Big SUV in Big Apple

Die Sektkorken hat man in Stuttgart sicherlich nicht knallen lassen, als BMW kürzlich mit seinem X7 ins Segment der Luxus-SUVs grätschte. Schließlich konnte Mercedes mit dem GLS bislang in dieser Liga nahezu frei schalten und walten. Das Full-Size-SUV mit dem Stern ist der Bestseller in seinem Segment.

Das soll möglichst so bleiben. Daher schickt Mercedes im Sommer die Neuauflage seiner größten SUV-Baureihe an den Start. Sie behält ihre typische Silhouette, steht aber besser proportioniert auf ihren mächtigen, nun bis zu 23 Zoll großen Rädern.

"Die neue Größe ist vor allem den amerikanischen Kunden geschuldet" sagt Andreas Zygan, Leiter Entwicklung SUV. So wuchs der ohnehin schon mächtige GLS in der Länge von 5,13 auf 5,21 Meter und in der Breite um zwei Zentimeter auf 1,96 Meter. Sechs Zentimeter zusätzlich bekam der Radstand, misst nun 3,14 Meter, was zwar einen noch größeren Wendekreis nach sich zieht, gleichzeitig aber den Gästen im Fond mehr Beinfreiheit bietet.

Und als hätte jeder schon vorher gewusst, was der andere macht, zeigen sich Ähnlichkeiten beim Package. Wie beim direkten Konkurrenten X7 lassen sich auch beim GLS sämtliche Sitze im Fond elektrisch betätigen (BMW kann also nicht mehr behaupten, hier der einzige zu sein). Die dritte Reihe ist im Boden versenkbar. Analog zu den Münchener Kollegen haben die Stuttgarter Strategen als Sonderausstattung auch zwei Einzelsitze in der zweiten Reihe vorgesehen (in Amerika serienmäßig). Sie machen den GLS zum komfortablen Sechssitzer, mit Durchstieg nach ganz hinten. Mercedes legt wie BMW Wert darauf, dass dort nicht nur Kinder sitzen können, sondern bequem auch Erwachsene.

Geht es um Transport, Zuladung und Zugkraft, fährt der neue GLS einmal mehr am oberen Limit. In der fünfsitzigen Konfiguration passen fast 800 Liter in den Kofferraum (zuvor 680 Liter). Liegt alles flach, steigt das Volumen gar auf 2400 Liter (zuvor 2300 Liter). Das ist weit mehr als beispielsweise der Laderaum im T-Modell der E-Klasse bietet. Zudem kann per Knopfdruck die Ladefläche dank der serienmäßigen Luftfederung um fünf Zentimeter abgesenkt werden.

Fast eine Tonne an Gewicht dürfen maximal in den GLS gepackt, 3,5 Tonnen mit ihm gezogen werden. Boots- und Pferdebesitzer können sich hier zufrieden zurücklehnen.

Entwicklungschef Ola Källenius bezeichnet den neuen GLS als "die S-Klasse unter den Premium-SUVs". Entsprechend luxuriös geht es im Innenraum zu. Zwei große Touchscreens für Film-, Musik- und Internet-Genuss stehen parat. Ebenso ein separates Tablet für die Bedienung aller Komfort und Entertainment-Funktionen. Die Klimaautomatik ist in fünf Zonen unterteilt. Und selbst für die dritte Sitzreihe gibt es Sitzheizung und USB-Ladeports. Klar, dass der GLS mit der jüngsten Entwicklungsstufe des MBUX-Systems (Premiere voriges Jahr in der A-Klasse) unterwegs ist sowie über ein riesiges Head-up-Display verfügt.

