Herr Bratzel, aufgrund von Lieferengpässen durch das Coronavirus überprüfen viele Autohersteller wie Daimler, BMW und VW derzeit ihre Lieferketten, um Produktionsausfälle zu vermeiden. Inwieweit ist es überhaupt möglich, auf die Schnelle Ersatz für fehlende Teile zu organisieren?
Das ist enorm schwer. Der ausschlaggebende Punkt ist, ob die Hersteller für Komponenten mehrere Zulieferer haben. Wenn ja, ist es möglich mit einem gewissen Zeitverzug Kapazitäten aufzubauen. Problematisch wird es dann, wenn Autohersteller bei Komponenten auf nur einen Lieferanten zurückgreifen. Das ist in der Regel bei eher komplexen Teilen der Fall.
Wie schnell können Aufträge anderweitig vergeben werden?
Hier muss man auch nach den Lieferketten der Zulieferer fragen. Im dümmeren Fall könnte es sein, dass sie die gleichen Sublieferanten haben und womöglich ebenfalls nicht produzieren können. Ansonsten sollte es in der Regel nach zwei bis drei Wochen möglich sein, einen anderen Zulieferer zu beauftragen. Die Lieferketten vollständig zu durchleuchten, ist aber eine sehr komplexe Aufgabe. Viele Teile werden hier zwar verbaut, kommen aber aus China.
Viele Teile werden "Just-in-Time" geliefert. Inwieweit können die Hersteller auf Lagerbestände zurückgreifen?
Die Teile, die von weit her mit dem Schiff geliefert werden, sind normalerweise auch auf Lager. Allerdings sind die Lager nicht besonders groß.
Was passiert mit Zulieferern, die aufgrund von Produktionsausfällen nicht liefern können?
Egal, was in den Verträgen steht: Die Autobauer sitzen am längeren Hebel. Natürlich können sich es die Hersteller auch nicht mit den Zulieferern verscherzen. Dennoch hat die Vergangenheit gezeigt, dass es manchmal zu ethisch fragwürdigen Entscheidungen kommt. Für die Zulieferer, die nach Teilen bezahlt werden, ist das natürlich eine Belastung. Entscheidend ist, wie lange es noch dauert, bis die Corona-Epidemie eingedämmt wird.
Ist der Höhepunkt der Produktionsausfälle schon erreicht?
Die Lieferungen aus China werden verschifft, daher ist eine gewisse Zeitverzögerung zu erwarten. Es kann auch in den nächsten Wochen durchaus noch zu Produktionsausfällen kommen.
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