Ansturm auf den Porsche 911

Wann immer VW einen neuen Golf, BMW einen neuen Dreier oder Mercedes eine neue E-Klasse ins Rennen schicken, haben die Hersteller ein Problem. Die Verkaufszahlen gehen im Jahr des Modellwechsels deutlich nach unten, weil die Kunden auf das neue Design und die neue Technik warten wollen. Da helfen meist auch großzügige Rabatte oder Ausstattungspakete nicht viel. Bei einem Auto aber kehrt sich diese Regel um. Die neue Generation des Porsche 911 wird im Herbst vorgestellt, steht also bereits in den Startlöchern. Doch im ersten Halbjahr 2018 stieg der Absatz des aktuellen Modells auf 21.400 Fahrzeuge – ein Plus von 28 Prozent.

Der Schub zum Ende des Modellzyklus hat viele Gründe. So feiert der Sportwagenbauer in diesem Jahr ein Jubiläum. Vor 70 Jahren erhielt der Porsche 356 seine Straßenzulassung und begründete damit einen Mythos, von dem die Marke bis heute lebt. Mit vielen Veranstaltungen und einer Sonderausstellung im Porsche-Museum wurde der historische Aufstieg der Marke gefeiert. Dazu kamen unzählige Bücher zur Geschichte des Sportwagens in die Regale der Buchhandlungen. Mit dem Geburtstag, der nicht einmal ein echtes Jubiläum ist, hat Porsche geschickt eine gigantische Marketing-Maschinerie in Gang gesetzt. Die kommt vor allem dem 911 als Kernmodell und Stilikone zugute.

Geholfen hat sicher auch, dass Porsche nochmals eine Vielzahl an Derivaten am Start hat und damit die aktuelle Modellgeneration frisch hält. Mit dem puristischen 911 Carrera T erinnert der Sportwagenbauer an ein Konzept aus dem Jahr 1968. Dafür steht beispielsweise der verkürzte Schalthebel mit rotem Schaltschema. Der GT 3 RS dagegen erweitert die Leistungsspitze nach oben. Mit dem 520 PS-starken Saugmotor tastet sich Porsche so nah an den Rennsport wie nur irgend möglich. Beim Festakt zum 70-Jahr-Jubiläum zeigte Porsche zudem ein Porsche 911 Speedster Concept, das auf Basis der aktuellen GT-Motoren und einem am Ur-Modell orientierten Look nochmals einen Verkaufsschub bringen dürfte. So schafft es Porsche, einen fließenden Übergang statt eines abrupten Modellwechsels zu bewerkstelligen.

Hinzu kommt ein psychologischer Effekt bei den Kunden. Da diese sehr traditionalistisch eingestellt sind, vertrauen sie lieber dem Altbewährten. Wer weiß schon, ob die Weiterentwicklung des Klassikers auch wirklich gut gelungen ist. Als Porsche 2015 das Ende vom Saugmotor im Elfer ankündigte, standen die Kunden Schlange, um noch ein Modell mit dem alten Aggregat zu ergattern. Die Wertstabilität ist ohnehin so gut wie bei kaum einer anderen Marke. Damit verschwindet der Anreiz, unbedingt auf die technisch weiterentwickelte nächste Generation warten zu müssen.

Auch bei den anderen Modellen bleibt die Nachfrage hoch. Insgesamt nahmen die Auslieferungen bei Porsche im ersten Halbjahr 2018 um drei Prozent auf 130.598 Fahrzeuge zu. Vor allem der Panamera kommt immer besser in Fahrt. Für ihn entschieden sich 20.500 Kunden – und damit fast doppelt so viele wie im Vorjahreszeitraum. Beim Macan sank die Nachfrage angesichts des anstehenden Facelifts von 50.000 auf 46.600 Einheiten. Beim Cayenne war der Rückgang 35.601 auf28.700 Einheiten noch deutlicher. Dies dürfte auch damit zusammenhängen, dass beide Modelle derzeit nicht mehr mit Diesel angeboten werden.

Erschwerend hinzu kommt, dass es auf dem bisher verlässlichsten Wachstumsmarkt China im ersten Halbjahr schlecht lief. Dort verzeichnete Porsche im Vergleich zum Vorjahr einen Rückgang von sieben Prozent. Grund dafür ist laut einer Sprecherin die am 1. Juli in Kraft getretene Senkung der Importzölle für Autos von 25 auf zehn Prozent. Viele Kunden hätten ihren Kauf mit Blick auf die sinkenden Preise daher verschoben. Porsche hofft nun, diesen Effekt im zweiten Halbjahr wieder kompensieren zu können. Besonders stark konnte Porsche in Deutschland (plus 11 Prozent), Europa (plus 9 Prozent) und in den USA (plus 7 Prozent) zulegen.

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