Wenn es jemand hätte schaffen können, dann Porsche. Mit großer Akribie und Leidenschaft hat sich der Sportwagenbauer auf sein erstes Elektromodell vorbereitet. Jetzt aber ist klar: Auch der Taycan wird es nicht so schnell zu den Kunden schaffen wie geplant. Das geht aus einem Schreiben des Unternehmens an einen norwegischen Händler hervor, das zunächst auf Facebook kursierte. Darin heißt es:
"Der Taycan ist unser erster elektrischer Sportwagen. Das Auto wurde von Grund auf neu entwickelt und wird in einer brandneuen Fabrik produziert. Alle Porsche-Mitarbeiter haben mit Hochdruck daran gearbeitet, um den Taycan wie geplant im Januar auszuliefern. Dennoch müssen wir aus Gründen der enormen Komplexität in der Produktion mitteilen, dass es zu Verzögerungen kommt.
Wir gehen derzeit von acht bis zehn Wochen Verzögerung aus, und die neue Produktionszeit für Ihren Wagen wird durch den Händler mitgeteilt. Wir entschuldigen uns vielmals und garantieren, dass wir alles dafür tun, um Ihren Porsche Taycan so schnell wie möglich auszuliefern."
Porsche bestätigte auf Nachfrage die Lieferverzögerungen. "Die Anlaufkurve in der Produktion verläuft etwas flacher", sagte ein Sprecher der Automobilwoche. Allerdings würden die ersten Exemplare wie geplant noch im Dezember in den USA ausgeliefert. In Europa könne es dagegen zu Verzögerungen kommen. Für Deutschland seien die ersten Auslieferungen noch im ersten Quartal 2020 vorgesehen. Als Grund dafür nennt das Unternehmen im wesentlichen die Gründe, die bereits in der Mail an die Händler beschrieben sind.
Der Sportwagenbauer betont aber: "Jeder Kunde, der einen Taycan bestellt, bekommt einen Taycan. Die Nachfrage ist groß, weil der voll elektrische Sportwagen neue Maßstäbe in der nachhaltigen Mobilität setzt."
Tatsächlich ist Porsche mit den Problemen nicht allein. Nicht nur der Elektropionier Tesla, sondern auch nahezu alle etablierten Hersteller haben Schwierigkeiten, bei den rein elektrischen Modellen die zunächst geplanten Kapazitäten auch wirklich zu erreichen. So kam es beispielsweise beim Audi e-tron wegen undichter Batteriepacks immer wieder zu Lieferverzögerungen. Auch vom Mercedes EQC, auf den Daimler nicht zuletzt wegen der strengen CO2-Vorgaben der EU angewiesen ist, fahren längst nicht so viele Exemplare auf den Straßen wie geplant. Grund sind Engpässe in der Batteriefabrik in Kamenz. Dabei hatte Mercedes die Anlaufkurve ohnehin schon konservativ angesetzt.
Zwar äußerst sich Porsche nicht zu den genauen Gründen für die Verzögerung. Doch dürften die Probleme ähnlich gelagert sein wie bei den anderen Herstellern.
So müssen für die Elektroautos viele Mitarbeiter neu eingestellt oder weitergebildet werden. Allein für den Taycan hat Porsche 2000 Mitarbeiter an Bord geholt. Zwar wurden diese zum Teil im größten Qualifizierungsprogramm in der Geschichte des Unternehmens in wenigen Monaten ausgebildet. Dennoch ist es ein Unterschied, ob Beschäftigte ein Modell mit gewohnter Verbrennertechnologie montieren oder ein Auto, bei dem vom Antrieb mit Batterie und Kühlsystemen bis hin zum digitalen Cockpit alles komplett neu ist.
Da bei Porsche die Fertigungstiefe mit nur etwa 20 Prozent traditionell sehr gering ist, übertragen sich die Probleme auf die Zulieferer. Auch die haben es mit einer neuen Technologie in noch nicht gekannter Komplexität zu tun, auch wenn Porsche dazu nichts sagt. Das aus dem Rennsport abgeleitete 800-Volt-Batteriesystem wird beispielsweise in einer eigenen Produktionsstätte von Dräxlmaier gebaut. Auch das voll digitale Cockpit wird bereits komplett angeliefert und dann nur noch von Porsche eingebaut. Die Zellen für die Batterie kommen von LG Chem. Immer wieder ist zu hören, dass Zelllieferanten nicht in der gewünschten Menge liefern können, weil die Nachfrage sich schneller entwickelt als das Angebot.
Mit der Fabrik für den Porsche Taycan beschreitet Produktionsschef Albrecht Reimold neue Wege. Statt eines klassischen Bandes setzt er auf hochflexible fahrerlose Transportsysteme, die sich frei durch die Halle bewegen können. Die Produktion wurde nach Standards der Industrie 4.0 konzipiert. Dazu kommt eine ausgeklügelte Logistik, da auf dem beengten Werksgelände auf bestehende Gebäude oder Bahngleise Rücksicht genommen werden musste. Beispielsweise wird der Taycan über 900 Meter aus der Lackiererei in die Montage befördert. All diese Prozesse müssen sich erst einspielen, zumal sie in den laufenden Betrieb der Zweitürer-Produktion integriert werden.
Erst wenn die Abläufe stimmen und die Kammlinie im Zwei-Schichtsystem erreicht ist, will der Sportwagenbauer daher über höhere Kapazitäten nachdenken. Klar ist jedenfalls, dass Porsche nicht nur die Komplexität der Produktion etwas unterschätzt hat, sondern auch die Nachfrage. Die dürfte inzwischen weit über den zunächst vom Unternehmen angesetzten 20.000 Exemplaren pro Jahr liegen.
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