An diesem Donnerstag präsentiert die Mercedes-Benz Group AG erstmals als eigenständiges Unternehmen ohne Lkw-Sparte die Zahlen für das vergangene Geschäftsjahr. Die Eckdaten sind bereits bekannt, weil sie die Prognosen übertroffen haben und damit ad-hoc-pflichtig waren. So hat die Sparte für Pkw und Vans trotz Chipkrise einen Gewinn von rund 14 Milliarden Euro erzielt. Das entspricht einer Rendite von 12,7 Prozent. Die Finanzdienstleistungen von Mercedes-Benz Mobility erreichten eine Eigenkapitalrendite von 22 Prozent und einen Gewinn von 3,4 Milliarden Euro. Damit steht die Marke mit dem Stern so gut da wie seit Jahren nicht. Hier sind die fünf wichtigsten Gründe für die neue Stärke.
Darum ist Mercedes stark wie nie
So paradox es klingt. Aber der Mangel an Halbleitern ist einer der wesentlichen Gründe für das starke Abschneiden der Marke Mercedes im vergangenen Jahr. Die Verknappung bedeutete eine Zuteilung der kostbaren Komponenten für die höher positionierten Fahrzeuge, die auch die besten Margen bringen. Die G-Klasse kletterte beim Absatz mit 41.174 Fahrzeugen auf ein neues Allzeit-Hoch und wurde inzwischen mit einem Bestellstopp versehen, da 2024 in Graz die Produktion auf das elektrische Modell umgestellt wird. Mercedes-AMG vermeldete mit 145.979 Einheiten und plus 16,7 Prozent ebenfalls einen Rekordwert. Mercedes-Maybach setzte 15.730 Fahrzeugen ab, ein Plus von über 50 Prozent. Dies zahlt unmittelbar auf die Rendite ein, zumal in einem leergefegten Markt auch höhere Preise durchgesetzt werden können. So wurden beispielsweise im vierten Quartal fast ein Viertel weniger Autos verkauft als im Vorjahreszeitraum. Die Rendite kletterte aber auf 15 Prozent, war also vergleichbar mit dem strategischen Ziel von Porsche für die Profitabilität.
Die von Ola Källenius ausgerufene Luxus-Strategie trägt, auch durch die Chipkrise befeuert, erste Früchte. Ziel ist es, im jeweiligen Segment immer die höherpreisigen Fahrzeuge bevorzugt zu verkaufen. Ganz an der Spitze stehen natürlich die Sport- und Luxusmarken AMG, G-Klasse sowie Maybach. Sie sollen perspektivisch gestärkt werden. Unter AMG-Chef Philipp Schiemer wurden sie zu einer Gruppe zusammengefasst, um etwa Marketingstrategien in Zukunft besser abzustimmen. "Wir wollen die Fahrzeuge individualisieren und die Kunden dazu animieren, noch ein wenig mehr Geld auszugeben, weil wir ihnen was Besonderes anbieten“, sagt Schiemer. Stückzahlen alleine sollen nicht mehr zählen. Schon jetzt steht fest, dass die nächste Generation der Kompaktmodelle deutlich ausgedünnt wird. A-Klasse Limousine sowie B-Klasse etwa erhalten keinen Nachfolger mehr. Unter dem Titel "The Economics of Desire" plant Mercedes-Chef Ola Källenius im Mai eine Schärfung seiner Strategie vom Auto-Geschäft der Zukunft bei Mercedes.
