Volle Power: Deutschland spielt bei Batterie-Innovationen noch mit

Mit über 500 Ausstellern hat sich die Battery Show Europe in Stuttgart zu einer der größten Messen für Elektromobilität entwickelt. Hier lassen sich noch bis Donnerstag die Trends rund um das Herz des Antriebs erkunden. Klassische Zulieferer wie ElringKlinger, Webasto oder Leoni konkurrieren mit zahlreichen Start-ups, auffallend präsent sind auch chinsesische Anbieter. Dabei haben alle die Effizienz zur Leitwährung erhoben. Wer für mehr Reichweite weniger Material und damit Geld einsetzen muss, wird sich am Markt durchsetzen.

So tritt Webasto derzeit in China mit einer luftgekühlten Batterie für Hybridfahrzeuge an. Der Vorteil gegenüber flüssiggekühlten Systemen: Es müssen keine zusätzlichen Schläuche verlegt werden. „Das spart Gewicht, ist variabler im Bauraum und kostengünstiger“, sagt Robert Gantner, Leiter der Geschäftseinheit für Batteriesysteme bei Webasto.  Dabei liefert das Unternehmen Komplettlösungen von der Zelle bis zum Managementsystem und Packaging.

Stolz ist Gantner auf das Tempo, das Webasto bei der Umsetzung von Projekten erreicht habe. So sei etwa die Batterielösung für den Hyundai Kona und Kia Niro innerhalb von zwei Jahren von der Nominierung bis zum Produktionsstart realisiert worden. „Das zeigt unsere Kompetenzen in diesem Bereich“, so Gantner. Für einen deutschen OEM baut Webasto derzeit eine Batterieproduktion in der Slowakei auf. Hier sei die Fertigung für Ende 2024 geplant.

Trotz der großen chinesischen Konkurrenz können auch deutsche Mittelständler im Wettbewerb bestehen, wenn sie frühzeitig ihre Kompetenzen in den neuen Antrieb einbringen, ist Gantner überzeugt. Wer allerdings zu lange abwarte, der bekomme ein Problem. Webasto selbst hat 2022 Aufträge im Wert von 2,8 Milliarden Euro an Land gezogen und ist für die nächsten Jahre gut gerüstet. E-Mobiiltät soll zum zweiten Standbein neben den Dachsystemen werden.

Einen Effizienzsprung bei der Zelle selbst verspricht das Start-up Innolith. Das Geheimnis dafür ist ein anorganischer Elektrolyt, zu dessen genauer Zusammensetzung das Unternehmen mit Hauptsitz in Basel aus Wettbewerbsgründen keine Angaben macht. „Damit können wie aus einer herkömmlichen Lithium-Ionen-Zelle 20 Prozent mehr Kapazität rausholen", sagt Markus Borck, der die Entwicklung von Innolith in Bruchsal bei Karlsruhe leitet und die „I-State“-Zelle auf der Battery Show präsentiert. Dadurch müssten auch entsprechend weniger wertvolle Rohstoffe wie Kobalt, Nickel oder Mangan eingesetzt werden.

Die Zelle bringt neben der verbesserten Energiedichte von rund 300 Wattstunden pro Kilogramm weitere Vorteile mit sich. So soll sie auch in extremen Wetterkonditionen bis minus 40 Grad ohne Beeinträchtigung der Lebensdauer funktionieren. Außerdem ist die Leistung beliebig oft abrufbar. Der anorganische Elektrolyt ist nicht brennbar, was die Gefahr eine „thermal runaway“, also einer unkontrollierbaren Überhitzung, deutlich verringert und die Sicherheit der Batterie erhöht.

Erprobt wurde die Zelle im Format 21700. Laut Borck lässt sich der Elektrolyt aber im Prinzip auf jedes Format und auch andere chemische Zusammensetzungen von Zellen wie etwa Lithium-Eisenphosphat übertragen. Weitere Verbesserungen wie der Einsatz von Silizium statt Graphit als Anodenmaterial können die Energiedichte weiter erhöhen. Die Anpassungen etwa in der Produktion seien deutlich geringer als etwa bei der Feststoff-Batterie, an der viele Unternehmen forschen.

