Bosch-Betriebsratschef Hartwig Geisel ist ein zurückhaltender Mensch, der eher zur Kooperation als zur Konfrontation neigt. Doch bei der Pressekonferenz der IG Metall in Stuttgart zu geplanten Protesten gegen den Stellenabbau wird der Gewerkschafter deutlich wie noch nie.
"Bosch riskiert die soziale Spaltung der Belegschaft", sagt Hartwig Geisel. Auf der einen Seite würden in Bereichen wie dem Internet der Dinge, Künstlicher Intelligenz oder automatisiertes Fahren Jobs aufgebaut. Auf der anderen Seite bekämen Arbeitnehmer in traditionellen Bereichen wie dem Verbrennungsmotor einen enormen Druck zu spüren.
Die Zahlen, die er ganz frisch aus den deutschen Standorten mitgebracht hat, sind neu – und sie sind höher als bisher bekannt. So habe Bosch in den vergangenen Jahren bereits 2500 Stellen abgebaut.
"In den nächsten zwei Jahren sollen 3300 Stellen wegfallen", sagt Geisel. Zuletzt war von Unternehmensseite von insgesamt 2850 Stellen bis 2022 die Rede. Die neuen Zahlen wollte Bosch nicht bestätigen.
Betroffen seien vor allem Standorte wie Feuerbach, Homburg oder Bamberg, die Komponenten für Diesel und Benziner produzieren.
Die Giftliste des Unternehmens ist aber noch deutlich länger. Jede fünfte Führungskraft im Diesel-Bereich solle wegfallen, sagt Geisel.
4000 Verträge über 40 Stunden seien gekündigt worden und in 35-Stunden-Verträge umgewandelt worden. Dazu sollen alle Führungskräfte im kommenden Jahr auf eine Gehaltserhöhung verzichten.
Damit nicht genug. "In Nürnberg laufen alle Produkte im roten Bereich, hier fürchten wir um den gesamten Standort", so Geisel. Die Verhandlungen hätten gerade erst begonnen. Alarmierend sei außerdem, dass nun auch Forschungsbereiche radikal gestutzt würden. So sei geplant, die Belegschaft an den Standorten Feuerbach und Schwieberdingen, wo die Lenksysteme angesiedelt sind, von 9600 auf 8000 zu reduzieren.
Geisel appellierte an das Unternehmen, Zukunftstechnologien in Deutschland anzusiedeln und betriebsbedingte Kündigungen auszuschließen. Bisher sei der Betriebsrat aber nur scheibchenweise über die Veränderungen informiert worden. Während der Wirtschaftskrise habe es das Bekenntnis gegeben, diese gemeinsam durchzustehen. Dieser "Bosch-Weg" sei nun aber in Gefahr.
Die IG Metall im Südwesten sieht den Jobabbau bei vielen Unternehmen mit großer Sorge. Deshalb hat die Gewerkschaft am 22. November, 15 Uhr, zu einem Aktionstag auf dem Schlossplatz in Stuttgart aufgerufen. Erwartet werden 10.000 Teilnehmer.
IG-Metall Bezirkschef Roman Zitzelsberger befürchtet, dass es in vielen Fällen gar nicht um eine Wirtschaftskrise oder die Transformation gehe, sondern um die Optimierung der Rendite. "Wer meint, den bevorstehenden technologischen Wandel sowie die aktuelle Konjunkturdelle ausnutzen zu können, um rücksichtslos Arbeitsplätze abzubauen, Produktionen zu verlagern und Standards zu senken, der handelt sich massiven Ärger mit uns ein", warnte Zitzelsberger.
Auch bei Audi in Neckarsulm geht die Angst um. Seit drei Jahren leide das Werk mit 17.000 Beschäftigten unter zu geringer Auslastung, sagt Betriebsratschef Rolf Klotz. Bisher werde versucht, dies über Schichtabsagen und Entfalltage auszugleichen. In Neckarsulm produziert klassische Modelle wie den A 4, den A 6 oder den A 8, die bei Kunden immer weniger nachgefragt sind.
Der Betriebsrat drängt daher auf neue Elektromodelle. Doch abgesehen vom Audi e-tron GT, der in der Manufaktur Böllinger Höfe ab 2020 vom Band laufen soll, hat es bisher keine Zusagen gegeben. Klotz befürchtet daher, dass Neckarsulm Verbrenner-Standort bleiben soll, während in Ingolstadt die zukunftsträchtigen E-Modelle gefertigt werden.
"Wir brauchen endlich Verlässlichkeit und nicht ständig wechselnde Ansagen", klagt Klotz. Man benötige in Deutschland eine "hohe Auslastung und Ausbringung". Außerdem soll die Brennstoffzelle in Neckarsulm als Zukunftstechnologie angesiedelt werden. Sonst sei die Existenz des Werks gefährdet. Doch Klotz befürchtet, dass das Unternehmen dies in Kauf nehme. "Die Kapazitäten im Inland sollen um ein Viertel reduziert werden", vermutet er.
Um Zukunftstechnologien geht es auch im Daimler-Werk Untertürkheim. Dort produziert gut die Hälfte der rund 20.000 Mitarbeiter am Standort Motoren und Getriebe. Diese sind vom Wandel hin zur E-Mobilität besonders betroffen. Betriebsratschef Michael Häberle kämpft daher um den elektrischen Antriebsstrang (eATS) für die EQ-Familie von Mercedes. "Damit hätten wir einen Fuß in der Tür, um langfristig nicht auf der Strecke zu bleiben", sagt er.
Doch Häberle stößt auf unerwarteten Widerstand. So fordert Daimler-Chef Ola Källenius offenbar, dass die Mitarbeiter im Gegenzug auf Tariferhöhungen verzichten sollen. "Die Forderungen sind nicht akzeptabel", klagt Häberle. "Die finanzielle Lage trübt die Weitsicht des Vorstands."
Dennoch will er nicht aufgeben. Die Zukunftssicherung sei ein klares Zeichen gewesen, so Häberle. Dabei hatte das Unternehmen den Mitarbeitern für die Zustimmung zur neuen Konzernstruktur eine Beschäftigungssicherung bis 2029 garantiert. "Jetzt müssen auch Investitionen folgen", fordert Häberle.
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