Blume gewinnt den Machtkampf – doch das Porsche-Beben ist noch nicht vorüber

Als Oliver Blume (56) im September 2022 seinen Job als VW-Konzernchef antrat, war die Aufbruchstimmung förmlich zu greifen. Seine zupackende Art und sein Optimismus begeisterten Mitarbeiter wie Managerkollegen.

Vier Wochen später läutete er gemeinsam mit Finanzchef Lutz Meschke (58) die Glocke für den Börsengang der Tochter Porsche, die er in Doppelfunktion führt. Es war der vorläufige Höhepunkt in Blumes Karriere. Von einem historischen Tag und einem auch persönlich sehr emotionalen Moment schwärmte er.

Berauscht vom Erfolg inszenierte die PR-Abteilung die beiden fußballbegeisterten Manager als "dynamisches Doppel" mit Hochglanzbildern in einem Stadion. Beide arbeiten seit über einem Jahrzehnt im Porsche-Vorstand zusammen und haben den Sportwagenbauer zu immer neuen Erfolgen geführt.

"Wir wissen, dass wir uns aufeinander verlassen können", sagte Blume in dem Interview, das im Geschäftsbericht veröffentlicht wurde. "Das perfekt eingespielte Vorstandsteam treibt die Bälle nach vorn", gab Meschke zurück. Es war das Bild von der perfekten Harmonie, das nach außen gesendet wurde.

Jetzt aber will der Aufsichtsrat den Vertrag mit Meschke, der bis 2027 gelaufen wäre, vorzeitig auflösen. Selbst engste Mitarbeiter waren von der zuvor veröffentlichen Ad-hoc-Meldung überrascht worden. Unklar ist noch, was aus Meschkes Posten als Vorstand für Beteiligungsmanagement bei der Dachgesellschaft Porsche SE wird. Sein Vertrag war erst vor einem Jahr bis 2030 verlängert worden.

Auch Vertriebschef Detlev von Platen muss gehen. Es ist der größte Vorstandsumbau seit zehn Jahren. Und er wirkt alles andere als von langer Hand vorbereitet.

Während von Platen für das schwache China-Geschäft verantwortlich gemacht wird, liegen die Dinge bei Blume und Meschke komplizierter. Hier geht es um das Netz von Macht und Intrigen, an denen schon viele Manager im VW-Konzern gescheitert sind.

"Irgendwann war das Vertrauen zwischen den beiden weg", sagt ein Insider in Wolfsburg, ohne den Zeitpunkt für den Bruch benennen zu können. Neben dem Börsengang, der den Druck auf Porsche deutlich erhöhte, dürfte auch die Ämterverflechtung von beiden Top-Managern eine wesentliche Rolle gespielt haben.

So ist Blume gut in Wolfsburg beschäftigt. Die ständige Abwesenheit des Chefs führte dazu, dass Meschke immer öfter als das Gesicht von Porsche auftrat, beispielsweise den Deal zwischen Rimac und Bugatti praktisch im Alleingang einfädelte.

Zwar äußerte er offiziell nie Ansprüche auf den Chefposten. Doch sein selbstbewusstes Auftreten, sein strategischer Weitblick und der Einsatz für die gesamte Autoindustrie machten ihn zum natürlichen Anwärter für die Nachfolge von Blume, sollte sich dieser auf seinen Posten im VW-Konzern konzentrieren wollen. 

Nicht nur mit den vermeintlichen Ambitionen auf den Chefposten eckte Meschke an. Er ist als zuweilen unbequemer Zeitgenosse bekannt, der seine Meinung auch gegenüber den Eigentümerfamilien Porsche und Piëch forsch formuliert.

In seiner Rolle als Vorstand für Beteiligungsmanagement soll er wiederholt die Strukturen und die mangelnde Profitabilität in Wolfsburg kritisiert haben – und damit indirekt auch seinen eigenen Chef Blume.

Im Gegenzug wurde aus Konzernkreisen die Geschichte über Meschkes undurchsichtige Immobiliengeschäfte in Kitzbühel an Journalisten durchgesteckt. Auch der 250 Millionen Euro teure Kauf der MHP-Anteile von Gründer Ralf Hofmann, mit dem Meschke persönlich befreundet sein soll, löste nicht gerade Begeisterung aus. 

Ebenso umstritten ist der Einstieg beim Fußball-Bundesligisten VfB Stuttgart, den Meschke mit Einfluss im Aufsichtsrat des Vereins verknüpfte, was bei Fans nicht gut ankam.

Meinungsverschiedenheiten soll es auch über den vor Weihnachten erzielten Kompromiss im Tarifstreit der Kernmarke VW gegeben haben. Während sich Blume für das "Weihnachtswunder von Hannover" feiern ließ, löste das Paket bei Meschke Kopfschütteln aus. Von der zuvor angekündigten Schließung von bis zu drei Werken war am Ende keine Rede mehr.

