Herr Engelmann, wie fällt Ihre vorläufige Bilanz für das Geschäftsjahr 2020 aus?
Wegen der weltweiten Lockdowns waren die ersten beiden Quartale schwierig. Das hat uns im Umsatz schon sehr stark getroffen. Im dritten und vierten Quartal konnten wir dann wieder aufholen, so dass sich am Ende die Umsatzreduktion noch einigermaßen im Rahmen gehalten hat. 2020 sind wir aber insgesamt unter unseren ursprünglichen Planungen geblieben.
Wie wird es beim Ergebnis sein?
Wir sind ins Minus gerutscht. Allerdings muss man dazusagen, dass wir 2020 bei den Neuinvestitionen nicht gebremst haben. Das heißt, in unserem Kerngeschäft sind wir auch in der Krise nach wie vor profitabel gewesen.
Welchen Schwerpunkt gab es bei den Neuinvestitionen?
Die lagen im Bereich E-Mobilität, wo wir in bei Batteriesystemen, Ladelösungen und elektrisches Heizen im Wesentlichen an unseren Investitionen festgehalten haben. Das hat auf das Ergebnis zwar zunächst negative Auswirkungen, aber wir wollten in einem gewissen Rahmen auch antizyklisch handeln.
Wie fällt Ihr Ausblick für 2021 aus?
Wir gehen davon aus, dass wir in diesem Jahr wieder zurück in die Profitabilität kommen. Und wir rechnen auch mit entsprechenden Umsatzzuwächsen. Die Abrufe sind derzeit stabil. Allerdings könnten weitere Lockdowns und auch die aktuellen Engpässe im Elektronikbereich dazu führen, dass weniger Produkte als angekündigt abgerufen werden. Ob wir das im Verlauf des Jahres kompensieren können, bleibt abzuwarten.
Sprechen Sie bei den Elektronikkomponenten den allgemeinen Engpass bei den Chips an?
Ja, damit sind vor allem die Halbleiter gemeint. Wenn unsere Kunden deswegen ihre Produktionsprogramme kürzen, wirkt sich das auch auf uns aus.
Anfang 2019 hatten Sie davon gesprochen, dass Sie 2025 einen Umsatz von sechs bis sieben Milliarden Euro erreichen wollen. Wie lautet Ihre aktuelle Prognose?
Wir gehen nach wie vor davon aus, dass wir weiter stark wachsen. Allerdings werden die Produktionszahlen infolge der Corona-Krise im Jahr 2025 nicht die Höhe erreichen, wie Anfang 2019 angenommen. Entsprechend werden wir auch weniger Umsatz erzielen und grob geschätzt in fünf Jahren in einer Spanne zwischen viereinhalb und sechs Milliarden Euro liegen. Dabei trägt nach wie vor unser Kerngeschäft mit Dächern wesentlich zu dieser Entwicklung bei.
Welche Umsatzziele haben Sie im Bereich E-Mobilität?
Wir halten an unserem Vorhaben fest, mittelfristig eine Milliarde Euro Umsatz in diesem Bereich zu erzielen. Langfristig sind drei Milliarden Euro geplant. Wir hatten 2020 schon Auftragseingänge von mehr als einer Milliarde im Bereich E-Mobilität. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei einem Life-time-Auftrag für Batteriesysteme zunächst ein oder zwei Jahre Entwicklungszeit vergehen, bevor sich der Auftrag im Umsatz niederschlägt. Wir müssen also schon über einen Zeitraum von ein paar Jahren kontinuierlich Auftragseingänge von einer Milliarde haben, bevor sich das auch in einer Milliarde Euro Umsatz ausdrückt. Das ist ein langfristiges Geschäft. Aber ich bin mir sicher, dass sich die E-Mobilität durchsetzt. Als wir mit unserer Doppelstrategie im Jahr 2016begonnen haben, stand dahinter noch ein Fragezeichen. Da gab es viele neue Mobilitätstrends. Es war gut und richtig, dass wir uns auf die E-Mobilität konzentriert haben. Zudem verfolgen wir intensiv, wie es beim autonomen Fahren weitergeht und bieten auch hier innovative Lösungen an.
