Wie funktioniert die Autoindustrie? Das scheint die Frage zu sein, die Amazon derzeit bewegt. Denn es sind keine Nebelkerzen, sondern strategische Schritte, mit denen sich der E-Commerce-Riese aus den USA langsam an die Industrie herantastet.
Ganz frisch ist die Investition von Amazon in das US-Start-up Rivian. 700 Millionen US-Dollar sammelte das Start-up aus der Nähe von Detroit ein. Wieviel genaue Amazon zu den 700 Millionen Dollar zugesteuert hat, gaben weder Rivian noch Amazon bekannt. Da es jedoch nur einen zweiten Investor gibt, und zwar den saudi-arabische Autovertriebs- und Energiekonzern Abdul Latif Jameel, liegt nahe, dass Amazon mit einem dreistelligen Millionenbetrag in Rivian investiert hat.
Rivian ist ein E-Auto-Start-up und wurde 2009 gegründet. Zunächst trat es nicht groß in Erscheinung - bis die Firma auf der LA-Autoshow im November 2018 mit zwei fast serienreifen Elektro-Autos, einem Pick-Up und einem SUV, auf sich aufmerksam machte. 2020 sollen die ersten Fahrzeuge auf den Markt kommen.
Zuvor wurde bekannt, dass Amazon ebenfalls zu den Geldgebern des Start-ups Aurora zählt. Aurora entwickelt Software für selbstfahrende Autos und wurde vom ehemaligen Google-Auto-Entwickler Chris Urmson gegründet. Von Amazon bekam Aurora einen "signifikanten Beitrag". Insgesamt belief sich die zweite Finanzierungsrunde des Start-ups Aurora auf 530 Millionen Dollar (467 Millionen Euro). Bewertet wird Urmsons Firma mit rund 2,5 Milliarden Dollar und die Kooperationspartner sind keine geringeren als VW, Hyundai oder Byton.
Neben den Investments in Rivian oder Aurora hat Amazon jedoch in den vergangenen Jahren seine Fühler in Richtung Autohandel ausgestreckt, denn Amazon liegt als E-Commerce-Plattform der Autohandel nahe. Vor einigen Jahren startete Amazon bereits mit dem kurzzeitigen befristeten Verkauf von Fahrzeugen über die eigene Plattform. Fiat, Opel, Hyundai und Seat waren Kooperationspartner. Zudem bot man unter dem Slogan „Prime Now. Drive Now“ in den USA Testfahrten mit Hyundai Elantas an. Dabei brachten Amazon-Angestellte dem Kunden das Auto zum Testen sogar bis vor die Haustür.
Vielleicht ist auf den ersten Blick keine stringente Strategie von Amazon für die Autoindustrie ersichtlich - aber auf den zweiten. Das findet zumindest E-Commerce-Experte Lennart Paul. Er verfolgt Amazon schon seit Jahren und hat die Beobachtung gemacht, dass der Internetriese durch solche Schritte nach und nach lernt, wie der Markt tickt, wie Kunden ticken und wie sich Produkte, Innovationen und Strategien in einer Branche verhalten. "Durch unterschiedliche Testballons will Amazon immer besser verstehen, wie die Branche funktioniert. Dazu gehören Testballons über die Amazon-Plattform, aber auch Investments in Start-ups, die stark in Produkten oder Innovationen sind", sagt Paul.
Von Luxemburg aus steuert Amazon seine Automotive-Aktivitäten. Seit März 2017 baut der frühere Oliver-Wyman-Berater Christoph Möller als „Head of OEM, EU Automotive, Amazon“ ein Team auf, mit dem Amazon fit werden will für die Autoindustrie. Dazu gehört nicht nur im Autohandel, sondern durch die Investments in Aurora und Rivian auch das Lernen, wie die Produktion und Innovation neuer Technologien funktionieren.
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