Martin Winter ist einer der Pioniere der deutschen Batteriezellforschung. Der promovierte und habilitierte Chemiker lehrt an der Universität Münster, hat vor gut zehn Jahren die Innovationsallianz Lithium-Ionen-Batterie 2015 beim Bundesforschungsministerium angeschoben. Im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung erklärt er, warum für ihn eine Zellproduktion in Deutschland durchaus Sinn ergeben würde.
"Ob wir in Deutschland mit der Konkurrenz aus Asien kurz- bis mittelfristig Profit machen?", fragt er selbst. Für automobile Zellen auf Lithium-Ionen-Basis laute die Antwort "mit hoher Wahrscheinlichkeit Nein". "Aber was ist die Alternative?", schiebt der Forscher nach. "Wollen wir uns komplett auf Asien als Zulieferer für Zellen verlassen?" Martin hält das für bedenklich.
Schon jetzt seien die asiatischen Zulieferer nicht mehr so schnell bereit, den Herstellern Extrawünsche bei Preis und Technologie zu erfüllen. "Da muss man eben nehmen, was im Regal steht", gibt der Professor zu bedenken. Man sei an dem Punkt "an der Zulieferer immer mehr in die Rolle des Monopolisten kommt", warnt er. Man müsse sich fragen, "welchen Preis die Hersteller langfristig für den Verzicht auf geografisch nahe liegende Kompetenz bezahlen werden".
Den Einstieg habe man verpasst. Winter erinnert an das Scheitern der Kooperation von Daimler und Evonik (Litec) im Jahr 2012. Damals sei es um zusätzliches Investitionsvolumen von einer Milliarde gegangen. Als Bosch kürzlich beschlossen habe, keine Zellfertigung aufzubauen, sei schon von 20 Milliarden die Rede gewesen. Martin nennt es nicht explizit verpasste Chancen, formuliert es höflicher: "Man kann sicher sagen, dass der Einstieg vor fünf bis zehn Jahren viel einfacher und günstiger gewesen wäre."
Unabhängig vom Standort sieht der Experte noch großes Potenzial bei der Lithium-Ionen-Technologie. "2025 sind 70, 80 oder sogar 100 Prozent mehr Reichweite drin als momentan", sagt er voraus. Die Reichweite pro Kilogramm Batteriegewicht werde sich von aktuell 600 bis 700 Meter auf 1,2 bis 1,3 Kilometern annähernd verdoppeln.
Seine Meinung zur Feststoffbatterie möchte der SZ-Redakteur wissen. Die seien ja "im Kommen". Winter ist skeptisch: "Wenn Sie mit Leuten reden, die Toyota gut kennen, dann kriegen Sie andere Informationen als das, was heute publiziert wird", plaudert er aus dem Nähkästchen. Diese Leute sagten offen, dass es eine "große Herausforderung" sei, das Ziel von 2023 für die Feststoffbatterie zu erreichen. Auch die Forschung von Dyson (Sakti3) sei "weit weg" von einer fertigen Batterie.
Für den großen Technologiesprung fehlten in diesem Bereich, so der Professor, Lieferketten und Qualitätssicherung im industriellen Maßstab. "Vielleicht bin ich zu sehr Realist", schließt er, "aber ich glaube, Feststoffbatterien werden ein Forschungsthema für die nächsten zehn bis 15 Jahre sein."
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