Renault will es mit Alpine wie Cupra machen: Kann das klappen?

Die Erfolgsstory von Cupra macht andere Autobauer neidisch - und animiert sie dazu, über eine eigene sportliche Nebenmarke mit hohem Renditepotenzial nachzudenken. 

Gute Chancen, es den Spaniern gleichzutun, rechnet sich Renaults Sportmarke Alpine aus. Gelingen soll das mit dem "Racing Spirit" der Marke, gepaart mit französischer Noblesse.

Treiber der Entwicklung ist Renault-CEO Luca de Meo, dem ein ähnliches Kunststück schon einmal gelang: Als früherer CEO von Seat gab er grünes Licht für den Ausbau der einstigen Rennsport-Baureihe Cupra (Cup Racer) zur eigenständigen Submarke.

Der Neid auf das spanische Vorbild kommt nicht von ungefähr. Die Spanier haben in den nur sechs Jahren ihrer Existenz gut 750.000 Fahrzeuge verkauft.

2024 wuchs die Marke in der EU um 10,3 Prozent auf 166.000 Einheiten. Der gesamte VW-Konzern kam nur auf 3,2 Prozent. In Deutschland verkauft Cupra inzwischen mehr Fahrzeuge als die Mutter Seat.

Von solchen Zahlen ist Alpine meilenweit entfernt: 2024 verkaufte die Marke in der EU ganze 3590 Autos, die meisten davon in Frankreich.

Der Erfolg in Europa machte Cupra zuletzt immer mutigiger. Markenchef Wayne Griffiths kündigte im November an, bis 2030 in den USA Fuß fassen zu wollen. Dazu führt er bereits Gespräche mit der großen US-Autohandelsgruppe Penske. 

„Das Ziel von Cupra ist es, eine globale Marke zu werden, und die Expansion in die Vereinigten Staaten ist einer der größten Meilensteine auf unserem Weg,“ verkündete Griffiths.

Solche Äußerungen werden auch in den Chefetagen der Renault-Group wahrgenommen. Ein hochrangiger Manager der Gruppe wird im Gespräch mit der Automobilwoche deutlich:  "Wir sehen natürlich den Erfolg von Cupra und wir sehen auch die Unterschiede zwischen Cupra und Alpine. Aber wir sehen auch das Potenzial von Alpine vor dem Hintergrund der Entwicklung von Cupra."

Die Perspektive, sich mit einer Sport-Marke auf dem US-Markt etablieren zu können, ist auch für die Franzosen attraktiv - denn bislang sind sie nur mit der Marke Renault in Südamerika vertreten. Wiederholt hatte Renault solche Pläne erörtert, bislang aber stets verworfen.

Mit der Nischenmarke Alpine wären die dafür notwendigen Investitionen überschaubar und die Risiken begrenzbar. Beim letzten Pariser Autosalon im Oktober vergangenen Jahres ließ Markenchef Philippe Krief durchblicken, dass er einen Start in den USA erwägt und ab 2027 für denkbar hält. 

Allerdings ist fraglich, ob diese Option angesichts der vom neuen US-Präsidenten losgetretenen Turbulenzen noch besteht.

Unabhängig von einem Start in den USA hat sich Alpine inzwischen auf den Weg gemacht, die französische Antwort auf Cupra zu werden. Die neuen, rein elektrischen Modelle A290 und der im Mai auf den Markt kommende A390 bedeuten nichts anders als: "Hallo Cupra, jetzt kommen wir!"

Zwar räumt man auch am Stammsitz von Alpine im französischen Dieppe ein, dass der Weg zu den Größenordnungen von Cupra steil ist. Denn anders als Cupra ist Alpine kein unbeschriebenes Blatt, das mit allen nur denkbaren Marketing-Slogans beschrieben werden kann. Das Unternehmen wird in diesem Jahr 70 Jahre alt. Und da schleppt man als Marke auch so manche historische Last mit.

So gilt die Manufaktur-Fertigung in Dieppe gilt als äußerst unwirtschaftlich. Zwar würdigen Auto-Enthusiasten die Marke noch immer als Leichtbau-Ikone, doch jedem ist klar, dass eine Submarke nur Chancen hat, wenn sie die Produktions- und die Vertriebspower ihres Mutterkonzerns nutzen kann. 

