Das Risiko von Hacker-Angriffen auf Ladestationen für E-Autos steigt. In Europa ist Deutschland am stärksten betroffen.
Fragmentierte Lade-Landschaft: Die Zersplitterung der Systeme macht es Eindringlingen relativ einfach, Manipulationen vorzunehmen - und etwa Daten einer Kreditkarte zu stehlen, meint das auf Cyberkriminalität spezialisierte Unternehmen Upstream.
Autobauer und Zulieferer haben Bedenken, über ihre Bemühungen um die Cybersicherheit im Bereich der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge zu sprechen. Denn eine öffentliche Debatte darüber könnte potenzielle Schwachstellen aufdecken.
Das wiederum könnte Hacker zu Angriffen einladen, sagte Guiseppe Serio. Er ist bei Upstream Security, einem Spezialisten für Cybersicherheit in der Automobilindustrie, für globale und strategische Initiativen zuständig.
„Kein Autohersteller möchte derjenige sein, der sagt: 'Wir haben hier ein Problem'. Das wirft sofort Bedenken hinsichtlich der Haftung und des Vertrauens der Verbraucher auf“, ergänzt er.
Laut Upstream stieg die Zahl der Cyberangriffe gegen Automobil- und Smart-Mobility-Ziele 2024 um 38 Prozent auf 409.
Das Unternehmen erstellt jährlich einen Bericht über das Problem, indem es akademische Forschung, verifizierte Social-Media-Konten von staatlichen Strafverfolgungsbehörden, die CVE-Datenbank (Common Vulnerabilities & Exposures) und die Medienberichterstattung über die Angriffe analysiert.
Die Analysten von Upstream überwachen auch das Dark-Web, um Bedrohungsakteure aufzuspüren, die hinter den Kulissen von Cyberangriffen auf die Automobilindustrie agieren, so das Unternehmen in seinem Bericht.
Laut Upstream gab es im vergangenen Jahr durchschnittlich 34 Vorfälle pro Monat in Europa, den USA und China, die beide Branchen betrafen.
In Europa gab es in Deutschland mit 31 die meisten Angriffe. Es folgten Frankreich mit 14 Angriffen und Großbritannien mit 16 Vorfällen. Auch in Italien und Spanien gab es den Daten von Upstream zufolge bemerkenswerte Aktivitäten mit zwölf beziehungsweise zehn Angriffen.
Mit der zunehmenden Verbreitung von Elektrofahrzeugen steigen die Risiken: Ransomware-Angriffe auf intelligente Mobilitätsinfrastrukturen nahmen 2024 zu und trugen zu einem Anstieg der dokumentierten Vorfälle um insgesamt 38 Prozent bei.
Ein Cyberangriff auf ein litauisches Ladesystem für Elektrofahrzeuge legte den Betrieb stundenlang lahm, wobei die Angreifer die Daten von 20.000 Kunden stahlen, berichtet das in Vilnius ansässige Portal Delfi.
Serio von Upstream sagt, dass Autohersteller sich lieber auf die Sicherheit in Bereichen konzentrieren, in denen sie direkte Kontrolle haben, wie Fahrzeugsysteme und Telematik, als sich offen mit Risiken auseinanderzusetzen, die mit Ladenetzwerken von Dritten verbunden sind. Denn darauf haben die Autohersteller meist keinen direkten Einfluss.
„Sobald man ein Sicherheitsrisiko anerkennt, wird erwartet, dass man eine Lösung hat“, sagt der Upstream-Experte. „Aber im Fall des Ladens von Elektrofahrzeugen sind die Autohersteller nicht vollständig Eigentümer der Infrastruktur, was es schwierig macht, endgültige Zusicherungen zu geben.
„Wenn ein Automobilhersteller eine Sicherheitslücke zugibt, könnten die Regulierungsbehörden sofortige Maßnahmen fordern, was den Zeitplan für die Produkte stören und kostspielige Korrekturen erfordern könnte."
Stattdessen ziehen es seiner Einschätzung nach die Automobilhersteller vor, hinter den Kulissen zu arbeiten und mit den Betreibern von Ladestationen und Industriegruppen zusammenzuarbeiten, um die Sicherheit zu verbessern, ohne die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich zu ziehen.
BMW erklärte auf Anfrage, dass es in der gemeinsamen Verantwortung von Automobilherstellern, Anbietern von Elektromobilitätsdiensten und Betreibern von Ladestationen liege, sicherzustellen, dass die Zahlungsdaten der Kunden bei Ladetransaktionen angemessen gesichert seien. Die gesamte Palette der batterieelektrischen Fahrzeuge der BMW Group erfülle den bisher höchsten Sicherheitsstandard.
„BMW führt seine eigenen Penetrationstests durch, bei denen seine Cybersecurity-Experten versuchen, die Fahrzeuge zu hacken, um Schwachstellen aufzudecken“, heißt es in der Erklärung.
"BMW sammelt anonymisierte Live-Daten aus seinen Fahrzeugen, sofern der Kunde seine Zustimmung gegeben hat“, heißt es in der Erklärung. „Dies ermöglicht es BMW, Anomalien zu erkennen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.“
Mercedes-Benz erklärte, das Unternehmen habe schon 2021 vom deutschen Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) die Zertifizierung des Managementsystems für Cybersicherheit erhalten.
„Alle unsere Architekturen erfüllen die Anforderungen und sind oder werden rechtzeitig nach UN R155 zertifiziert“, so der Autobauer. Die Richtlinie definiert die Anforderungen an die Cybersicherheit von Fahrzeugen. Etliche Modelle sind 2024 vom Markt verschwunden, weil sie die Vorgaben nicht erfüllen konnten.
„Wir kartieren die potenziellen Cyberbedrohungen, wir überprüfen zukünftige Produkte und Dienstleistungen und entwickeln dann die richtige Architektur und Technologien, um die priorisierten Bedrohungen zu entschärfen.“
