Daimler-Betriebsratschef Michael Brecht (55) ist ein kluger Mann und ein besonnener Verhandlungsführer. In den vergangenen Jahren gab es deshalb selbst bei schwierigen Themen am Ende immer einen Konsens, der von beiden Seiten getragen wurde. Doch damit könnte nun Schluss sein. Angesichts von rigorosen Sparplänen vor allem für die Motorenwerke und Verlagerungen ins Ausland wird der Ton zunehmend rau. Die IG Metall ruft die rund 170.000 Beschäftigten in Deutschland zu einer Solidaraktion auf – mit Menschenketten und Postkarten von den Mitarbeitern, die an den Vorstand übergeben werden sollen. Damit regt sich erstmals deutlicher Widerstand gegen den von Ola Källenius eingeschlagenen Kurs.
Was Brecht so auf die Palme bringt: "Transformation, Covid, Rezession. Die Belegschaft leistet bei allen Herausforderungen ihren Beitrag: Qualifikation, Hygieneregeln, Sparbeitrag. Doch es reicht dem Vorstand nicht. Funktionen sollen ins Ausland verlagert oder gleich ganz verkauft werden. In den Werken zittern die Beschäftigten und haben Angst um ihre Zukunft. Die Belegschaft in der Verwaltung fühlt sich verstoßen. Dabei wollen wir über die Zukunft sprechen."
Diesen Wunsch hat aber offenbar nur die Arbeitnehmererseite. Denn vergangene Woche kündigte der Daimler-Konzern eine umfassende Kooperation mit Geely und Volvo an, um in China eine neue Generation von Benzinmotoren zu entwickeln und ab 2024 zu produzieren, die dann ausdrücklich auch nach Europa importiert werden könnte. Der Betriebsrat wurde in die Pläne nicht eingeweiht – ein Affront. Außerdem sollen in Europa Umfänge der Powertrain-Werke Untertürkheim und Berlin ins polnische Motoren-Werk Jawor abgezogen werden. Laut Betriebsrat sind dadurch mindestens 5000 Jobs in Deutschland gefährdet. In der vergangenen Woche war zudem durchgesickert, dass das Unternehmen weitere 40-Stunden-Verträge einseitig gekündigt hat – mit entsprechenden Lohneinbußen.