Autoindustrie mit Fitnessvorteil

Im internationalen Vergleich sind chinesische und US-amerikanische Unternehmen die Spitzenreiter bei der Nutzung von digitalen Technologien im Industrie-4.0-Umfeld. Das Vereinigte Königreich kann, auch aufgrund der frühzeitigen Weichenstellung für den Brexit, mit etwas Abstand mithalten. Dagegen stagniert der Digitalisierungsfortschritt in der DACH-Region. Zu diesem Ergebnis kommt das Industrie 4.0 Barometer 2021, das die Management- und IT-Beratung MHP in Kooperation mit den BWL-Experten der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München erstellt hat. An der Befragung, die 2021 zum vierten Mal durchgeführt wurde, nahmen 776 Experten aus Industrieunternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz, China, UK und den USA teil.

Tom Huber, Associated Partner und Head of Operations Performance & Strategy bei MHP: "Wir haben neben den alljährlich abgefragten vier Themen-Clustern Technologie, IT-Integration, Strategie und Ziele sowie Treiber und Hemmnisse der Digitalisierung auch die Fokusthemen Digital Leadership und Supply-Chain-Resilienz genauer analysiert. Dabei lassen sich im internationalen Vergleich unterschiedliche Entwicklungsrichtungen beobachten."

Unternehmen im deutschsprachigen Raum schneiden insgesamt schlechter ab als im Jahr 2020: Die Umfragewerte der abgefragten Technologiekategorien seien bezogen auf die Vorjahre auf gleichem Niveau oder sogar darunter. Auch im internationalen Vergleich werden Unternehmen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zunehmend abgehängt. Chinesische Unternehmen weisen laut Untersuchung beispielsweise einen um 20 Prozent höheren Einsatz von Digital Twins, eine doppelt so hohe Supply-Chain-Transparenz und eine doppelt so hohe Automatisierungs- und Fernsteuerungsrate von Anlagen auf.

Auch US-Unternehmen erreichen Spitzenwerte – mehr als die Hälfte verfüge über eine fortschrittliche technologische Infrastruktur, die künstliche Intelligenz ermögliche. Allerdings: In den USA können nicht alle bei dem rasanten Tempo mithalten. Insbesondere die KMU und etablierten Unternehmen drohen den Anschluss zu verlieren, heißt es weiter.

Huber fordert, dass die DACH-Unternehmen zeitnah den Rückstand in der Digitalisierung aufholen müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. "International erweist sich ein CIO in der Geschäftsführung, eine Kundenfokussierung und Kollaboration als universeller Erfolgsgarant."

Ausnahmen sind lediglich Unternehmen aus der Automobilindustrie, die sich klar von anderen Industrien abheben: 64 Prozent der Befragten von Automotive-Unternehmen gaben an, leistungsfähige Kommunikationsarchitekturen wie 5G implementiert zu haben. Das sind 13 Prozentpunkte mehr als bei den Referenzindustrien. Ein Grund dafür ist nach eigenen Angaben der starke Digitalisierungsdruck, der bei den Herstellern und Zulieferern ausgeprägter ist als in anderen Branchen. Innerhalb der DACH-Region könnte also die Automobilindustrie das Zugpferd sein, um die Digitalisierung auch hier maßgeblich zu beschleunigen.

Für MHP-Partner und Mitglied des MHP-Boards Markus Wambach kommt das gute Abschneiden der Automobilindustrie nicht überraschend. "Die Automobilbranche galt in Deutschland schon immer als innovativer Vorreiter. Die Digitalisierung hat für diese Branche einen hohen Stellenwert und insbesondere durch die Pandemie einen zweiten Aufschwung erlebt", erklärte er auf Anfrage der Automobilwoche. Digitale Lösungen böten daher mögliche Ansätze für die aktuellen Herausforderungen, wie beispielsweise für die Lieferkettentransparenz in der Halbleiterindustrie.

Dabei hat die Automobilindustrie nicht nur innerhalb der DACH-Region eine Vorreiterrolle. "In allen Märkten ist die Automobilbranche ein Zugpferd der Digitalisierung. Allerdings ist ihre Vorreiterrolle nicht überall so stark ausgeprägt wie in der DACH-Region", so Wambach. Während in den USA die Automobilindustrie ebenfalls fortgeschrittener sei, liege sie in UK und China eher auf Augenhöhe mit den anderen Industrien.

Das gelinge laut Untersuchung allerdings nur, wenn Fähigkeiten und Kompetenzen der Mitarbeiter kontinuierlich aufgebaut werden und der CIO in die Geschäftsführung integriert werde. "Mit den richtigen Kompetenzen ausgestattet, kann ein CIO nicht nur eine unternehmensweit abgestimmte und wirtschaftliche digitale Transformation auf den Weg bringen. Er kann auch für mehr Resilienz, wie die jüngsten Erfahrungen mit der Corona-Pandemie und Lieferkettenprobleme gezeigt haben, sorgen", heißt es weiter.

Welche Fähigkeiten und Kompetenzen der Mitarbeiter dabei insbesondere aufgebaut werden sollten erklärt Wambach so: "Für einen nachhaltigen Erfolg benötigen Unternehmen Mitarbeiter mit heterogenen Skillsets. Einerseits bedarf es Mitarbeiter mit einem ausgeprägten Kundenfokus und visionärem Technologieverständnis. Andererseits werden Mitarbeiter mit tiefen IT- technischen Kompetenzen benötigt." Im Kern sollten alle Mitarbeiter über eine hohe Lernbereitschaft und ausgeprägten Teamsprit in der Zusammenarbeit von Fachbereich und IT verfügen.

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