Herr Rheinländer, welche Erfahrungen hat die HUK Coburg bisher mit autonom fahrenden Fahrzeugen?
Bislang sind in Deutschland nur erste Testfahrzeuge mit autonomem Fahrmodus auf der Straße – und auch nur auf ausgewählten Teststrecken. Autonome Fahrzeuge, also solche ohne Fahrer, sind für normale Autofahrer nicht zugelassen. Deshalb ist keines der ca. zwölf Millionen Fahrzeuge, die wir derzeit versichern, autonom unterwegs.Es wird noch Jahre dauern, bis die ersten autonomen Fahrzeuge für jedermann zugänglich sind. Schon weil die nötige Infrastruktur noch aufgebaut werden muss. Was uns in den nächsten Jahrzehnten erwartet, ist ein Mischverkehr auf Deutschlands Straßen, also ein Nebeneinander von Fahrzeugen unterschiedlicher Automatisierungsstufen und nichtmotorisierten Verkehrsteilnehmern.
Darauf sind wir bestens vorbereitet: Unsere Produkte und Tarife der Kfz-Versicherung passen jetzt für alle Fahrzeuge, egal, ob sie der Fahrer selbst fährt, oder im assistierten oder automatisierten Fahrmodus unterwegs ist. Selbst wenn Sie ein autonomes Fahrzeug bei der Zulassungsbehörde zugelassen bekämen, könnten Sie es heute schon bei uns versichern. Wir könnten eine Prämie nennen, Versicherungsschutz bieten, auch die Schadenbearbeitung würde reibungslos funktionieren.
Werden denn mit dem autonomen Fahren die Prämien eher steigen oder sinken?Wir erwarten mit zunehmender Fahrzeugautomatisierung sinkende Schadenzahlungen. Ähnliches hat sich bereits bei zunehmender Verbreitung der Fahrzeugassistenzsysteme gezeigt. Sinkende Schadenzahlungen lassen die Prämien sinken.Und wie werden sich die Versicherungssummen beim autonomen Fahren entwickeln?Die meisten Kfz-Haftpflichtversicherer in Deutschland bieten eine Versicherungssumme von 100 Millionen Euro an. Diese Summe ist angemessen und erforderlich – unabhängig vom Automatisierungsgrad des Fahrzeugs. Großschadenereignisse sind zwar selten, aber immer besonders tragisch. Denken Sie nur an eine bei einem Verkehrsunfall schwerstverletzte Person, die jahrzehntelang rund um die Uhr auf intensivmedizinische Pflege angewiesen ist. Oder an eine Infrastruktureinrichtung, wie etwa eine Autobahnbrücke, die durch einen Verkehrsunfall so schwer beschädigt wird, dass sie einsturzgefährdet ist. Das sind nur zwei Beispiele für Schadenereignisse, für die Kfz-Versicherer auch in Zukunft bezahlen werden.Nach den teilweise tödlichen Unfällen bei Tesla, Waymo oder Uber scheint das fahrerlose Auto noch meilenweit entfernt von der Serienreife. Welche Priorität hat das Thema vor diesem Hintergrund für die HUK Coburg?Automobilität und Mobilität sind für uns als großen Autoversicherer in Deutschland Themen von enormer Bedeutung, da sie direkt unser Kerngeschäft betreffen. Autofahren wird in Zukunft anders aussehen. Darauf stellen wir uns ein. Wir unterstützen automatisiertes und autonomes Fahren – sofern es sicher ist. Im Mittelpunkt aller Überlegungen muss der Mensch stehen.Sollte sich irgendwann autonomes Fahren flächendeckend durchsetzen, dann könnten ja im Idealfall die Unfallzahlen gegen Null tendieren. Sieht die HUK Coburg dadurch das Geschäftsmodell der Kfz-Versicherer gefährdet?Die Kfz-Versicherung bleibt, auch wenn mit zunehmender Fahrzeugautomatisierung die Schäden zurückgehen. Weniger Schäden werden zunächst vor allem im Niedriggeschwindigkeitsbereich auftreten, etwa bei Parkremplern, da dort die neue Technik zuerst eingesetzt wird. Weniger Ausgaben für Schadenfälle lassen die Beiträge in der Kfz-Versicherung sinken.Unterstellt, irgendwann in der Zukunft, etwa in 40 bis 50 Jahren – falls überhaupt – gäbe es nur noch selbstfahrende Fahrzeuge und dies auf allen Straßen und rund um die Uhr: Selbst dann wäre die Autoversicherung nicht überflüssig. Nach wie vor würden Autos Schäden verursachen, auch sehr große Schäden, selbst bei größter Sorgfalt der Autohersteller. Denken Sie nur an gehackte Autos, die schwere Verkehrsunfälle verursachen. Oder wenn plötzlich die Software versagt. Den Verkehrsopfern schnell und unkompliziert zu helfen, dafür ist die Kfz-Versicherung da. Und denken Sie nur an die Kaskoversicherung, die Schäden am eigenen Auto bezahlt, etwa bei Hagel oder anderen Unwetterereignissen. Aber das Bild des Kfz-Versicherers wird sich ändern, weg vom reinen Bezahler von Schäden, hin zum Mobilitätsdienstleister.
