Auf der Messe CES in Las Vegas stand Ola Källenius bei seinem Auftritt mit Avatar-Regisseur James Cameron und dem neuen Showcar Mercedes AVTR im Blitzgewitter. Mit den Helden aus dem Öko-Blockbuster teilt der Schwede die Vision von einer nachhaltigen Zukunft. Daheim in Stuttgart muss der Daimler-Chef den Konzern jedoch ganz irdisch auf Profitabilität trimmen – und scheut vor harten Einschnitten nicht zurück.
Herr Källenius, Daimler hat 2019 zum neunten Mal in Folge einen Rekordabsatz geschafft. Trotzdem haben Sie ein Sparprogramm beschlossen. Wie passt das zusammen?
Wir haben eine super attraktive Modellpalette, die sich im Absatz niederschlägt. Wir haben eine große Produktoffensive für Elektroautos gestartet, die nun Schritt für Schritt in den Markt kommen. Die Grundlagen sind also da. Gleichzeitig haben wir sehr viel investiert und müssen das auch weiter tun. Durch die enorm anspruchsvollen CO2-Vorgaben bekommen wir Druck auf die variablen Kosten. Wenn man das laufen ließe, würde die Profitabilität leiden. Das können wir nicht zulassen.
Wie viel von diesem Druck ist internen Problemen geschuldet, zum Beispiel dem Dieselskandal oder Anlaufproblemen von Modellen?
Das fundamentale Thema ist die Transformation. Natürlich hilft eine Kostenbelastung aus der Vergangenheit nicht. Aber es nützt nichts, darüber zu grübeln.
Sie haben auch einen Personalabbau angekündigt. Wo stehen Sie bei der Umsetzung?Wir wollen die angekündigten 1,4 Milliarden Euro über alle drei Sparten hinweg inklusive der Holding bis Ende 2022 schaffen. Wir haben mit dem Betriebsrat vor Weihnachten eine Rahmenvereinbarung getroffen, jetzt können wir im Frühjahr in die Umsetzung gehen und Ausscheidungsvereinbarungen treffen. Schon losgelegt haben wir bei Nichtbesetzungen von Fluktuation, bei Altersteilzeit oder Änderung von Verträgen von 40 auf 35 Stunden.
Sie haben auch angekündigt, jede zehnte Führungsstelle zu streichen. Welche Bereiche sind besonders betroffen?
Bei den Management-Strukturen haben wir nicht das Gießkannen-Prinzip angewendet, sondern sind sehr analytisch vorgegangen. Natürlich gibt es Bereiche, wo stärker gekürzt wird. Auf der anderen Seite haben wir Bereiche beispielsweise bei Software-Funktionen, wo wir sogar Personal aufbauen. Genauer will ich das aber nicht aufschlüsseln.
Werden die Maßnahmen ausreichen, oder müssen Sie nochmals nachlegen?
Wir haben ein Maßnahmenpaket aufgesetzt, in dem natürlich auch die prognostizierten Absatz- und Marktentwicklungen eingeflossen sind. Aber Faktoren wie die allgemeine Wirtschaftslage oder Handelskonflikte können sich schnell ändern. Kein Unternehmen kann die nächsten fünf Jahre sicher vorhersagen. Wir haben ein Ziel gesetzt. Ob wir auf der Reise dorthin nochmals anpassen müssen, werden wir sehen.
Demnächst stehen Tarifverhandlungen mit der Gewerkschaft an. Wo liegt ihre Schmerzgrenze bei der Lohnsteigerung?
Ich appelliere hier glasklar an die Vernunft. Ein Konzern wie Daimler trifft derzeit unübliche Maßnahmen wie einen Personalabbau, um in dieser Transformation die Kostenstrukturen anzupassen. Es gibt Lieferanten der ersten, zweiten oder dritten Ebene mit einer noch deutlich schwierigeren Situation. Diese Unternehmen können keine deutlichen Kostensteigerungen vertragen. Wir halten es in dieser Situation für sehr, sehr sinnvoll, die Ansprüche entsprechend anzupassen.
Was heißt das konkret?
Zahlen möchte ich hier nicht nennen. Ich kann nur die handelnden Personen auffordern, langfristig zu denken und zu erkennen, was in dieser Situation wichtig ist.
