Strategischer Fehler? Warum das Kölner Ford-Werk in Nöten ist

Ford steht in Europa mit dem Rücken zur Wand. In diesem Jahr wird sich entscheiden, ob die Kunden das neue Angebot an elektrischen Pkw annehmen – und ob das Werk in Köln eine Zukunft haben wird. In Saarlouis allerdings sind die Würfel schon gefallen – dort endet die Fahrzeugproduktion im vierten Quartal.

Die Erwartungen an den neuen elektrischen Hoffnungsträger Explorer wurden bislang nicht erfüllt. Ganz im Gegenteil: Der Absatz bleibt bislang weit unter dem notwendigen Minimum für eine kostendeckende Fertigung.

In der Branche gilt eine Auslastung von wenigstens 80 Prozent als Voraussetzung für eine kostendeckende Fertigung. In Köln dagegen liegt sie nach Angaben aus dem Unternehmensumfeld aktuell bei unter 20 Prozent. Zahlen nennt das Unternehmen allerdings nicht.
 

Für das Werk in Köln mit seinen derzeit noch gut 11.500 Mitarbeitern ist das ein Menetekel. Es könnte noch dicker kommen, als es die Ankündigungen von Arbeitsdirektor Marcus Wassenberg vom November schon sind.

2900 Stellen will die stark geschrumpfte Geschäftsführung abbauen, davon rund 600 in der Entwicklung. In den kommenden zwei Jahren sinkt damit die Zahl der Ford-Entwickler auf 1700. Ob damit in Köln noch die Fähigkeit bestehen bleibt, eigene neue E-Modelle zu entwickeln, ist fraglich. Ohne massive Unterstützung durch Dienstleister jedenfalls wäre ein solches Unterfangen aussichtslos.

Per Ende November sackten die Pkw-Verkaufe von Ford in der Europäischen Union um 14,0 Prozent ab auf 286.943 Einheiten. In Deutschland schrumpften die PKW-Verkäufe im gleichen Zeitraum um 14,8 Prozent auf 92.793 Fahrzeuge, im Gesamtjahr lag das Minus bei 14,6 Prozent. Inzwischen verkauft Toyota in Deutschland annähernd genau so viele PKW wie Ford.

Wenig ermutigend ist dabei vor allem die schwache Nachfrage nach den beiden neuesten Modellen Explorer und Capri. Der Explorer ist immerhin seit Juli verfügbar - und seither wurden in Deutschland nur 2609 Modelle der Elektro-Neuheit zugelassen. Das ist nur gut ein Zehntel des Focus und auch des Kuga, die beide auf jeweils mehr als 20.000 Einheiten kamen.

 

Das Problem des Explorer sind nicht seine umfangreiche Ausstattung und die von vielen Testern bestätigten Qualitäten – sondern sein Preis. Der startet bei 42.500 Euro. Dagegen beginnt die Verbrenner-Version des erfolgreichen Puma bei 28.900 Euro.

Vom Capri wurden in Deutschland per Ende November nur 152 Einheiten neu zugelassen. Das ist allerdings auch nicht verwunderlich, denn das neue Modell kommt erst Anfang diesen Jahres in alle Showrooms. Die bisherigen Zulassungen sind überwiegend Zulassungen von Händlern als Vorführwagen.

Ein Dilemma tut sich auf: Mit dem Explorer ist Ford im Kompaktsegment in eine Preisregion vorgedrungen, in der sich die Marke bislang nur bei ihren größten Modellen und im Sportsegment bewegte. Die meisten Kunden orderten bislang Modelle in günstigeren Segmenten.
 

Das Ziel, die Marke höher zu positionieren, hatte Ford immer wieder einmal ins Visier genommen, etwa mit der früheren Ausstattungslinie Vignale. Eine dauerhaufte Wertsteigerung der Marke wurde damit aber nicht erreicht.

Um sich mit den neuen E-Modellen höher zu positionieren, braucht der Hersteller Zeit, die er in Europa jedoch nicht mehr hat.

Zwar sollte der neue elektrische Puma GEN-E eine Antwort auf die Preisherausforderung werden. Doch mit einem Startpreis von 36.900 Euro ist zweifelhaft, ob das Modell diese Lücke füllen kann.

Fakt ist: Preislich rücken der Marke Ford im Elektro-Geschäft immer mehr Rivalen auf den Pelz . So hat etwa Renault mit dem R5 und bald mit dem R4 Elektromodelle für unter 25.000 Euro im Angebot.

Stellantis fährt mit dem Citroen e-C3 und dem kleineren Leapmotor T03 sogar noch günstigere Modelle auf den Hof und jüngst haben Hyundai mit dem Inster und Opel mit dem Frontera Electric gezeigt, dass der Wettkampf um günstige E-Autos Made in Europe voll entbrannt ist.

Ford ist in diesem Segment völlig blank und plant derzeit auch nicht die Entwicklung eines besonders günstigen "Elektro-Fiesta", wie das die Belegschaft in Köln seit langem fordert.

Tatsächlich ist das Werk in Köln Niehl für eine Kapazität von bis zu 200.000 Einheiten ausgelegt – wenigstens 80.000 Autos pro Jahr müssten aber wohl gebaut werden, um den bedeutenden Standort auf Dauer weiterzubetreiben.

So wundert es nicht, dass Ende November eine längere Kurzarbeitsphase angekündigt wurde. Und auch für das gesamte neue Jahr rechnet man in Köln-Niehl nicht mit der Rückkehr zur früheren Kapazität aus der Fiesta-Zeit. Die so genannte Tagesbaurate wurde von bislang 630 auf 480 Einheiten reduziert.