Stattdessen hieß es, wie im Fall von Osnabrück, lediglich, man wolle "alternative Optionen" prüfen. Trotzdem sollen die Kapazitäten in Deutschland bis 2030 um 734.000 Einheiten reduziert werden – mit diesen Vorgaben ein Ding der Unmöglichkeit.

Meschke soll das Sparpaket offen angeprangert haben, was bei Blume für Irritation sorgte. Dass Meschke mit seinen Befürchtungen richtig lag, zeigen die schwierigen Verhandlungen zur neuen Planungsrunde, bei der die Belegung der Werke für die nächsten Jahre entschieden wird. Sie hätte längst über die Bühne gehen sollen. 

Nun muss nachjustiert werden, um die Ziele für die Profitabilität doch noch erreichen zu können. Bis Ende April, so ist zu hören, will Blume die Entscheidungen festgezurrt haben.

Mit dem Abgang von Meschke hat Blume den internen Machtkampf für sich entschieden – zumindest vorerst. Damit gewinnt er Zeit, um den anstehenden Vorstandsumbau bei Porsche einzuleiten.

Nach Jahren der Kontinuität haben auch Entwicklungschef Michael Steiner (60), Beschaffungsvorständin Barbara Frenkel (61), Personalchef Andreas Haffner (59) und Produktionschef Albrecht Reimold (63) ein Alter erreicht, in dem eine weitere Vertragsverlängerung unwahrscheinlich wird. 

Schon länger wird daher ein Generationenwechsel in Zuffenhausen erwartet. Lediglich Digital-Vorstand Sajjad Khan (51) gilt für die nächsten Jahre als gesetzt.

Nicht zuletzt könnte der Umbruch auch Blume selbst erfassen. Seit seinem Amtsantritt in Wolfsburg kritisieren vor allem Aktionärsvertreter wie Ingo Speich von Deka Investment die Doppelrolle von Blume als "Teilzeit-Führungskraft" und warnen vor negativen Auswirkungen auf den Aktienkurs, da die Regeln der Corporate Governance durch die vielen Verflechtungen beider Unternehmen missachtet würden.

Das Porsche-Papier hat seit dem Hoch im Frühjahr 2023 praktisch die Hälfte seines Werts verloren. Während Blume stets betonte, dass die Konstellation gut funktioniere und dies mit den Erfolgen von Porsche belegte, gehen ihm angesichts der Krise des Sportwagenbauers nun die Argumente aus.

Vor allem in China kämpft das Unternehmen mit ungewohnten Problemen. Die Absatzzahlen sind 2024 im Vergleich zum Vorjahr um fast 30 Prozent eingebrochen. Auf dem stark wachsenden Elektromarkt findet der Sportwagenbauer bisher so gut wir gar nicht statt. 

Die Modellpolitik soll nun schleunigst angepasst werden – statt voll auf Elektro setzt Porsche nun auf einen Mix aus Verbrenner, Plug-in-Hybrid und rein elektrischen Fahrzeugen. Dazu werden die kommenden Plattformen nochmals neu gedacht.

Auch in diesem Jahr rechnet Blume mit keiner wesentlichen Erholung, im Gegenteil: Absatz, Umsatz und Gewinn könnten erneut niedriger ausfallen. Die Kostenstrukturen sollen daher auf einen angenommenen Absatz von rund 250.000 Einheiten angepasst werden. Zum ersten Mal seit vielen Jahren droht sogar ein Stellenabbau. 

Zwar mag in dieser Phase Stabilität die größte Priorität für das Unternehmen haben, weshalb das Thema Doppelbelastung in der Aufsichtsratssitzung vom Donnerstag ausgeklammert wurde. "Aber dass diese Rolle nicht auf Dauer funktionieren kann, ist offensichtlich", sagt ein Manager, der anonym bleiben will.

Wie zu hören ist, soll Aufsichtsratschef Wolfgang Porsche Blume den Auftrag gegeben haben, bis April Vorschläge für eine eventuelle Nachfolge für den Chefposten in Zuffenhausen zu machen. Die Übergabe könnte dann noch in diesem Jahr über die Bühne gehen – zusammen mit weiteren Veränderungen im Porsche-Vorstand.

In den Spekulationen für die Blume-Nachfolge fallen Namen wie Klaus Zellmer, der aktuelle Skoda-Chef. Aber auch Peter Bosch von der Software-Tochter Cariad oder Stefan Weckbach, derzeit Chefstratege des VW-Konzerns, kursieren in der Stuttgarter Zentrale. 

Sie alle kennen Porsche gut und bringen internationale Erfahrung mit. Die berufliche Eignung ist aber nur eine der Voraussetzungen für den Job. Die wichtigste dürfte sein, ob sie das volle Vertrauen von Wolfgang Porsche und Oliver Blume genießen.