Herr Wolf, 2016 war für ElringKlinger ein kniffliges ...
... ein schwieriges Jahr. Wie schon 2015. Wir haben mit dem Werk für die Abschirmtechnik in der Schweiz enorme Probleme. Das ist mittlerweile mit 340 Millionen Euro Umsatz unser größter Geschäftsbereich, 190 Millionen Euro entfallen dabei auf den Schweizer Standort. Wir haben dort viele Neuaufträge bekommen und Projekte auf die Schiene gesetzt, aber durch lokale Managementfehler wurden nicht die entsprechenden Kapazitäten geschaffen.
Was waren die Folgen?
Wenn Sie sinnbildlich gesprochen für 200 Teile Bestellungen haben, aber nur für 100 Kapazitäten, dann ist das der Super-GAU. Eine effiziente Produktionssteuerung hat praktisch nicht mehr stattgefunden. Wir haben deshalb nicht optimal fertigen können, mussten ständig die Werkzeuge wechseln und haben dadurch noch mehr Kapazität verloren. Dazu kommt eine logistische Schlacht mit Sonderfrachten, Schichtzulagen und der Notwendigkeit, von außen Kapazitäten zu kaufen. Zudem haben wir unterschätzt, wie lange es dauert, neue Produktionsanlagen aufzubauen. Das hat uns einen höheren zweistelligen Millionenbetrag gekostet.
Warum ist das so lange niemand aufgefallen?
Zum einen haben wir dem Geschäftsführer vertraut, da er 24 Jahre lang einen guten Job gemacht hat. Zum anderen haben wir ein vollintegriertes SAP-System, mit dem wir weltweit Zugriff auf die Standorte haben. In diesem Fall war das leider nicht so. Als wir das Unternehmen 2008 übernommen haben, haben wir deren System zunächst so belassen und uns auf andere große Standorte konzentriert. Hätten wir hier frühzeitig umgestellt, wäre das alles wohl nicht passiert. So hat die Transparenz gefehlt. Die SAP-Einführung holen wir im nächsten Jahr nach.
Warum hat es sich die Behebung des Problems so lange hingezogen?
Das hängt auch damit zusammen, dass wir aus der Schweiz Teile nach Kecskemet in Ungarn verlagern wollen. Doch um die Freigabe von den etwa zehn Herstellern zu bekommen, braucht es einfach Zeit. Das haben wir anfangs zu optimistisch eingeschätzt. Wir wollen den Umsatz in der Schweiz auf 120 Millionen Euro herunterfahren und rund 200 von 600 Stellen abbauen, weil wir dort voll auf Automatisierung setzen. So bekommen beide Standorte bis 2017 die richtige Struktur.
Ohne dieses Problem wäre es deutlich besser gelaufen?
Der Umsatzzuwachs ist in diesem Jahr mit etwas mehr als fünf Prozent auch so am unteren Ende der Bandbreite. Uns haben in diesem Jahr die großen Produktneuanläufe gefehlt. Es waren so wenige wie in den vergangenen zehn Jahren nicht mehr. So was gibt es mal. 2017 wird dies wieder anders sein und der Umsatz deutlich anziehen. Aus den gröbsten Sonderkosten sind wir raus.
In den USA haben Sie einen Großauftrag an Land gezogen...
Dort werden wir für einen innovativen Autohersteller für sein neues Elektro-Modell unsere Leichtbau-Cockpitquerträger liefern. Eigentlich waren wir nur mit einem kleinen Auftrag im Rennen. Der Chef des Unternehmens war bei einer Präsentation aber so begeistert von dieser Lösung, die enorm Gewicht einspart, dass er uns den Zuschlag gegeben hat. Dafür bauen wir in einer gemieteten Halle einen Produktionsstandort auf. Ein eigenes Werk würde sich wegen eines einzelnen Auftrags nicht lohnen.
Wie viel Umsatz hängt noch am Verbrennungsmotor?