Wie entwickelt sich das Geschäft mit Ladestationen?
Das läuft gut an. Wir sehen derzeit vermehrt, dass unsere Wallboxen über unsere Kunden, die Fahrzeughersteller, verkauft werden. Auf den Boxen steht dann aber nicht Webasto, sondern die Marke des Kunden. Wir führen auch in diesem Jahr vielversprechende Verhandlungen und hoffen, dass sich daraus eine ganze Reihe von weiteren Aufträgen ergeben. Parallel dazu bauen wir unseren Aftermarket weltweit aus. In Deutschland profitieren wir gerade von den Förderungen für Wallboxen.
Wie entwickelt sich Ihr China-Geschäft?
Sehr positiv. In der jetzigen Krise hat sich gezeigt, dass der chinesische, der sich am schnellsten erholende Markt ist. Im Februar und März hatten wir dort Corona-bedingt natürlich einen Rückschlag erlitten, aber das haben wir zum Jahresende weitestgehend wieder kompensiert. Wie in der Krise 2008/2009 war China erneut ein Bollwerk beim Abdämpfen von konjunkturellen Einflüssen. Mit unseren elf Werken sind wir dort gut positioniert. In den letzten 20 Jahren haben wir für unsere Unternehmensgröße eine sehr starke chinesische Organisation aufgebaut, die auch über entsprechende Entwicklungsressourcen verfügt und vor Ort europäische, amerikanische und japanische Kunden sowie lokale chinesische Fahrzeughersteller bedient. Das heißt, wir können unser Geschäft gut ausbalancieren, wenn es bei dem ein oder anderen Kunden auch mal schlechter läuft.
Wie hoch ist Ihr Umsatzanteil mit China?
2019 lagen wir bei rund 35 Prozent. Im vergangenen Jahr werden wir uns Richtung 40 Prozent entwickelt haben, vor allem auch, weil die Märkte in den Regionen Americas und Europa sich nicht so schnell erholt haben. Nach der Akquisition unseres Joint Ventures in Korea 2019 und mit unseren langjährigen Aktivitäten in Japan verfügen wir insgesamt über einen guten asiatischen Footprint. Wir rechnen damit, dass auch in Zukunft die Wachstumsmärkte eher in Asien liegen. Europa und Amerika werden stagnierende Märkte sein, die voraussichtlich in den nächsten fünf Jahren nicht das Niveau aus den Jahren 2017 und 2018 erreichen. Unser Geschäft in Indien werden wir 2021 deutlich ausbauen.
Welche Schwerpunkte wollen Sie in China setzen?
Ein Fokus bleibt zunächst einmal auf dem Dachgeschäft. Im Bereich E-Mobilität haben wir Anfang 2020 in Jiaxing ein Batteriezentrum inklusive Testing und Prototypenbau aufgebaut. Wir steigen in China auch in den Markt mit Wallboxen ein. Dafür sind in unserem Werk in Wuhan umfangreiche Kapazitäten vorgesehen. Wir haben für Wallboxen einen großen Auftrag gewonnen und werden in Wuhan ab dem Jahr 2022 Ladestationen produzieren.
Birgt Ihre starke Abhängigkeit vom chinesischen Markt nicht auch Risiken?
Webasto ist weltweit breit aufgestellt. Unser Asienanteil hat sich während der Pandemie auf rund 50 Prozent erhöht. Gleichwohl sind für uns auch Europa und die USA weiterhin wichtige Märkte. Wir investieren auch hier. In den USA haben wir beispielsweise kürzlich im Dachbereich einen sehr innovativen Auftrag bekommen und sind auch mit unseren Ladelösungen gut im Geschäft. In den nächsten Jahren wird uns das dort ein starkes Wachstum bescheren.
Wie sehen Sie die Entwicklung im Bereich Cabrio-Verdecke?
