Audi ist fast so viel wert wie der gesamte VW-Konzern

Wenn der Audi-Chef Markus Duesmann am Freitag erstmals vor seine Aktionäre tritt, dürfte es ein entspannter Auftritt werden. Nicht nur, weil die Hauptversammlung wegen der Corona-Beschränkungen rein virtuell stattfindet, ohne physischer Anwesenheit der Kleinaktionär. Auf der Tagesordnung steht im Grunde nur ein Punkt: Der Squeeze-out durch VW. Duesmanns erste Hautversammlung dürfte dann auch gleich seine letzte sein.

Dass der Squeeze-out beschlossen wird, daran besteht kaum ein Zweifel. Denn VW hält schon 99,64 Prozent an Audi – mehr als die für den Beschluss erforderlichen 95 Prozent. Widerspruch ist aber auch von den Kleinaktionären, die noch 0,36 Prozent an Audi halten, kaum zu erwarten. Denn VW will sie üppig abfinden: 1551,53 Euro pro Aktie sollen sie als Ausgleichszahlung erhalten. Da sind fast 50 Prozent mehr, als die Aktie vor der Ankündigung des Squeeze-outs Ende Februar an der Börse wert war. Für die noch 152.749 Aktien im Streubesitz fallen damit insgesamt rund 237 Millionen Euro an.

Den üppigen Preis hatte VW aber nicht etwa willkürlich festgesetzt, um sich Ärger mit den Kleinaktionären zu ersparen. Der Betrag entspricht exakt dem, den die die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC in ihrem Gutachten zu dem Squeeze-out ermittelt hatte. Das erstaunliche daran: Insgesamt wäre Audi damit 66,7 Milliarden Euro wert – fast so viel wie der gesamte VW-Konzern. Denn der ist an der Börse derzeit nur 70 Milliarden Euro wert. Davon entfielen nach dem PwC-Gutachten rein rechnerisch 66,5 Milliarden Euro auf den 99,64-Prozent-Anteil an Audi. Die Ingolstädter Tochter wäre damit sogar deutlich mehr wert als die Konkurrenten Daimler (aktueller Börsenwert: 42 Milliarden Euro) und BMW (Börsenwert: 37,5 Milliarden Euro).

"Ein Unternehmenswert von €66,7 Mrd. verdeutlicht, welche Ertragskraft und damit Substanz in den Marken des Audi Konzerns, im Produktportfolio und im Gesamtunternehmen stecken", sagt Finanzvorstand Arno Antlitz, während der Hauptversammlung: "Das sind sehr gute Voraussetzungen, um langfristig die Transformation zu meistern."

Grund für die hohe Bewertung: Die Gutachter orientierten sich nicht am Börsenwert, der bei Audi vor der Squeeze-Out-Ankündigung nur bei 35 Milliarden Euro lag, sondern an den Ertragsaussichten für die Zukunft – und orientierten sich hier an den optimistischen Prognosen von Audi selbst. Audi hatte seine Prognosen nach dem Ausbruch der Corona-Krise zwar nach unten korrigiert und am 26. Mai eine sogenannte Overlayplanung bis 2022 beschlossen. Dabei, so stellen die Gutachter fest, bleibe Audi aber deutlich optimistischer als etwa das Institut IHS Martik aus London, deren Einschätzung zu Audi die PwC-Experten als Referenz einholten.

Dem Gutachten zufolge rechnet Audi noch bis Ende 2022 mit deutlichen Spuren der Corona-Krise. Absatz, Umsatz und Gewinn fallen deutliche niedriger aus als bisher geplant. Dann soll die Krise aber überwunden sein. "Ab dem Jahr 2023 sieht Audi die Absatzzahlen wieder auf dem ursprünglich geplanten Wachstumspfad", heiß es in dem Gutachten. "Aus der vergleichsweise zügigen Rückkehr zum ursprünglichen Wachstumspfad lässt sich ableiten, dass der Audi Konzern gegenwärtig von keinen langfristigen Effekten aus der Covid-19-Pandemie ausgeht."

Im laufenden Jahr rechnet Audi wegen des Lockdowns dagegen mit einem herben Einbrüchen, die das ursprünglich geplante Wachstum zunichte machen. Nur noch 1,6 Millionen Fahrzeuge will Audi absetzen, 200.000 weniger als noch 2019. Der Umsatz soll sogar noch stärker schrumpfen: von knapp 56 auf 48 Millionen Euro. Ganz abschreiben will Audi das laufende Jahr aber trotzdem noch nicht: Statt roter Zahlen sollen am Ende operativ noch 1,6 Milliarden Euro Gewinn bleiben. Das entspräche immerhin noch einer Umsatzrendite von 3,3 Prozent. 2019 hatte Audi noch 4,5 Milliarden Euro Gewinn gemacht.

Im kommenden Jahr soll es dann bereits wieder besser werden. "Gemäß der Overlayplanung wird im Geschäftsjahr 2021 dann mit einer deutlichen wirtschaftlichen Erholung gerechnet", schreibe die PwC-Experten, "was sich in einem geplanten Umsatzwachstum von 20,8 Prozent niederschlägt." Der Absatz soll mit 1,8 Millionen Fahrzeugen dann wieder auf dem Stand von 2019 liegen, der Gewinn mit 4,2 Milliarden Euro aber noch hinter dem Vor-Corona-Niveau zurückbleiben.

2022 sollen es dann sogar 2,1 Millionen Auslieferungen werden - und der Gewinn auf 5,8 Milliarden Euro steigen "Damit zeigt der Planungsverlauf in der Overlayplanung für die Geschäftsjahre 2021 und 2022 deutliche Aufholeffekte zurück zum Wachstumspfad", heißt es in dem Gutachten. Bis 2025 will Audi den Absatz dann auf 2,5 Millionen Fahrzeuge steigen.

Am Ende schenkten die PwC-Experten den Audi-Zahlen mehr Glauben als den Londoner Marktforschern. "Die Abweichung zwischen der Planung von Audi und der IHS Markit-Prognose beruht insbesondere auf der unterschiedlichen Einschätzung der Strategie von Audi, den Gesamtabsatz durch neue Elektrofahrzeuge steigern zu wollen", schreiben sie in ihrem Gutachten. "Vor dem Hintergrund, dass die IHS Markit-Prognosen die Produktpolitik von Audi nicht vollständig erfassen, erachten wir die Absatzplanung von Audi insgesamt als herausfordernd, aber erreichbar."

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