Ein Sonderweg mit handgefertigter Karosserie, wie ihn der A110 beschreitet, das einzige Verbrennermodell von Alpine, ist ein Garant für rote Zahlen. Auch beim Vorbild Cupra beruhen alle Modelle auf einer massenhaft produzierten Plattform und den technischen Baukästen des VW-Konzerns.

Anders als Cupra verfügt Alpine auch nicht über eine jugendliche Kundschaft - sondern im Gegenteil über in Würde gereifte Freunde außerordentlicher Automobile. Das gewünschte jugendliche Image muss sich Alpine zuerst noch erkämpfen - was bedeutet, erheblich in Marketing zu investieren.

Nicht zuletzt wird Alpine bislang mit ikonischen Verbrennermodellen identifiziert, während die Elektromobilität bei Alpine bislang keine Rolle spielte. Doch das ändert sich gerade.

Seit Dezember ist der Alpine 290 bestellbar, der sportliche Bruder des Renault R5. Beide wurden im Januar zusammen zum "Car of the Year 2025" gekürt - auch die Automobilwoche hatte den R5 bereits im Dezember zum "Auto des Jahres" gekürt.

Der A290 zielt exakt auf dieselbe Zielgruppe wie die Marke Cupra. Er ist als "Hot Hatch" konzipiert, mit bis zu 218 PS ordentlich motorisiert. So mancher Sportfahrer monierte allerdings, dass dem A290 der Punch fehle, um ernsthaft in der elektrischen Sportler-Ecke mitfahren zu können. 

Bei Alpine hat man die Botschaft verstanden und arbeitet längst an einer Antwort darauf. Der jüngste Sportler-Spross aus dem Hause Renault, der vor wenigen Tagen vorgestellte "R5 Turbo 3E", dürfte die Basis für einen wahrhaft elektrischen Boliden werden.

Der nächste Schritt von Alpine auf den noch weit entfernten Cupra-Gipfel ist der für Mai angekündigte Crossover A390. Er basiert auf der neuen AmpR-Plattform und nutzt die gleiche Plattform wie Nissans Top-Elektromodell Ariya. 

Während aber der Ariya als komfortabler Familien-Crossover gedach ist, will der A390 im Sportler-Lager verortet sein. Mit regulär 435 PS und optional bis zu 644 PS sollten keine Fragen mehr bezüglich seiner Performance offen sein. 

Sicher ist jedenfalls: Der A390 wird den einzigen elektrischen Cupra deutlich hinter sich lassen - den Cupra Born, der nach einer Modellpflege inzwischen als Top-Variante mit bis zu 326 PS bestellbar ist.

Antriebspower ist allerdings nur ein kleiner Teil eines Markenerlebnisses. Um auch im Verkauf und im Vertrieb auf Augenhöhe mit Cupra agieren zu können, müsste sich Alpine grundlegend neu aufstellen - und hohe dreistellige Millionenbeträge investieren.

Die Erfahrung vieler Alpine-Kunden außerhalb von Frankreich sind zwiespältig. Der quirlige Verbrenner-Sportler A110 begeistert, doch für viele hört der Spass beim miserablen Servicenetz auf. In den Alpine-Foren wimmelt es von Klagen über weit entfernte Werkstätten, fehlende Ersatzteile und teilweise wenig kompetente Schrauberei.

Alpine hat die Chance, sich als sportliche Elektromarke in Europa zu etablieren. In den USA dagegen würde die Marke vermutlich mangels Bekanntheit schnell wieder untergehen.

Voraussetzung für einen Aufstieg sind aber erhebliche Investitionen nicht nur in weitere überzeugende Modelle, sondern auch in den Vertrieb und den Service. Wesentlich stärker müsste Alpine in Ländern wie Deutschland, Großbritannien, Italien und der Schweiz präsent sein, in denen es große Zielgruppe für potente kompakte Autos gibt.

Zudem besteht das Risiko, dass die Marke noch vor ihrer Etablierung missbraucht wird als bloße Begründung für eine "Alpine-Line" im Portfolio der Volumenmarke Renault. Die Verlockung ist groß, auf diesem Weg mit ein paar schicken Nähten und blauer Lackierung gute Erträge einzufahren.

Ein solches Schicksal hat die 1955 von Jean Rédélé in Dieppe gegründete Marke aber nicht verdient. Schließlich ist Alpine die einzige französische Marke, die eine echte Sportlervergangenheit hat.