Entsprechend groß ist das Interesse aus der Industrie, zumal die Zelle bereits ausgiebig getestet und sämtliche Produktionsprozesse durchlaufen hat. So sei Innolith bereits mit mehreren Autobauern in Gesprächen über eine Industrialisierung in großem Maßstab. Auf der Homepage hat das Unternehmen 2026 als Ziel für die erste Gigafabrik in Europa ausgegeben. Ob die wirklich so kommt, hängt wohl auch von gewährten Subventionen ab. Da die US-Regierung derzeit Firmen mit Milliarden an Fördergeldern nach Nordamerika lockt, hat sich das Investitionsklima für Zellfertiger in Europa jüngst verschlechtert.

Freudenberg war bisher in der Autoindustrie vor allem für seine Dichtungslösungen beim Verbrennungsmotor bekannt.  Doch der Markt ist rückläufig, weshalb das Unternehmen nach Alternativen suchen muss. Neben kompletten Batterie- und Brennstoffzellensystemen für schwere Anwendungen etwa bei Minenfahrzeugen oder Baggern geht es dabei um Sicherheit von Batterien.

So soll beispielsweise ein spezielles Silikonband die unkontrollierte Überhitzung einer Batterie verhindern. „Es geht um eine flammen- und gasdichte Sicherung bei Temperaturen bis 1200 Grad“, so Franz Rudolf Bott, Anwendungsspezialist bei Freudenberg. Hochvolt-Verbinder sichern die Leitfähigkeit der Zellen im Austausch mit der Peripherie sowohl in nasser wie auch trockener Umgebung. Dabei kommt Freudenberg entgegen, dass die Sicherheitsvorschriften für die Batterien weltweit immer strenger werden.

Der einstige Dichtungsspezialist Elring-Klinger hat sich bereits frühzeitig auf den Weg gemacht, vom Verbrenner unabhängig zu werden. Das zahlt sich aus, denn zunehmend kommen die Aufträge aus der Elektromobilität. Auf der Battery Show zeigt der Zulieferer unter anderem Zellkontaktiersysteme, die schon seit Jahren zum wachsenden Portfolio der E-Komponenten gehören. Von BMW hat ElringKlinger jüngst einen Großauftrag über Zellkontaktiersysteme erhalten, die bei der ab 2025 geplanten Generation von Elektroautos unter dem Namen „Neue Klasse“ eingesetzt werden sollen. Dafür soll eine eigene Produktion am Stammsitz in Dettingen/Erms aufgebaut werden.

Auch in der Produktion der Zellen selbst geht es vor allem um die Effizienz. Mit seinen Laser-Anwendungen will der Laser-Spezialist Trumpf hier ein gewichtiges Wörtchen mitreden. So können etwa mit großflächigen Lasern die beschichteten Folien für das Anoden- und Kathodenmaterial deutlich schneller getrocknet werden als bisher. „Das erhöht den Ausstoß und kann die Länge des benötigten um bis zu 15 Prozent reduzieren“, sagt Ronald Verstraeten, technischer Vertriebsleiter bei Trumpf.

Bei fast allen Prozessschritten in der Produktion der Zelle bietet Trumpf eine Laser-Lösung an, so etwa beim präzisen Schneiden und Verschweißen von Folienstapeln bis hin zum Kontaktieren der Zellableiter. Mit den Lasern lassen sich aber auch Bauteile markieren, so dass diese später über QR-Codes leicht identifiziert werden können. Dies erleichtert die Rückverfolgbarkeit in der Wertschöpfungskette.

Ganze Produktionslinien fertigt das chinesische Unternehmen Lyric, das in Europa verstärkt Fuß fassen will und dafür 2019 eine deutsche Tochter mit Sitz in Hamburg gegründet hat. Nach eigenen Angaben ist das Unternehmen das einzige in Europa, das komplette Linien sowohl für runde oder prismatische Zellen sowie Pouchzellen aus einer Hand erstellen kann. In China habe das Unternehmen dabei eine führende Stellung.

Ein ähnliches Komplettangebot haben sich die drei deutschen Anlagenbauer Manz, Dürr und Grob auf die Fahnen geschrieben. Um gegen die Konkurrenz aus Fernost bestehen zu können, haben sie im September vergangenen Jahres eine Allianz gegründet, um die gesamte Wertschöpfungskette beim Bau einer Zellfabrik abzudecken. „Der zügige Aufbau von Fertigungskapazitäten ist die Voraussetzung dafür, dass die europäischen Automobilhersteller ihre führenden Marktpositionen im Zeitalter der Elektromobilität erhalten können“, sagte Dürr-Chef Jochen Weyrauch bei der Gründung.

Aus dem Datencenter:

Verbesserungen der Energiedichte von Lithium-Ionen-Batterien seit 1990