Sie sparen, holen mit dem elektrischen Antriebsstrang aber zusätzliche Komponenten ins Unternehmen zu mutmaßlich höheren Kosten. Warum?
Beim elektrischen Antriebsstrang haben wir starke Lieferanten. Aber für die Arbeitnehmer ist es auch wichtig zu wissen, dass in Zeiten der Transformation ein zukunftsfähiges Produkt ins Werk kommt. Voraussetzung war, dass die langfristige Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit hergestellt wird. Dies haben wir in intensiven Verhandlungen mit der Arbeitnehmerseite geschafft. Dennoch ist klar, dass wir auch beim elektrischen Antriebsstrang weiterhin bei Lieferanten zukaufen.
Sie haben jüngst angekündigt, die Forderungen gegenüber Zulieferern stärker durchzusetzen. Was ist damit gemeint?Dort, wo beispielsweise ein Rückruf durch mangelnde Qualität notwendig wird, muss der Verursacher auch die Verantwortung übernehmen. Wenn das der Lieferant ist, werden wir mehr Intensität in die Gespräche rein bringen als früher. Aber es geht nicht um ein Gegeneinander. Generell durchleuchten wir mit den Lieferanten auch technologische Potenziale, um Kosten zu sparen.
Sie wollen die Komplexität verringern, steigern die Zahl der Modelle aber weiter. Bald sind es rund 50, wie viele sollen es in zehn Jahren sein?Zunächst wird die Anzahl wegen der rein elektrischen Modelle und der Plug-in-Varianten in der Tat noch zunehmen. Für die Architekturentscheidungen ab 2025 schauen wir uns ganz genau an, wo wir im Markt am erfolgreichsten sind und was Mercedes am besten kann. Da wird man in den Segmenten eher nach oben als nach unten schauen.
Am erfolgreichsten sind derzeit die umstrittenen SUVs. Wie wird sich deren Anteil entwickeln?
Mir ist das eine zu eindimensionale Diskussion über die Aufbauform. Wichtig ist doch, dass die Elektrifizierung enorm zunimmt und auch rein elektrische Modelle dabei sind. Kunden lieben die SUVs wegen der erhöhten Sitzposition und des guten Überblicks. Der Nutzwert ist sehr hoch. Der Anteil wird daher nach meinem Gefühl weiter steigen. Trotzdem muss der CO2-Fußabdruck natürlich sinken. Dafür werden wir die entsprechende Technologie in die Fahrzeuge bringen, aber nicht das Design verändern.
Werden Sie die CO2-Ziele für 2021 erreichen können?Es ist mit unseren Technologien möglich, in diesen Zielkorridor einzufahren. Was wir aber nicht gänzlich kontrollieren können, ist das Marktgeschehen. Deswegen ist es eine große Herausforderung. Ich möchte in der ersten Verkaufswoche des Jahres noch keine exakte Prognose abgeben.
Der rein elektrische EQC wäre ein wichtiges Auto dafür, aber man sieht ihn auf den Straßen nicht. Warum?Die Nachfrage nach dem Auto ist sehr hoch. 2019 haben wir die Produktion gestartet und fahren diese nun sukzessive hoch. Dazu haben wir in unsere zweite Batteriefabrik in Kamenz insgesamt 500 Millionen investiert und neue Linien installiert. Zudem hatten wir Ende 2019 einen Rückruf, aber das Problem ist jetzt gelöst.
Wann kommt die Produktion in Fahrt?Ich gehe davon aus, dass wir Mitte 2020 die Kammlinie erreichen können. Wir arbeiten kontinuierlich an einer weiteren Steigerung der möglichen Ausbringungsstückzahl, so dass unsere Kunden schnellstmöglich ihren vollelektrischen Mercedes in Empfang nehmen können.
Welche Vorgaben machen Sie ihren Händlern, um verbrauchsarme Autos in den Markt zu bekommen?
Wir handeln ökonomisch rational. Es ist nicht unsere Politik, hohe Rabatte zu geben. Müssen wir auch nicht, weil die Nachfrage hoch ist. Wir würden nie eine Hauruck-Aktion machen, um die Stückzahlen künstlich in die Höhe zu treiben.
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