Es ist das erste Mal, dass sich Wilko Stark als Mercedes-Einkaufschef vor Journalisten äußert. Das Interesse ist entsprechend groß, die Tische des Konferenzraums im neuen Vorstandsgebäude in Untertürkheim sind voll besetzt. Der ehemalige Daimler-Chefstratege und CASE-Manager, der auch auf der Automobilwoche Konferenz am 27. Februar in München spricht, ist ein gefragter Gesprächspartner. Er hat einen guten Überblick über alle Zukunftsthemen des Konzerns.
BATTERIEZELLEN
Von zentraler Bedeutung ist für Stark die Versorgung mit Batteriezellen für die künftige Elektro-Offensive. Für 20 Milliarden Euro hat der Konzern bereits eingekauft. Wer die Lieferanten sind, will Stark aus Wettbewerbsgründen nicht sagen. Doch klar ist, dass die Zellen für die Mercedes-Batterien neben CATL auch von anderen großen Zulieferern aus Asien kommen. Dazu zählen beispielsweise auch LG Chem, Samsung oder SKI Innovation. Weil derzeit viel geforscht werde, erwartet Stark bei den Zellen in Zukunft einen weiteren Preisrückgang. Zudem soll sich die Energiedichte alle zwei Jahre um rund acht Prozent verbessern. "Wir werden diese Verbesserungen nicht erst nach einem Modellzyklus an die Kunden weitergeben, sondern in Zukunft deutlich schneller."
Zwar steigt mit einer höheren Energiedichte theoretisch auch die Reichweite eines Elektroautos. Doch Stark stellt auch die Frage, ob es tatsächlich immer 400 Kilometer und mehr sein müssen. "Für zwei Urlaubsfahrten im Jahr 600 Kilogramm Batterien durch die Gegend zu fahren, ist sicher nicht optimal." Sinnvoller sei es die Ladeinfrastruktur so zu gestalten, dass kleinere Batterien wieder schnell aufgeladen werden können. Die Frage einer eigenen Batteriezellfertigung stellt sich für Stark höchstens mit einer neuen Technologie, etwa wenn Festkörper-Batterien industrialisiert werden könnten. Bis dahin kauft Daimler lieber auf dem Weltmarkt sein. So sei gewährleistet, immer die technologisch besten Zellen zu bekommen.
BATTERIE
Während Mercedes die Zellen zukauft, werden die Batterien in eigenen Fabriken montiert. Dies mache das Unternehmen einerseits, weil das Batteriegehäude im Falle eines Unfalls extrem sicherheitsrelevant sei. Zum anderen gehe es aber auch um die Beschäftigungssicherung. Gerade hat Daimler den Bau einer weiteren Batterie-Fabrik im polnischen Jawor angekündigt, wo derzeit bereits ein Motorenwerk entsteht. Stark begründete dies neben geringeren Produktionskosten auch mit der Nähe etwa zur Pkw-Fertigung im ungarischen Kecskemet. Zum Ausstieg aus der gemeinsamen E-Motoren-Fertigung mit Bosch wollte sich Stark nicht äußern. Er verwies darauf, dass die EM-motive mit Sitz in Hildesheim trotzdem Teil des Lieferantennetzwerkes bleibe. In einer Stellungnahme von Daimler heißt es lediglich: "Aus heutiger Sicht wird Mercedes-Benz Elektromotoren – unter inzwischen guten Wettbewerbsbedingungen – am Weltmarkt kaufen." Auch das Powertrain-Werk in Untertürkheim hatte sich Hoffnungen auf die Fertigung eines E-Antriebs gemacht.
NACHHALTIGE LIEFERKETTE
Die Absicherung einer nachhaltigen Lieferkette habe in diesem Zusammenhang höchste Priorität. Dies sei auch eng mit dem Premium-Anspruch verknüpft, so Stark. So habe Daimler bereits ein Kontrollsystem etabliert, bei dem Qualitätsmanager unangemeldet Zulieferer besuchen, um die Einhaltung der Verträge zu überwachen. Diese müssten ihre Lieferketten offenlegen. Bei Batteriezellfertigern würden vor allem kritische Themen wie die Bedingungen des Kobaltabbaus überwacht. "Wir haben rund 700 Qualitätsingenieure, die sich darum kümmern", so Stark. Er schloss aber auch eine Zusammenarbeit mit anderen Herstellern nicht aus, um den Aufwand zu reduzieren. Ziel sei es zudem, die Anteile seltener Materialien wie Kobalt systematisch zu reduzieren. Spätestens 2025 könnten neue Batterietechnologien ganz ohne Nickel oder Kobalt auskommen.
BEDEUTUNG CHINAS
Mercedes verkauft in China nicht nur die meisten Autos, sondern vertraut auch zunehmend auf das dortige Lieferantennetzwerk. "China gewinnt dramatisch an Bedeutung", sagt Stark. So sei das Land bei der Batteriezelltechnologie weltweit führend und Schrittmacher bei der Elektromobilität. Dies gelte aber auch für den Bereich der Konnektivität, wo Spieler wie Alibaba oder Tencent weltweit eine Führungsrolle beanspruchten. Zudem hätten die Lieferanten ein beachtliches Qualitätsniveau erreicht. "Die Anläufe unserer Modelle laufen dort sehr problemlos", so Stark.
ZUSAMMENARBEIT MIT RENAULT-NISSAN
Die Beziehungen zu Renault-Nissan seien trotz der aktuellen Turbulenzen nach wie vor stabil. "Von der ganzen Aufregung um Carlos Ghosn ist dies völlig unberührt", so Stark. Daimler bezieht von dem langjährigen Partner vor allem Vierzylinder-Ottomotoren. Diese seien angesichts der schärferen Co2-Vorschriften "von extrem hoher Bedeutung."
KOOPERATION MIT BMW
Stark machte deutlich, dass für eine Kostenreduzierung vor allem bei Elektroautos die Modulstrategie weiter an Bedeutung gewinne. Die zunehmende Komplexität an Inhalten bei den Fahrzeugen erfordere Disziplin auf der Kostenseite. "Wir sind heute viel stärker im Dialog mit unseren Lieferanten und fragen, was für Baukästen sie anbieten können", so Stark. Auf die Frage, ob dabei auch eine Zusammenarbeit mit anderen Herstellern wie etwa BMW wichtiger werde, äußerte sich Stark zunächst nur allgemein. "Partnerschaften werden in Zukunft wichtiger", so Stark, der in diesem Zusammenhang auf die enormen Investitionen für neue Technologien verwies. So habe man mit BMW bereits einen gemeinsamen Industriebaukasten. Gleiches gelte für Renault-Nissan, wo Motoren und zum Teil ganze Plattformen wie etwa bei der X-Klasse geteilt werden. Dazu komme das neu gegründete Joint Venture mit BMW bei Mobilitätsdienstleistungen. Auf die Frage, ob die Zusammenarbeit ohne eine gemeinsame Plattform für das autonome Fahren denkbar sei, sagte Stark: "Grundsätzlich ist es möglich, die jeweiligen Flotten eigenständig einzusteuern." Er sagte aber auch: "Weniger Komplexität hilft sicher."
Am 27. Februar spricht Wilko Stark auf der Automobilwoche Konferenz in München.
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