Es wird immer Liebhaber des Cabrios geben, vielleicht in Zukunft auch mal ein E-Cabrio, woraus sich eine neue Klasse entwickeln kann. Das sehe ich aber nicht in den nächsten fünf Jahren. Wir bleiben nach wie vor dem Cabrio treu, aber das Verdeck-Geschäft ist für uns kein strategisches. Wenn es mal eine Renaissance des Cabrios geben sollte, sind wir vorbereitet, denn wir arbeiten stetig an innovativen Technologien und Materialien.
Am 27. Januar 2020 ist ein Webasto-Mitarbeiter als erster Mensch in Deutschland positiv auf Corona getestet worden. Haben Sie in der Rückschau im Umgang mit dem Virus alles richtig gemacht?
In Bezug auf Corona haben wir vor allem zu Beginn sehr viel richtig gemacht. Neben dem entsprechenden Glück, das man braucht, haben wir uns auf alles Notwendige konzentriert. Wir haben vor allem darauf geachtet, dass unsere Mitarbeiter unbeschadet durch diese erste Krise kommen. In allem, was wir getan haben, waren wir sehr transparent und, haben akribisch und mit großem Druck Kontakte nachverfolgt. Dabei haben wir gezeigt, dass man einem solchen Ausbruch innerhalb von acht Tagen Herr werden kann, wenn man schnell und konsequent agiert. Wenn ich mir die heutige Situation in Deutschland anschaue, ist es einfach traurig, dass wir es nicht geschafft haben, dieses Tempo aufrecht zu erhalten und uns letztlich die Pandemie entglitten ist. Wenn man zu langsam reagiert, ist das Infektionsgeschehen ab einem bestimmten Zeitpunkt einfach nicht mehr handelbar – mit den entsprechenden Folgen.
Was bemängeln Sie?
Die Corona-App, die wir heute in Deutschland haben, ist in unzureichendem Maße installiert und mit zu wenigen Informationen gefüttert. Weil das digitale Tracking nicht funktioniert, leiden wir jetzt alle viel mehr, als wir leiden müssten. Die täglichen Todes- und Neuinfektionszahlen sind schlimm. Außerdem finde ich es bedauerlich, dass viele kleine Firmen Insolvenz anmelden müssen, weil viele hierzulande nicht bereit sind, sich so eine Warn-App herunterzuladen.
Welche Auswirkungen hätte eine weitere Verschärfung der Pandemie beispielsweise durch erneute Lockdowns in der Industrie auf Ihre Produktion, beispielsweise in Form von Kurzarbeit oder Werkschließungen?
Ich denke, im Verwaltung- und Entwicklungsbereich haben wir uns – wie viele andere Zulieferer – so aufgestellt, dass wir auch mit einer Verschärfung zurechtkämen. In der Produktion sieht es anders aus. Wir beobachten die Entwicklung bei unseren Kunden und Lieferanten sehr genau. Erneute Nachfrageeinbrüche würden uns hart treffen, und wir müssten unsere Kapazitäten in der Produktion entsprechend anpassen. Aus heutiger Sicht können wir auch Kurzarbeit nicht ausschließen.
Befürchten Sie, dass die Lieferketten bei Ihnen reißen?
Wir haben seit Ende Januar 2020 ein besonderes Augenmerk auf unsere Lieferketten. Bisher ist uns das Supply Chain Management unter den erschwerten Bedingungen gut gelungen. Unser Vorteil ist, dass wir prinzipiell im Markt für den Markt produzieren und auch lokal Zulieferteile einkaufen. Aber bei der dynamischen Entwicklung der Pandemie, insbesondere durch die neuen Mutationen des Virus, bleibt die Herausforderung groß.
Wie viele Ihrer Lieferanten stehen unter Beobachtung?
Unsere Einkaufsorganisation hat weltweit alle strategisch wichtigen Zulieferer im Blick. Einmal wöchentlich tauschen sich die Kollegen über mögliche kritische Entwicklungen aus und entscheiden, wenn nötig, über eine entsprechende Problemlösung.
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