Bei den Antrieben blieb kein Stein auf dem anderen. Erstmals elektrifiziert Mercedes einen V8-Motor. "Wir sind damit weltweit die einzigen", sagt Andreas Zygan. Das Vierliter-Aggregat (Code M 176) führt zu der neuen Modellbezeichnung GLS 580, erhält ein 48-Volt-System mit einem sogenannten ISG (Integrierter Starter-Generator) und leistet 489 PS, 34 mehr als zuvor. Bis zu 720 Newtonmeter sind abrufbar. Debüt hatte diese Mild-Hybrid-Technik – Mercedes spricht von EQ-Boost – im Benziner-Reihensechszylinder M 256 vor knapp zwei Jahren.

Auch diesen Motor gibt es im GLS, allerdings nur "außerhalb Europas". Gemeint ist hier hauptsächlich China. In Europa setzt Mercedes fast nur auf den Sechszylinder-Dieselmotor OM 656 – allerdings noch ohne ISG. Es gibt ihn als 350 d mit 286 PS und als 400 d mit 330 PS. Beide Versionen erfüllen die ab 2020 gültige Euro-6d-Norm ab 2020, muss dafür aber einen AdBlue-Tank mit 31,6 Litern bereitstellen. Ein Plug-in-Hybrid wie er im GLE zum Einsatz kommt, ist für den GLS derzeit nicht geplant.

Alle Motorisierungen sind mit der hauseigenen 9G-Tronic sowie einem Verteilergetriebe mit elektronisch geregelter Lamellenkupplung kombiniert. Letztere erlaubt eine Kraftverteilung zwischen null und 100 Prozent, je nachdem, welche Achse welches Moment benötigt. Wer tatsächlich im Gelände kraxeln will oder muss, kann ein Untersetzungsgetriebe bestellen.

Nach dem jüngst vorgestellten GLE erhält der GLS als zweites SUV das aktive Fahrwerk "E-Active Body Control" (Aufpreis). Es arbeitet auf 48-Volt-Basis und zeigte bereits im GLE, wie perfekt sich Komfort- und Handlings-Qualitäten gemeinsam auf die Straße bringen lassen. Auch der GLS stemmt sich in Kurven erfolgreich gegen die natürliche Wankbewegung. Dies regeln elektrisch betriebenen Hydraulikpumpen – sie sitzen zweifach an jeder Achse – und drücken den Wagen wie ein Motorradfahrer um die Kurve. Maximal beträgt die Neigung allerdings nur drei Grad. Und noch ein technisches Schmankerl hält der GLS bereit. Er schaukelt sich selbst aus losem Sand oder Schnee, falls mal der Allradantrieb mit seinem Latein am Ende ist. Die Hydraulik lässt das Auto vorne und hinten wippen, so wie dies früher ein paar nette Kumpels mit den Händen getan haben, wenn man sich mal festgefahren hatte.

Zum Thema Assistenzsystem hat Mercedes natürlich alles in das Flaggschiff-SUV gepackt, was in dieser Fahrzeugklasse en vogue ist. Der GLS erkennt Staus im Vorfeld und regelt sein Tempo automatisch. Er fährt im Stop&Go-Verkehr nahezu autonom und setzt sich selbstständig wieder in Bewegung, falls man weniger als eine Minute gestanden hat. Neu ist eine Waschstraßenfunktion. Mit einem Knopfdruck lässt sich der Wagen auf die Einfahrt in die Waschhalle vorbereiten. Unter anderem fährt die Luftfederung in die höchste Stellung, was die Spurbreite etwas verringert.

Preise will Mercedes in Kürze nennen, die Verkaufsfreigabe beginnt Ende April. Kalkuliert werden sollte mit einem Einstieg von knapp unter 80.000 Euro. Prognosen über Absätze und Märkte macht der Stuttgarter Autohersteller grundsätzlich nicht. In Tuscaloosa/Alabama, wo der GLS seit Auflegung der Baureihe 2006 gebaut wird, liefen die vergangenen Jahre jährlich zirka 50.000 Einheiten vom Band. Rund 40 Prozent der Fahrzeuge verbleibt in den USA, etwa ein Drittel geht nach China. In Deutschland wurden vergangenes Jahr noch knapp 1200 GLS neu zugelassen, fast 500 Einheiten weniger als 2017.

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