Cavallo zur VW-Krise: "Wir verschließen nicht die Augen"

Abgekämpft sah sie aus, aber ebenso entschlossen: Nur wenige Minuten nach Ende einer über fünf Stunden andauernden Betriebsversammlung im Volkswagenwerk Wolfsburg trat Betriebsratschefin Daniela Cavallo am Mittwochnachmittag vor das Werkstor am Sandkamp.

Begleitet wurde sie von Niedersachsens IG-Metall-Bezirksleiter Thorsten Gröger. Beide machten noch einmal deutlich, wie vehement man sich gegen die angedachten Sparpläne bei der Kernmarke Volkswagen wehren werde – und öffneten gleichzeitig den Raum für zügige Gespräche mit dem Topmanagement.

Daniela Cavallo sagte: "Es geht jetzt um die Zukunft des Unternehmens. Wir erwarten vom Vorstand, dass wir zügig an den Verhandlungstisch treten, um Klarheit zu bekommen, wie es weitergehen soll."

Die VW-Betriebsratschefin zeigte dabei auch Verständnis für die derzeitige Situation: "Wir zweifeln nicht an, dass die Situation ernst ist. Was wir nicht zulassen werden, ist, dass wir uns in eine Abwärtsspirale begeben."

Die von Finanzchef Arno Antlitz am Morgen bei der Betriebsversammlung aufgestellte Rechnung von fehlenden 500.000 Autos jährlich beim Absatz von Volkswagen, stellte Daniela Cavallo zudem nicht infrage.

"Diese Zahl bezweifeln wir nicht, diese Zahl ist ja Fakt. Wir sehen auch, in welcher Situation wir sind und verschließen nicht die Augen davor. Aber, selbst wenn wir als Arbeitnehmerseite jetzt alles hergeben würden, verändert es nichts an den Themen, die der Konzernvorstand und der Markenvorstand zu verantworten haben."

Cavallo zeigte sich am Nachmittag auf der Pressekonferenz vor dem Werkstor damit deutlich diplomatischer als noch am Morgen bei ihrer Rede vor rund 10.000 Beschäftigten in der Halle 11 des Volkswagenwerks und weiteren 5000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vor der Halle, die die Veranstaltung auf Großbildleinwänden verfolgten. 

"Es geht uns darum, auf allen Ebenen im Gespräch zu bleiben. Dieses Thema, was wir jetzt bei VW erleben, darf ja nicht nur auf Volkswagen allein bezogen werden", so Cavallo.

Und weiter: "Wir sehen, dass es eine Deindustrialisierung gibt. Wir brauchen eine Politik, die dafür sorgt, dass es auch zukünftig Industriearbeitsplätze in Deutschland gibt. Wenn wir jetzt Werksschließungen und Stellenabbau zulassen, ist das eine Gefahr für ganz Deutschland."

Welche Standorte und welche Anzahl Jobs bei VW konkret gefährdet sind, sagte Cavallo nicht und teilte mit, der Vorstand habe ihr gegenüber lediglich "nicht ausgeschlossen, dass es den Fahrzeugbau oder die Komponentenstandorte treffen kann".

Dies sei aber nicht weiter spezifiziert worden. Ohnehin seien Diskussionen über Werksschließungen für die Betriebsratschefin überflüssig: "Wir reden nicht über Standortschließungen."

IG-Metall-Bezirksleiter Thorsten Gröger sagte den Beschäftigten von Volkswagen seine volle Solidarität zu und deutete an, dass sich der Konflikt mit dem Management noch deutlich verschärfen könne, sollte der Vorstand um CEO Oliver Blume an seinen Plänen festhalten: "Wenn das Unternehmen diesen Weg weiter verfolgt, muss das Unternehmen damit rechnen, dass es erbitterten Widerstand der Beschäftigten in Kauf nehmen muss."

Auch Streiks seien in der Konfrontation mit der Unternehmensspitze dann ein letztes Mittel, so Gröger: "Wenn wir nicht vorher zu Lösungen kommen, ist das eine Möglichkeit, die wir nicht ausschließen. Das Signal, das die Belegschaft heute gegeben hat, wird uns in den Verhandlungen den Rücken stärken."

Doch auch Thorsten Gröger setzt zunächst auf Gespräche: "Wir haben heute eingefordert, möglichst schnell an einen Tisch zu kommen." Sollten diese Verhandlungen allerdings ohne Ergebnis enden, droht die große Eskalation in Wolfsburg und an anderen Standorten.

Nicht nur wegen der im Herbst ohnehin anstehenden Tarifverhandlungen in der Metall- und Elektrobranche. Daniela Cavallo sagte: "Die Belegschaft ist bereit, da zu sein, wenn wir sie rufen."