Rüstungsgeschäft lockt: Welche Chancen Bosch, Schaeffler, ZF und Co. sehen

Deutschlands Autohersteller und Zulieferer suchen nach Alternativen, um ihre Werke auszulasten und Beschäftigung für ihre Belegschaft zu sichern. Immer stärker in den Blickpunkt rückt dabei die Rüstungsindustrie. Bis vor kurzem hatte dieser Geschäftszweig eine geringe Bedeutung für die Branche. Aufträge wurden eher verschwiegen abgewickelt.

Doch das ändert sich nun. Henning Rennert, Partner bei Strategy&, berichtet beispielhaft von einem Mittelständler, der die Beratung in der Corona-Zeit mit einem Projekt betraut hatte. "Damals hatte das Unternehmen Kunden aus dem Verteidigungsbereich ausgeschlossen. 2024 wurde dieser Beschluss geändert.“

Inzwischen würde viele Unternehmen darüber nachdenken, ob sie auf diesem Sektor aktiv -werden.

Geopolitische Unsicherheiten haben der Rüstungsindustrie weltweit einen Boom beschert. Im Jahr 2023 lagen die Militärausgaben weltweit bei mehr als 2,4 Billionen Dollar (2,2 Billionen Euro). Laut dem Stockholmer Instituts für Internationale Friedensforschung SIPRI, das die Daten erhebt, ist dies ein Plus von 6,8 Prozent im Vergleich zu 2022 und die höchste Zunahme seit 2009.

Für das Jahr 2024 liegen noch keine belastbaren Zahlen vor, aber ein weiterer Anstieg ist mehr als wahrscheinlich. Und die Bilanzen klassischer Rüstungskonzerne zeigen Renditen, wie sie Autozulieferer zu ihren besten Zeiten kaum hatten. Beispiel Rheinmetall. 

Der militärische Arm des Rüstungskonzerns aus Düsseldorf legte 2024 zum Vorjahr um 50 Prozent zu. Zugleich schrumpfte das Geschäft mit den Automobilkunden. CEO Armin Papperger sieht das Unternehmen "auf dem Weg vom europäischen Systemhaus zum globalen Champion“ – freilich nur, wenn es um das Militärische geht.

2024 trug das Militärgeschäft bereits über 7,6 Milliarden Euro zum Konzernumsatz von 9,8 Milliarden Euro bei. Für 2025 rechnet der Konzern mit einem weiteren Plus bei den Erlösen von 35 bis 40 Prozent.

Gepaart ist das Wachstum mit satten Gewinnen. Während viele deutsche Automobilzulieferer – wenn überhaupt – nur operative Gewinnmargen im niedrigen -einstelligen Prozent-Bereich schaffen, erreicht das Defence-Geschäft von Rheinmetall eine EBIT--Marge von 19 Prozent. Das bleibt Zulieferern nicht verborgen.

Beispiel Schaeffler. Die Franken haben ihr Interesse am Rüstungssektor bereits offen verkündet. Bislang trägt der Militärbereich zwar weniger als ein Prozent zum Umsatz bei, durch einen kleinen Teil des Luftfahrtgeschäfts von Schaeffler in den USA. Dort liefert das Unternehmen unter anderem Lagerkomponenten für Militärhubschrauber.

Doch Vorstandschef Klaus Rosenfeld machte jüngst auf der Bilanzpressekonferenz klar, dass es "jede Menge Anküpfungspunkte" gebe. Die Botschaft: Für einen techno-logisch breit aufgestellten Zulieferer ist Rüstung interessant.

Der weltgrößte Zulieferer Bosch gibt sich  da verhaltener. Das Militärgeschäft sei "kein strategisches Geschäftsfeld“, heißt es. "Bosch entwickelt, fertigt und vertreibt im Rahmen seiner weltweiten strategischen Ausrichtung und Fokussierung auf zivile Geschäftsfelder selbst keine Waffen – daran ändern auch die aktuellen Entwicklungen nichts.“

Allerdings: Viele Komponenten können in militärischen Produkten und wehrtechnischen Gütern beziehungsweise für militärische Zwecke eingesetzt werden. Dazu gehören beispielsweise Lenksysteme und Einspritztechnik.

