Audi-Vorstand Walker über Brüssel: "Wir müssen flexibel bleiben"

Ab dieser Woche könnten im Audi-Werk Brüssel erstmals wieder Fahrzeuge vom Band laufen. Der krisengeschüttelte Standort bat die Beschäftigten am vergangenen Mittwoch erstmals wieder in Teilen zur Arbeit. Ab sofort sollen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Vorbereitungen für einen Neustart der Fertigung des Q8 e-tron intensivieren.

An seinen Plänen zur Neustrukturierung des Standorts hält Audi allerdings fest. Findet sich kein Käufer für das seit 2007 zum Produktionsnetzwerk gehörende Werk im Südwesten der belgischen Hauptstadt, wird Audi die Fabrik schließen. Es wäre die wohl schwerste Entscheidung in der bisherigen Amtszeit für Produktionsvorstand Gerd Walker, der erst vergangene Woche den Werksleiter in Brüssel austauschte.

Jetzt sagt Walker der Automobilwoche: "Volker Germann hat den Standort in den schwierigen vergangenen Wochen in den Start des Informations- und Konsultationsprozesses geführt. Mit großer Empathie und viel Leidenschaft für das Werk und die Mitarbeitenden hat er so den Grundstein für ein geordnetes Verfahren gelegt."

Dieses Verfahren soll Germann nun aber nicht mehr selbst leiten, so Walker, sondern dessen Nachfolger Thomas Bogus: "Mit seiner umfangreichen Erfahrung im internationalen Produktionsnetzwerk und einem tiefen Verständnis für den gesamthaften Produktionsprozess bringt Thomas Bogus wertvolle neue Impulse ein. Gemeinsam mit seinem Vorstandsteam wird er nun im Informations- und Konsultationsprozess mit den Sozialpartnern mögliche Lösungen für den Standort und alle Mitarbeitenden erörtern."

Klar ist aber: Auch der neue Werksleiter kommt nicht plötzlich mit einem Rettungskonzept für den Standort in seiner Aktentasche. Audi teilte den Beschäftigten am vergangenen Dienstag mit, dass derzeit kein neues Modell aus dem VW-Konzern nach Brüssel vergeben werden könne.

Gegenüber der Automobilwoche verteidigt Gerd Walker diese Entscheidung: "In volatilen Zeiten wie diesen müssen wir auch in der Produktion flexibel bleiben und auf Nachfrageänderungen reagieren."

Walker macht die Marktlage für die Probleme in Brüssel mitverantwortlich: "Wir beobachten eine segmentspezifische Kaufzurückhaltung bei der Audi Q8 e-tron Modellfamilie. Das beeinflusst die Volumenplanung sowie die Produktionszahlen des Audi Q8 e-tron am Standort Brüssel spürbar."

So spürbar, dass am 9. Juli die Entscheidung öffentlich gemacht wurde, das Audi-Werk Brüssel zu schließen, wenn es kein neues Nutzungskonzept für die kleine Fabrik gibt. "Kombiniert mit den Standortgegebenheiten machte dies ein langfristiges Lösungskonzept für den Standort erforderlich. Deshalb hat der Vorstand von Audi Brussels dem Unternehmensrat die Absicht mitgeteilt, eine Umstrukturierung des Standorts Brüssel vorzunehmen", sagt Gerd Walker.

Den Beschäftigten in Brüssel verspricht der Produktionsvorstand größtmögliche Transparenz über die weiteren Schritte: "Uns ist bewusst, dass die Diskussionen für unsere Beschäftigten emotional belastend sind. Was wir jetzt tun können – und das ist der Werkleitung und auch mir ein großes Anliegen: Wir informieren die Mitarbeitenden so transparent wie möglich über den Informations- und Konsultationsprozess und gehen mit der Belegschaft in den Dialog."

Walker selbst will dafür immer wieder nach Belgien reisen: "Für mich persönlich gehören darüber hinaus regelmäßige Besuche des Werks sowie der kontinuierliche Austausch mit dem Vorstand von Audi Brussels dazu. Und natürlich unterstütze ich das Team in Brüssel nach Kräften bei der konstruktiven Lösungsfindung."

Offen ist, wie sich die Situation in dieser Woche in Brüssel entwickelt. Seit Montag sollen alle der rund 3000 Beschäftigten im Audi-Werk wieder an die Arbeit kommen. Ein Streik ist denkbar, auch eine Besetzung des Werks gehört längst zu den Planspielen einiger Gewerkschafter. 

Audi-Vorstand Gerd Walker sagt jetzt in Richtung der Belegschaft: "Die Nachricht vom 9. Juli hat unsere Mitarbeitenden in Brüssel hart getroffen – das ist klar. Auch für mich ist das keine einfache Situation. Daher appelliere ich an alle Beteiligten, sich konstruktiv und besonnen einzubringen. Jetzt geht es darum, diesen Prozess gemeinsam mit allen Beteiligten konstruktiv und transparent zu gestalten und nach Lösungen im Sinne aller zu suchen."

Die Produktion des momentan nur sehr schwach nachgefragten Elektro-SUV Q8 e-tron will Audi definitiv noch einmal wieder aufnehmen. "Derzeit bereiten wir den stufenweisen Wiederanlauf im Zweischichtbetrieb vor. Dass dies geordnet abläuft, ist sicherlich im Sinne aller Mitarbeitenden und des Standorts", so Walker.