Das sind momentan noch 90 Prozent, da unterscheiden wir uns nicht groß von anderen Zulieferern. Entscheidend ist aber die Aufstellung für die Zukunft. Mit unserem Produktportfolio sehen wir uns gerüstet für das Zeitalter der Elektromobilität. Dazu zählen Kunststoffteile wie Batteriegehäuse, die Zellverbinder für Lithium-Ionen-Batterien oder Leichtbauthemen wie etwa die Cockpitquerträger. Das einzige, was wirklich wegfallen wird, sind die Zylinderkopfdichtungen. Deren Anteil am Umsatz liegt aber nur noch bei 14 Prozent.
Wie lange wird man mit dem Verbrenner noch Geschäfte machen können?
Wir sehen den Höhepunkt 2021 erreicht bei rund 90 Millionen neu zugelassenen Autos mit Verbrenner, danach nehmen die Stückzahlen deutlich ab. Deshalb müssen wir Alternativen schaffen wie etwa mit den Cockpitquerträgern. Wir kommen damit auch beim Umsatz in andere Dimensionen, weil das einzelne Teil ein Vielfaches bringt im Vergleich etwa mit einer Zylinderkopfdichtung. Wir können also gut kompensieren, wenn uns Geschäft woanders wegbricht
Haben Sie sich deshalb auch an der Hofer AG beteiligt?
Bei Hofer wurde ein kompletter Antriebsstrang für ein Luxus-E-Auto entwickelt, den wir nun industrialisieren werden. Den Auftrag dazu gibt es bereits. Das sind zwar nur ein paar Tausend Stück. Doch die Idee ist, diesen innovativen Antrieb auch ins Mittelklasse- oder Kompaktwagensegment zu bringen, etwa in Form von Komponenten. Mit Hofer haben wir zudem auf einen Schlag 600 hochqualifizierte Ingenieure hinzugewonnen.
Macht man sich mit Innovationen unentbehrlich bei den Herstellern?
Wenn Sie heute Erfolg haben wollen als Zulieferer, müssen Sie neue Produkte entwickeln, die besser und am besten noch günstiger sind als vorherige Lösungen. Uns ist es wichtig, dass wir zunehmend komplette Module und Baugruppen im Angebot für die Hersteller haben. Darin sehen wir die Zukunft.
Bisher verdienen Sie aber mit der Elektromobilität kein Geld, oder?
Nein, weil die Stückzahlen fehlen. Sobald diese aber da sind, werden die Erträge gut. Ich gehe davon aus, dass wir im Jahr 2025 bereits 30 Prozent unseres Umsatzes mit Produkten für Elektrofahrzeuge machen werden. Dieser Bereich wird deutlich überproportional wachsen. Mit dem VW-Skandal hat das Thema eine spürbare Dynamik erfahren. Da ist ordentlich Druck im Kessel.
Die Anleger goutieren ihren Kurs aber nicht, der Börsenwert hat sich in diesem Jahr fast halbiert.
Wir befinden uns gerade in einer Art Strafklasse. Ich fühle mich ungerecht behandelt, nehme aber das aber nicht persönlich. Ich gehe davon aus, dass wir schon 2017 eine bessere Situation haben werden.
Experten gehen davon aus, dass durch die E-Mobilität viele Jobs wegfallen könnten – wird dies auch ElringKlinger treffen?
Auch wir werden in den nächsten Jahren Anpassungsbedarf haben. Aber hier ist noch nie jemand betriebsbedingt gekündigt worden. Wir werden das über befristete Verträge und Fluktuation lösen. Klar ist, dass in der Branche insgesamt Stellen verloren gehen. Das veranschaulicht eine einfache Rechnung. Ein Verbrennungsmotor hat zwischen 1400 und 1800 Teile, ein Elektromotor nur 200. Dazu ist dieser Bereich oft hochautomatisiert. An diesen Fakten kommt niemand vorbei.