Als Mobilitätsdienstleister sammeln Sie ja auch immer mehr Daten über den Versicherten. Was passiert mit diesen Daten, wenn das autonome Fahren irgendwann serienreif ist? Datenschutz ist uns sehr wichtig. Wir zeigen heute schon bei unserem Telematik-Produkt, das wir die Privatsphäre unserer Kunden achten und schützen. Wir verarbeiten die Daten in getrennten Datenkreisen und schalten einen Datendienstleister ein. Wir als Versicherer kennen die Identität unseres Kunden, nicht aber seine Fahrdaten. Der Datendienstleister kennt die Fahrdaten, aber nicht die Identität des Kunden. Die Datenverarbeitung erfolgt pseudonymisiert mittels einer ID-Nummer, statt des Kundennamens. Das Telematik-Produkt ist freiwillig. Selbstverständlich bieten wir eine Kfz-Versicherung ohne Telematik-Komponente an und werden dies auch in Zukunft tun.Beim autonomen Fahren könnte der Fahrzeughalter auch dann haften, wenn er selbst gar keinen Fehler macht. Wie will man das Versicherungsnehmern vermitteln?Da sehen wir auch die Medien in der Pflicht. Es sind viele Falschmeldungen im Umlauf und verunsichern die Autofahrer unnötig. Fakt ist: Die Kfz-Haftpflichtversicherung zahlt anstelle des Fahrers und des Halters für ihre Schäden im Straßenverkehr. Dies gilt unabhängig vom Automatisierungsgrad des Fahrzeugs. Voraussetzung dafür, dass die Kfz-Haftpflichtversicherung zahlen darf, ist, dass entweder der Fahrer oder der Halter des Fahrzeugs haftet. Haften weder der Fahrer noch der Halter, dann bleibt das Verkehrsopfer auf dem Schaden sitzen. Diese zivilrechtliche Haftung nützt dem Verkehrsopfer, schadet weder Fahrer noch Halter. Können Sie Beispiele nennen? Ein Fahrer verschuldet einen Auffahrunfall. Der Fahrer haftet zivilrechtlich. Seine Kfz-Haftpflichtversicherung bezahlt den Schaden am anderen Fahrzeug des Vordermanns.Ein Fahrzeug, das im automatisierten Modus fährt, verursacht einen Auffahrunfall. Hat der Fahrer trotz Aufforderung die Fahrzeugsteuerung nicht übernommen und deshalb nicht gebremst, dann greift die Fahrerhaftung, weil der Fahrer "schuld ist". Hätte der Fahrer den Unfall nicht verhindern können, zum Beispiel weil sich der Fahrbetrieb nicht übersteuern ließ, dann haftet der Halter, weil das Fahrzeug "schuld ist". In beiden Fällen zahlt die Kfz-Haftpflichtversicherung.Das Zusammenspiel von zivilrechtlicher Haftung und Kfz-Haftpflichtversicherung ist bewährte Praxis seit vielen Jahrzehnten und verlässliche Grundlage für die weitere Fahrzeugautomatisierung. Der Gesetzgeber muss nur Details anpassen. Es geht allein darum, Verkehrsopfer angemessen in Geld zu entschädigen. Damit nichts zu tun hat die Frage, ob sich jemand wegen eines Verkehrsunfalls strafbar gemacht hat. Das wird allein vom Strafrichter nach Strafrecht beurteilt.Apropos Strafrecht: Wie beurteilt die HUK Coburg das Risiko von Vandalismus bei Robo-Taxis?Die Erfahrungen der Carsharing-Betreiber zeigen, dass Fahrer oft wenig sorgfältig mit den Fahrzeugen umgehen, sie verschmutzt oder vermüllt abstellen. Das führt zu erhöhten Wartungskosten bei Carsharing-Flotten. Wie dies die Carsharing-Betreiber in den Griff bekommen werden, wird sich zeigen, ebenso, ob dieses Phänomen auch bei Robo-Taxis auftreten wird. In der Vollkasko sind Vandalismus-Schäden versichert, allerdings nur, sofern eine fremde Person den Schaden anrichtet. Vandalismus-Schäden, die der Fahrer am Fahrzeug anrichtet, sind dagegen nicht versichert.Lesen Sie auch:
Autoversicherung: Allianz will HUK Spitzenplatz abjagen
Autonomes Fahren: HUK Coburg möchte Unfallopfern mehr zahlen als sie darf
Im Datencenter: