Audi gestaltet seinen Vertrieb neu. Bereits ab dem kommenden Jahr wollen die Ingolstädter ihr neues Showroom-Konzept "Progressive Retail" im Handel einführen – sofern dieser das will: Audi stellt seinen Händlern frei, ob und wann sie das neue Konzept umsetzen. "Kein Händler muss das neue Retail-Konzept umsetzen. Alle bestehenden Schauräume haben Bestandsschutz, daher sind sämtliche Investitionen freiwillig. Wir sind von unserem Konzept so überzeugt, dass wir glauben, die Händler auch so zum Umgestalten bewegen zu können", sagt Hubert Link, Director Retail Development bei Audi.
Audi führt neues Vertriebskonzept ein
Mit ihrem neuen Retail-Konzept wollen die Ingolstädter den Handel fit für den Autovertrieb der Zukunft machen. Im Gegensatz zur Konkurrenz gibt es dabei aber keinen Zwang.
Mit diesem Ansatz wählt Audi eine deutlich andere Herangehensweise als viele Konkurrenten: Normalerweise gibt es feste Deadlines. Wer sich nicht daran hält, riskiert seinen Händlervertrag. BMW etwa schreibt für sein im April vorgestelltes neues Konzept eine Umrüstung bis 2028 vor.
Ziel des Showroom-Redesigns bei Audi sei, die Vorteile des Onlinevertriebs mit der Erlebniswelt im Handel zu verbinden und auf diese Weise eine nahtlose Customer Journey zu kreieren, erklärt Link. Man wolle Nachhaltigkeit, Design und Digitalisierung im Handel erlebbar machen. Für die Kundinnen und Kunden müsse der Besuch im Handel einen besonderen Mehrwert darstellen, beispielsweise weil ihnen dort jemand die digitalen Ökosysteme erklärt und sie neue Technologien erleben können. "Wir wollen ein Markenerlebnis, das es nur im Handel gibt. Dazu braucht es aber nicht nur neue Möbel, sondern auch neue Prozesse", sagt Link.
Ähnlich wie beim Konzept von BMW sollen die Beratungs- und Verkaufsprozesse viel stärker am Auto im Showroom anstatt in abgetrennten Verkäuferbereichen stattfinden. Damit wandeln sich auch die Jobprofile. Die so genannten Audi Expertes, die 2016 im Rahmen des Personalkonzepts "Audi Retail Experience" eingeführt wurden, erhalten beispielsweise zusätzliche Kompetenzen. Diese sollen etwa mit Informationen zu Services rund um die E-Mobilität bei Kunden "die Leidenschaft für Technologie und für die Marke" wecken.
Wie das in der Praxis aussieht zeigt Audi seit Kurzem in einem Pilotbetrieb in Morumbi, einem Distrikt der brasilianischen Metropole Sao Paulo. Weitere Pilotbetriebe folgen ab August in Italien, den USA sowie China. Gearbeitet wird darin mit viel Licht, hellen, warmen Farben sowie zahlreichen digitalen Elementen. "Das neue Konzept ist flexibel, skalierbar und modular. Dadurch soll es in allen Neu- und Bestandsbauten funktionieren", erklärt Boris Heßler, Leiter Corporate Architecture. Die Module sollen den Rahmen schaffen, innerhalb dessen die neuen Vertriebsprozesse stattfinden können.
- Nexus-Modul: Dieses soll den klassischen Empfangstresen ersetzen. Hierbei handelt es sich um einen Stehtisch, meist vor einer Betonwand mit einem Bildschirm, der Kunden beim Betreten einen ersten lockeren Kontakt zum Personal ermöglichen soll. Die Mitarbeiter dort sollen eine erste Bedarfsanalyse vornehmen und die Kunden zur passenden Fachabteilung weiterleiten.
- Customer Lounges: Diese dienen als Wartebereich für Kunden und sollen gleichzeitig private Gespräche zwischen Verkäufer und Kunden ermöglichen.
- Board of digital Services: Hier können Verkäufer anhand großer Bildschirme Produkte digital zeigen und erklären.
- Highlight-Bühne: Hier wird ein Fahrzeug exponiert präsentiert.
- Library: Hierbei handelt es sich um die Verkäuferarbeitsplätze, die deutlich offener als bisher gestaltet werden sollen.
- Handover: Der klassische Fahrzeugübergabebereich, der künftig stärker "emotional aufgeladen" werden soll.
- Technology Lab: Hier sollen das digitale Ökosystem und neue Technologien, beispielsweise das autonome Fahren und dazu passende Exponate vorgeführt werden.
Welche der Module sie in welchem Umfang einsetzen wollen, soll weitestgehend den Händlern überlassen sein. Die Mindeststandards will Audi Ende des Jahres vorlegen. Bis dahin sollen auch noch Erfahrungen aus der Pilotphase, etwa zu den Möbeln, einfließen.
"Wir haben darauf geachtet, eine Umrüstung mit einem möglichst überschaubaren Invest zu ermöglichen. Das klassische Audi-Terminal bleibt erhalten. Wir verändern nur den Schauraum, nicht die Architektur", sagt Heßler. Das Konzept soll den Händlern zudem genug Raum lassen, um auf kulturelle Besonderheiten in ihrem jeweiligen Markt eingehen zu können – in China zum Beispiel extra große Wartebereiche mit Catering, weil Kunden dort gerne vor Ort die Servicearbeiten abwarten.
Mit den Agenturvertriebsplänen von Audi soll "Progressive Retail" übrigens nichts zu tun haben: "Es gibt keine Abhängigkeiten dieses internationalen Konzepts zu den Plänen von Audi, in den wichtigsten europäischen Märkten das Agentur-Modell für elektrische Fahrzeuge ab 2023 schrittweise einzuführen", sagt Link.