Begehrter Schweden-Happen

Gefallen dürfte Volvo die Situation ganz und gar nicht, selbst wenn manche dies als Luxus-Problem bezeichnen würden. Seit dem der neue XC60 im März auf dem Genfer Autosalon vorgestellt wurde, türmen sich bei den Händlern die Bestelleingänge. "Wer sich heute zum Kauf entscheidet, muss wohl bis zum Jahresende auf die Auslieferung warten", sagt Anders Gustafsson, Vertriebsvorstand und verantwortlich für den Absatz in EMEA. Die Nachfrage nach dem Premium-SUV, dessen Preis bei 48.050 Euro beginnt, übersteigt die derzeitige Produktionskapazität bei weitem. "Daher gilt bis auf weiteres für die Mitarbeiter eine Kauf- und Dienstwagensperre" so Gustafsson. Motto: erst der Kunde.

Eine wirkliche Überraschung ist das nicht. Das attraktive Design des neuen XC60 trifft die Konkurrenz ähnlich hart wie es in der Business-Klasse bereits der Kombi V90 vormacht. Der XC60 ist ein Eye-Catcher, die Proportionen stimmen, der gesamte Auftritt des SUV ist elegant, ohne eine Spur von Aggressivität. Das kommt an beim Publikum. Volvos Chef-Stylist Thomas Ingenlath nennt es schlicht "skandinavisches Design".

Schon das Vorgänger-Modell brach intern alle Rekorde. "Kein Volvo-Modell hat sich in knapp neun Jahren so oft verkauft wie der XC60", sagt der Vorstandsvorsitzende Hakan Samuelsson. Das Mittelklasse-SUV war auf dem europäischen Markt in den vergangenen drei Jahren der Bestseller in seinem Segment, vor Audi Q5 und BMW X3. Wenn im August im Werk Gent die ersten Generation des XC60 eingestellt wird, kratzt die Produktionszahl knapp an der Eine-Million-Marke. Über 90.000 Einheiten davon gingen nach Deutschland.

Technisch teilt sich der XC60 die Plattform SPA (Scalable Product Architecture) mit dem großen SUV XC90 sowie den Limousinen S90, V90 und V90 Cross Country. Folglich kommen die gleichen Antriebe zum Einsatz. Alle Motoren, Diesel wie Benziner, sind modular aufgebaut, haben zwei Liter Hubraum und vier Zylinder. Zum Marktstart im Juli hat der Kunde die Wahl zwischen dem bekannten D4- und D5-Diesel mit 190 und 235 PS oder dem T5-, beziehungsweise T6-Benziner mit 254 oder 320 PS. Die Öko-Alternative heißt T8 Twin Engine, eine Plug-in-Hybrid-Version, wie sie bereits unterm XC90 steckt. 407 PS Systemleistung, 640 Newtonmeter Drehmoment, 45 Kilometer elektrische Reichweite. Die "grüne" Variante lässt sich Volvo mit mindestens 69.270 Euro vergüten.

Mehr als acht von zehn XC60-Kunden haben sich in Deutschland beim Vorgänger für einen Dieselmotor entschieden. Im Zuge des derzeit schlechten Image (hoher Stickoxid-Ausstoß, mögliche Einfahrverbote in Städte etc.) leidet die Nachfrage. "Wir registrieren einen Rückgang", so Anders Gustafsson, ohne aber genaue Zahlen zu nennen. Volvo-Chef Hakan Samuelsson hat deshalb angekündigt, dass die Marke keine neuen Dieselmotoren mehr entwickeln wird.

Beim Interieur folgen die Schweden ihrem reduzierten und klaren Außendesign. Die Verarbeitungsqualität im Vergleich zum Vorgängermodell hat sich deutlich verbessert. Die Anzahl der Knöpfe und Schalten wurde verringert, die meisten Bedienschritte laufen nun über das zentrale Display. Vergeblich sucht man im XC60 allerdings eine induktive Ladeschale fürs Handy. "Wir favorisieren die Verbindung über Kabel", sagt Infotainment-Chef Robert Broström.

Moderner geht es beim Thema Sicherheit zu, Volvos Kernkompetenz. Zu den zwölf serienmäßigen und sieben optionalen Assistenten im XC60 kommen vier neue hinzu. Alle greifen in die Lenkung ein, um eine Kollision zu verhindern. Droht das Abdriften in den Gegenverkehr, steuert das System zurück. Gleiches passiert, setzt der Fahrer zum Überholen an, obwohl der Totwinkel-Warner Alarm schlägt. Selbst ein automatisches Ausweichmanöver vollzieht der neue XC60, sollte ein Fußgänger auf die Fahrbahn treten oder der Bremsweg zum Vordermann nicht mehr ausreichen. Alle Entwicklungen dienen einzig dem Ziel der Unfallvermeidung. Nicht umsonst versprach vor einigen Jahren der Vorstandsvorsitzende Hakan Samuelsson: "Ab 2020 soll niemand mehr in einem neuen Volvo bei einem Unfall getötet oder schwer verletzt werden."

Noch bis August wird die Vorgänger-Generation des XC60 in Gent produziert und macht dort Platz für die komplett neu aufgelegte Baureihe XC40. Ihr Debüt wird Ende 2017 sein. Der neue XC60 läuft zukünftig ausschließlich im Stammwerk Göteborg-Torslanda vom Band. Um dort mehr Kapazität zu schaffen, verlagert Volvo die Produktion der Limousine S90 ab Sommer nach China.