Der Zulieferer unterhält auch direkte und indirekte Geschäftsbeziehungen zu Unternehmen, die Militärgüter produzieren oder für die Rüstungsindustrie arbeiten. Es gibt bei Bosch aber keinen eigenen Geschäftsbereich für Produkte, die für militärische Zwecke eingesetzt werden können, und auch keine Pläne dazu. 

Ähnlich zurückhaltend verhält sich ZF Friedrichshafen. Das Unternehmen sieht in der Militärtechnik keinen strategischen Geschäftsbereich. "Die Verteidigungstechnik ist ein kleiner Teil unserer Division Industrietechnik mit einem Umsatzanteil von rund 0,3 Prozent am Gesamtumsatz von 46,6 Milliarden Euro im Jahr 2023“, sagte ein Sprecher.

Aufgrund der veränderten geopolitischen Situation – Stichwort Zeitenwende – verzeichne ZF jedoch eine höhere Nachfrage nach Produkten der Verteidigungstechnik, "an die wir unsere Kapazitäten anpassen“, so der Sprecher.

Ein strategischer Ausbau dieses Geschäftsfelds sei bisher nicht geplant. Das Unternehmen betont, dass das Portfolio keine Lösungen für ausschließlich militärische Produkte umfasst. Bei ZF-Produkten im Verteidigungsbereich handle es sich überwiegend um sogenannte „Dual-Use-Produkte“. Gemeint sind damit Komponenten für zivile Fahrzeuge, die für den Verteidigungsbereich modifiziert würden. Das betrifft derzeit vor allem geschützte Radfahrzeuge.

Doch die wachsende Nachfrage nach Rüstungsgütern kann den Zulieferern nicht nur zusätzliche Aufträge bescheren. Sie eröffnet auch der von Stellenabbauplänen verunsicherten Belegschaft Perspektiven. 

"Im Fall von Restrukturierungen oder Standortschließungen unterstützen wir Beschäftigte dabei, neue Arbeitgeber zu finden, indem wir entsprechende Kontakte herstellen“, heißt es bei ZF. Dafür sei der Konzern auch mit Rüstungsunternehmen in Kontakt getreten.

Wesentlich konkreter sind die Pläne bei Continental. Rund 100 Beschäftigten eines Bremsen-Werks des Zulieferers wurde von Rheinmetall der Wechsel in eine Munitionsfabrik angeboten. Auch der auf Sensortechnik spezialisierten Rüstungskonzern Hensoldt will Mitarbeitern des Conti-Standorts Wetzlar eine Beschäftigungsmöglichkeit bieten.

Diese Chancen sieht auch Berater Rennert: "Gut ausgebildete und funktionierende Teams sind auch in der Rüstungsindustrie gefragt.“ Derzeit ginge es darum, dass Deutschland und Europa die Materiallager in den Kasernen schnell mit Munition und schwerem Kriegsgerät füllen. Um das umzusetzen, "werden Industrieteams benötigt, die mit der Serienfertigung vertraut sind“.

Rheinmetall wohl auch deswegen Interesse am VW-Werk in Osnabrück. Dort läuft die Produktion des T-Roc Cabrio 2027 aus. CEO Papperger bezeichnete den Standort als "sehr geeignet“, um auf die Produktion von militärischen Fahrzeugen umzustellen.

Laut Rennert gibt es zudem Bestrebungen, vereinzelt Autozuliefererwerke in Deutschland zu verkaufen. Das könne interessant für die Verteidigungsindustrie sein. "Die Automobilbranche beherrscht im Gegensatz zur -Rüstungsindustrie die schlanke Produktion, komplexe Logistikprozesse und arbeitet zudem mit hohen Qualitätsstandards.“