt auf dem Weg zu einer CO2-freien Mobilität in Richtung 2050 setzt, werden die modernen Verbrenner-Antriebe – und damit insbesondere auch CNG – eine wichtige Rolle spielen.
Wir bieten unseren Kunden den CNG-Antrieb derzeit in 17 PKW-Modellen in unterschiedlichen Segmenten vom Kleinwagen bis zur Premium-Mittelklasse in fünf Marken im Konzern an. Demnächst kommen zwei weitere Modelle der Marke Škoda hinzu. Auch der neue VW Golf in seiner achten Generation wird wieder in einer CNG-Variante auf den Markt kommen. Im LKW- und Busbereich gibt es eine Vielzahl von Fahrzeugangeboten bei den Konzernmarken Scania und MAN (Traton; Anm. d. Red.), die mit CNG und LNG bewegt werden.
Beim Antrieb mit Gas – also mit Methan – können wir mit Fug und Recht behaupten, dass wir führend sind – auch, weil wir diese Technologie weiter ausbauen. Der CNG-Antrieb hat im Volkswagen-Konzern auch weiterhin einen hohen Stellenwert.
Schwere LKW und Busse sind ob des theoretischen Batteriegewichts kaum geeignet für reine E-Antriebe. Können CNG-Motoren im Nutzfahrzeuggeschäft zu einer Diesel-Alternative werden?
LKW mit CNG-oder LNG-Antrieb sind schon heute eine sinnvolle Alternative mit Zukunftscharakter. Sie schonen die Umwelt und rechnen sich wirtschaftlich. Die CNG- und LNG-LKW stoßen gegenüber vergleichbaren Diesel-LKW bereits bei der Nutzung von fossilem Erdgas bis zu zehn Prozent weniger CO2 aus. Mit BioCNG oder BioLNG kann dieser Wert bis auf 80 Prozent klettern. Das macht sich gut in der Klimabilanz der Speditionen.
Zudem verbrennt das Gas sauber: Das Abgas enthält deutlich weniger Stickoxide (NOX; Anm. d. Red.), und auch geringste Partikelemissionen sind die positive Folge. Oder anders ausgedrückt: Diese Fahrzeuge sind nicht von Fahrverboten betroffen.
All jenen, die ihren Fuhrpark ohnehin erneuern müssen, rate ich dazu, den CNG-oder LNG-Antrieb ernsthaft in Betracht zu ziehen. In den Benelux-Ländern und auch in Frankreich, Spanien, England, Italien und Russland ist dieser Antrieb im LKW schon ganz normale Praxis. Für Deutschland sehe ich noch reichlich ungenutzte Möglichkeiten. Daher begrüße ich auch die Mautbefreiung für Gas-Fahrzeuge ab 7,5 Tonnen in Deutschland als einen zusätzlichen Anreiz, in CNG und LNG zu investieren.
Weltweit sind SUV auf dem Vormarsch. Welche Potentiale bietet die CNG-Technologie von kleineren Modellen wie dem Seat Arona bis hin zu schweren Geländewagen ŕ la Audi Q7? Warum gibt es noch keinen CNG-Cayenne von Porsche, keinen CNG-Bentayga von Bentley?
Der Seat Arona TGI ist das erste CNG-Modell im boomenden Segment der kompakten SUV. Bereits in naher Zukunft wird es mit dem Škoda Kamiq G-TEC ein weiteres SUV-Modell mit CNG-Antrieb geben.
Bei Kompakt- und Mittelklasse-Modellen sehen wir für CNG das größte Potenzial. Der CNG-Antrieb wird jeweils etwa zur Hälfte von privaten und Firmenkunden nachgefragt. Auch hier ist die Kaufentscheidung motiviert durch die sofort verfügbare, bezahlbare und nachhaltige Mobilität. Durch unseren modularen Querbaukasten bieten sich weitere Möglichkeiten, den CNG-Antrieb einzusetzen.
Und der 2.0-TFSI-Motor von Audi, gerade erst als „Engine of the Year“ ausgezeichnet, ist von vornherein auch für den CNG-Betrieb ausgelegt worden, eignet sich für den Längseinbau in den größeren Audi-Modellen ebenso wie für den Quereinbau, auch bei den Konzernmarken Volkswagen, Škoda und Seat.
Bivalente CNG-Autos haben oft nur noch recht kleine Tanks für den „anderen“ Kraftstoff – wird sich dieser Trend fortsetzen?
Ja! Unsere CNG-Fahrzeuge wurden gerade erst größtenteils auf einen quasi monovalenten CNG-Antrieb weiterentwickelt – somit kommen wir dem Wunsch vieler Kunden entgegen, die CNG-Reichweite zu erhöhen. Quasi monovalent heißt, dass die Motorapplikation auf den Gas-Betrieb optimiert ist. Das macht sich bei Leistung, Drehmoment und Verbrauch deutlich positiv bemerkbar. Man fährt CNG ohne Verlust an Performance. De facto gibt es keinen Unterschied zu der Performance eines gleichwertigen benzinbetriebenen Motors.