Vor allem bei der Elektromobilität war Mercedes zunächst zögerlich und musste viel Kritik einstecken. Seit vergangenem Sommer aber ist der Hebel umgelegt und die Devise "Electric only" ausgegeben. Dies bedeutet, dass spätestens 2030 nur noch rein elektrische Fahrzeuge verkauft werden sollen, sofern es die Marktbedingungen zulassen. Mit dem EQS als erstem auf einer rein elektrischen Plattform gebauten Modell hat Mercedes endlich wieder technologische Ausrufezeichen gesetzt – beispielsweise mit dem geringsten Luftwiderstand eines Serienfahrzeugs, der großen Reichweite von über 770 Kilometer oder dem futuristischen Hyperscreen mit der intelligenten Sprachsteuerung MBUX. Auch im vor wenigen Wochen vorgestellten Konzeptauto EQXX stecken jede Menge Superlative. So wurde der Bauraum der Batterie um die Hälfte verringert, die Aerodynamik und Effizienz nochmals verbessert, um eine realistische Reichweite von über 1000 Kilometern zu erreichen. Mit dem EQXX, der als Vorbote der nächsten Architekturen MMA für die Kompaktklasse und MB.EA für die höheren Segmente gilt, lehren die Ingenieure in Sindelfingen der Konkurrenz endlich wieder das Fürchten. So geht das Unternehmen gut gerüstet in die Ära der reinen elektrischen Antriebe. Mit dem Drive Pilot hat Mercedes zudem das weltweit erste behördlich genehmigte Fahrassistenzsystem auf Stufe 3 des automatisierten Fahrens in Serie gebracht. Auch hier faährt die konkurrenz hinterher.
Mit der Aufspaltung des Konzerns in zwei separate Unternehmen für Pkw und Vans sowie Trucks hat sich Mercedes die notwendige Agilität und Schnelligkeit verschafft, um besser durch die Transformation steuern zu können. Neue Partnerschaften wie jüngst etwa im Bereich der Feststoff-Batterie können so deutlich schneller auf den Weg gebracht werden. Lange Abstimmungsschleifen mit den Lkw-Kollegen entfallen. Außerdem soll mit dem neuen Namen Mercedes-Benz die Marke in den Fokus rücken. "Wir sehen, dass die Aufmerksamkeit für Mercedes in den letzten 12 bis 18 Monaten gestiegen ist", sagte Källenius bei der Umbenennung Ende Januar. Die Marke Mercedes-Benz ist Experten zufolge sehr wertvoll. Sie wurde beispielsweise im vergangenen Jahr vom US-Beratungsunternehmen Interbrand mit knapp 51 Milliarden US-Dollar (rund 45,7 Milliarden Euro) bewertet. In der Übersicht schnitt unter den internationalen Autobauern nur der japanische Konkurrent Toyota besser ab. Nicht zuletzt wegen der Abspaltung hat sich der Börsenkurs vom historischen Tief von unter 20 Euro am Anfang der Pandemie auf aktuell über 75 Euro erholt.
Lange Zeit war der Daimler-Konzern bekannt dafür, zumindest in guten Zeiten das Geld mit vollen Händen auszugeben. Das hat sich unter der Führung von Ola Källenius und Finanzchef Harald Wilhelm geändert. Mit dem Sparprogramm Move wurden Tausende Stellen abgebaut, darunter auch die vieler Führungskräfte. Zudem wurden die Reiseetats gekürzt, Messeauftritte fallen sparsamer aus oder werden ganz gestrichen. Källenius spricht gerne vom "schwäbischen Gen" des Unternehmens, das er wieder stärker verankert sehen will. Jeder Euro wird daher zweimal umgedreht, bevor er ausgegeben wird. Dazu trägt auch die Konzentration auf die Elektromobilität bei, die den Etat für Entwicklung entlastet, weil nicht mehr alle Antriebstechnologien gleichermaßen verfolgt werden. Außerdem soll die Komplexität bei den Modellen sowie den Varianten deutlich reduziert werden. Vom der Handschaltung etwa hat sich Mercedes bereits verabschiedet. Kritik am Sparprogramm kam zuletzt von Betriebsratschef Ergun Lümali: "Ich stelle fest: Die Kopfzahl wurde verringert, die Prozesse wurden nicht entsprechend angepasst. Wir bleiben bei unserer Aussage: Kosten schrubben alleine ist keine Strategie!"
Lesen Sie auch:
Mercedes stoppt Bestellungen für E-Klasse
Neuvorstellung Mercedes-AMG EQE 43 und 53: So macht AMG den EQE zum Business-Express
Neuer Mercedes-Dienstwagen: Kretschmann fährt jetzt EQS
Alles anders, vieles raus: Mercedes stellt Kompakt-Angebot neu auf
Aus dem Datencenter: