Herr Engelmann, welche Erfahrungen haben Sie beim Aufbau ihrer chinesischen Standorte gewonnen?
Wir werden in China sehr gut unterstützt. Bei der Eröffnung neuer Standorte stehen uns die lokalen Behörden zur Seite. Wir haben inzwischen zehn Produktionsstandorte für Dachsysteme
Wie sieht die Hilfe konkret aus?
Investitionen werden sehr schnell genehmigt, teilweise gibt es auch steuerliche Erleichterungen oder wir erhalten Unterstützung beim Aufbau der Infrastruktur am Standort. Wir konnten dadurch in den vergangenen Jahren fast im Jahresrhythmus neue Werke aufbauen oder unsere bestehende ausbauen.
Wo liegen dann die Herausforderungen in China?
Die liegen vor allem darin, das Wachstum zu managen. Außerdem gibt es in China eine hohe Volatilität bei den Volumen. Die Herausforderung für uns liegt darin, die entsprechenden Kapazitäten zur Verfügung zu stellen. Industriepolitisch nach vorne gerichtet müssen wir uns auf die Themen Elektromobilität und autonomes Fahren einstellen und darauf, welche Ziele die chinesische Regierung beispielsweise in Punkto Umweltschutz verfolgt. Zudem müssen wir im Blick behalten dass E-Mobilität und autonomes Fahren schneller Einzug halten werden als in Europa und den USA. Darauf müssen wir die entsprechenden Antworten parat haben.
In China haben Sie es ja nicht nur mit westlichen Fahrzeugherstellern und ihren chinesischen Joint Ventures zu tun, sondern auch mit rein chinesischen Kunden. Macht sich das in Ihren Werken bemerkbar?
Ja, die Anzahl unserer Kunden pro Werk hat sich erhöht. Wir bearbeiten Aufträge für jeweils mehrere OEMs an unseren Standorten. Das war in den Anfängen nicht so. Mehrere Kunden unter einem Dach zu haben, ermöglicht Skaleneffekte, von denen unsere Kunden profitieren.
Wie entwickelt sich ihr Geschäft mit rein chinesischen Kunden?
Lokale chinesische Kunden erreichen mittlerweile rund 20 Prozent unseres Umsatzes in China. Tendenz steigend.
Sie haben mit Freddy Geeraerds seit einem halben Jahr einen eigenen China-Vorstand. Warum dieser Schritt?
Asien und im Speziellen China soll eine Stimme im Vorstand haben. China ist für uns ein bedeutender Markt und die Art und Weise dort Geschäfte zu machen unterscheidet sich von der in Europa oder den USA. Es ist daher wichtig, jemanden im Vorstand der Webasto Gruppe zu haben, der die asiatischen Marktanforderungen sehr gut kennt und vertritt, damit wir das bei unseren Entwicklungen und Prozessen entsprechend berücksichtigen.
Wo liegen die Unterschiede?
China hat eine viel höhere Dynamik. Um handlungsfähig zu sein, kurzfristig neue und unterschiedliche Situationen meistern zu können, ist dort vor allem eine höhere Flexibilität in der Organisation notwendig. Weil wir in Europa und den USA konsolidierte Märkte haben, sind wir dort geplanter und mittelfristiger ausgerichtet. Daher ist es von Vorteil, eine China-Stimme im Vorstand zu haben und sich vor Augen zu führen, dass vieles kurzfristiger und flexibler zu handhaben ist.
Müssen Sie auch mehr Kompetenzen nach China verlagern?
Zunächst einmal ist China für uns keine verlängerte Werkbank. China ist eine eigenständige Region mit entsprechenden Entscheidungsfreiheiten. Man kann nicht alles zentral aus Deutschland heraus steuern. Dann wären wir nicht schnell genug.
Was heißt das?
Wir haben in China ein Team mit allen Funktionalitäten: mit entsprechenden Entwicklungskapazitäten und auch -fähigkeiten vor Ort. Natürlich geschieht das nicht ungesteuert. Schließlich arbeiten wir zum Beispiel im Dachbereich mit Baukästen, haben weltweit die gleichen Standards und müssen alles in ein Gesamtsystem einflechten. Aber die Baukästen reflektieren auch die speziellen chinesischen Anforderungen.
Cabrios sind in China nicht besonders gefragt. Können Sie das ausgleichen?
In unserem Gesamtgeschäft verzeichnen wir überdurchschnittliche Zuwachsraten. Das liegt vor allem an unseren Panoramadächern. Im Augenblick hilft uns der chinesische Markt in zweierlei Hinsicht. Zum einen gibt es ein mittelfristiges Produktionswachstum, dass bei gut drei Prozent liegt. Zum anderen steigt die Ausstattungsquote, kombiniert mit einem Shift vom Schiebe- zum größeren, werthaltigeren Panoramadach.
Wie ist die Verteilung zwischen Schiebe- und Panoramadach?
Derzeit ist die Verteilung ungefähr gleich. Wir erwarten aber, dass sich der Anteil des Panoramadachs in Richtung 70 Prozent entwickelt.
Wie viel Umsatz erzielen Sie in China?
Wir haben dort im vergangenen Jahr erstmals mehr als eine Milliarde Euro Umsatz erzielt. Tendenz steigend. Das ist ein Drittel unseres Gesamtumsatzes von 3,5 Milliarden Euro.
Welches Ziel haben Sie in China mittelfristig?
In fünf bis sechs Jahren halten wir eine Größenordnung von zwei Milliarden Euro Umsatz für möglich. Dazu werden dann aber nicht nur Dächer, sondern auch elektrische Heizsysteme beitragen. Und auch der neu geschaffene Bereich Elektromobilität wird seinen Teil dazu beisteuern. Dabei denke ich vor allem an Batteriesysteme. Wir werden zwar in Europa mit den ersten Projekten starten, um Expertise aufzubauen, wollen dann aber relativ schnell in China starten. Wir haben jetzt schon rund 25 Leute in China, die sich ausschließlich mit dem Thema Batterien beschäftigen.
Sie haben mit dem koreanischen Unternehmen Samsung SDI kürzlich eine Zusammenarbeit bei der Fertigung von Nutzfahrzeugbatterien beschlossen. Was beinhaltet die Partnerschaft?
Gemeinsam mit Samsung SDI und deren Expertise im Bereich der Zellherstellung wollen wir ein Batteriemodul für den Nutzfahrzeugbereich entwickeln. Unser Partner liefert ein auf unsere Anforderungen hin optimiertes Batteriemodul, das wir in unsere Batteriepacks integrieren. Aus diesen Nutzfahrzeug-Standardbatterien stellen wir dann individuelle Batteriesysteme für unsere Kunden her, die wir auch mit kleineren Stückzahlen bedienen können.
Welchen Anteil leistet Webasto bei der Zusammenarbeit?
Wie sind diejenigen, die dafür sorgen, dass das Gehäuse allen Anforderungen wie hinsichtlich Kühlung, Crashtest und Dichte genügt. Wir kümmern uns um das Batteriemanagement für die Module, die Integration ins Fahrzeug und sorgen für die Qualität und Langlebigkeit der Produkte gemäß der in der Automobilindustrie herrschenden Standards. Dabei hilft uns auch unser Know-how, dass wir im Bereich Thermomanagement, Systemintegration und der Industrialisierung von Automotive-Komponenten haben.
Und warum der Start im Nutzfahrzeugbereich?
Wir erwarten einen sehr starken Anstieg bei der Elektrifizierung von Nutzfahrzeugen. Daher steigen wir frühzeitig in diesen Markt ein.
Sind auch Angebote für Pkw-Kunden geplant?
Ja, wir sind auch auf der Pkw-Seite unterwegs und wollen auch dieses Geschäft aufbauen. In den Batterien sehen wir großes Potenzial. Wir können uns vorstellen, damit ein weiteres großes Standbein neben dem, auf der Umsatzseite überragenden Dachbereich zu entwickeln.
Wie viel Umsatz wollen Sie mit dem Geschäftsbereich Elektromobilität erzielen?
Dazu möchte ich jetzt noch keine Aussage treffen, aber wir erwarten die ersten Aufträge in diesem Jahr.
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