Der VW Golf 1.5 TGI zum Beispiel hat mit neun Litern nur noch einen recht kleinen Benzintank, der als reine Reserve dient, sollte die nächste CNG-Tankstelle mal gerade nicht erreichbar sein. Dafür sorgt eine dritte CNG-Flasche für noch mehr Reichweite. Bei weiter zunehmender CNG-Tankstellendichte in Europa kann ich mir auch eine Weiterentwicklung unserer Fahrzeuge ohne diesen Extra-Benzintank vorstellen.
Was ist zu tun, um mehr Kunden von monovalenten CNG-Fahrzeugen zu überzeugen?
Unsere Erfahrung zeigt, dass unsere Fahrzeuge faszinieren und die Vorzüge des CNG-Antriebs sofort überzeugen, wenn man mit den Kunden ins Gespräch kommt. Denn das Bewusstsein für ökologisch und ökonomisch sinnvolle Alternativen ist ja überall vorhanden. Das gilt für Privatkunden ebenso wie für Flottenbetreiber. Um möglichst die Gelegenheit zu mehr solcher Gespräche zu haben, müssen wir CNG noch bekannter machen, also die deutlichen Vorteile dieser alternativen Antriebsform noch stärker in die Öffentlichkeit tragen.
Die Zusammenarbeit im Industriekreis CNG-Mobilität in Deutschland trägt dazu bei. Die Chancen einer Zusammenarbeit der Industriepartner wird nun auch in anderen Ländern – zum Beispiel in Österreich, der Schweiz, Tschechien und auch Spanien – erkannt, von uns unterstützt und aktiv aufgegriffen. Mit unserer Kampagne CNG-Mobility haben wir das Thema in den letzten Jahren über die Medien der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und auch die Neuzulassungen von CNG-Fahrzeugen unterstützt. Dazu zählen seit 2018 unsere Website www.discover-cng.com mit rund 15.000 Clicks pro Monat und auch die CNG Mobility Days, die gerade hier in Berlin stattfinden.
Der wichtigste Erfolgsfaktor ist und bleibt natürlich ein attraktives Modellangebot. Das haben wir! Zusätzlich zu den 17 PKW kommen in Kürze mit dem neuen Golf, dem Škoda Scala und dem Škoda Kamiq drei besonders spannende neue Modelle zu unseren Kunden.
Welchen Charme hat die Idee von CNG-Hybriden? Und wann könnte im VW-Konzern eine solche Verbindung von Gas-Verbrenner und E-Baustein(en) in Serie gehen?
Die bei den CNG Mobility Days in Berlin vorgestellte Studie VW Passat CNG-PHEV ist ein Beispiel für das große Zukunftspotenzial von CNG. Dieses Fahrzeug der Volkswagen-Konzernforschung vereint einen monovalenten CNG-Verbrennungsmotor mit einem Elektroantrieb – eine Kombination, die „best of both worlds“ dokumentiert, und die gegenüber einem serienmäßigen VW Passat GTE nochmals 20 Prozent CO2 einspart.
Bei diesem Fahrzeug wird vollständig auf den Einsatz von Ottokraftstoff verzichtet, so dass im Zusammenwirken des rein monovalenten CNG-Motors mit dem elektromotorischen Antrieb die Wirkung eines Plug-in-Hybrid-Prinzips in maximalem Umfang ausgeschöpft wird. Derzeit befindet sich diese Studie noch in einem sehr frühen Stadium. Sie zeigt aber, dass wir dieses Antriebskonzept sehr ernst nehmen und eine Serienentwicklung durchaus für möglich halten.
Umweltverträglich- und Nachhaltigkeit stehen im VW-Konzern ganz weit oben auf der Agenda: Wo lassen sich bei der Gewinnung von CNG noch Verbesserungen erzielen?
Der Volkswagen-Konzern treibt die Entwicklung der CNG-Mobilität nicht nur mit neuen Motoren und neuen Modellen konsequent voran, sondern auch mit seinem Engagement im CNG-Industriekreis. Dort arbeiten wir mit Versorgern sowie mit Gasnetz- und Tankstellenbetreibern zusammen, um diese alternative Antriebsform für den Verkehrssektor gemeinsam zu stärken. In Deutschland können die Kunden bereits an mehr als 140 CNG-Tankstellen 100-Prozent-BioCNG tanken.
Unser Bestreben ist natürlich, das Angebot für BioCNG zukünftig europaweit deutlich auszuweiten. Mit einer Betankung von BioCNG sind die Fahrzeuge nahezu klimaneutral unterwegs, denn das darin enthaltene Methan wird zu 100 Prozent aus pflanzlichen Reststoffen beziehungsweise biologischen Abfällen hergestellt. Und das bedeutet auch, dass jede Steigerung des Anteils an BioCNG einen maßgeblichen Beitrag zur Dekarbonisierung des Straßenverkehrs darstellt. In Barcelona betreibt Seat eine Anlage zur Gewinnung von BioCNG aus organischen Abfällen.
Eine weitere Möglichkeit zur Reduzierung der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen stellt das Power-to-Gas-Verfahren dar. Hier wird mit dem Einsatz von Ökostrom synthetisches CNG erzeugt, das dann ebenfalls nahezu klimaneutral als Antrieb für Fahrzeuge genutzt werden kann. Mit einer entsprechenden Pilotanlage in Niedersachsen ermöglicht es Audi seinen Kunden, die aktuellen g-tron-Modelle fast CO2-neutral zu betanken.
Das Interview führte Henning Krogh
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