Kaufprämie nur für deutsche Elektroautos: Ist das sinnvoll?

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hat seine Forderung nach einer Rückkehr der Kaufprämie für Elektroautos präzisiert und eine Möglichkeit, die Prämie ausschließlich für Fahrzeuge von deutschen Herstellern zu zahlen, als "sinnvoll" bezeichnet.

Im Gespräch mit der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung sagte Weil: "Die damalige Verkaufsförderung hatte eine stetige Zunahme der Elektromobilität zur Folge. Daran wieder anzuknüpfen, hielte ich politisch für ausdrücklich richtig. Eine spürbare Entlastung der Privatkundinnen und -kunden ist mir wichtiger als Förderungen für Dienstwagenflotten."

Und auf die Frage nach einer möglichen "Germany first"-Lösung für die aktuelle Krise bei Volkswagen ergänzte der Ministerpräsident: "Ja, das wäre sinnvoll, insbesondere vor dem Hintergrund der gleichzeitig von der EU-Kommission erwogenen Strafzölle für chinesische Produkte. Dafür müssen wir Lösungen finden, die dem europäischen Wettbewerbsrecht entsprechen."

Die Überlegung des SPD-Politikers klingt dabei denkbar einfach: 2023 wurden in Deutschland 524.000 E-Autos neu zugelassen, davon allerdings 45.818 Tesla Model Y, 15.864 Tesla Model 3 und 13.263 MG4, sowie 22.608 Fiat 500 E. Kurz vor Weihnachten 2023 entfiel dann völlig überraschend die Kaufprämie für Privatkunden.

Nach Weils Vorstellung würde sie jetzt wieder eingeführt, aber dann nicht für die Marktführer-Modelle von Tesla, sowie die ebenfalls in den Top 5 vertreteten MG4 (aus China), sowie den Fiat 500 E (aus Italien) gelten.

Stattdessen würde Volkswagen (85.088 verkaufte ID.4 in 2023) profitieren. Der krisengeplagte Wolfsburger Konzern würde einen enormen Absatzschub erhalten, die Werke besser ausgelastet und gleichzeitig das akut gefährdete E-Auto-Ziel von 15 Millionen BEV-Modellen bis 2030 auf deutschen Straßen wieder in Reichweite rücken.

Doch so einfach ist es nicht.

Bei seiner Positionierung zur Kaufprämie spricht Weil die größte Hürde selbst an. Eine Kaufprämie nur für deutsche Modelle müsse dem EU-Wettbewerbsrecht entsprechen. Nur: Es ist keine Lösung bekannt, nach der das annähernd denkbar wäre.

Ausländische Hersteller auf dem deutschen Markt würden umgehend in Brüssel vor der EU-Wettbewerbskommission wegen eines behinderten freien Marktzugangs klagen und problemlos recht bekommen. "Bevor ein Heimvorteil daraus auch nur entstehen könnte, hätte die Bundesregierung schon Post aus Brüssel", sagt ein langjähriger Marktbeobachter der Automobilwoche angesprochen auf den Weil-Vorstoß.  

Dazu kommt: Was ist überhaupt eine "Germany First"-Lösung? Elektroautos von deutschen Herstellern? Die könnten aber durchaus auch im Ausland produziert werden, wie im Fall von VW das Elektromodell Enyaq der Konzernmarke Skoda im tschechischen Stammwerk in Mlada Boleslav. Wäre dies dann also von einer Förderung ausgenommen?

Und was ist mit Fabriken in Deutschland, die ausländische Hersteller betreiben? Wird ein Ford Explorer aus dem Werk in Köln mit der Kaufprämie subventioniert? Erhält Teslas Marktführer Model Y die Prämie, wenn er das Elektro-SUV in Grünheide baut, aber nicht, wenn er den Stromer aus Schanghai importiert?

Nur angenommen, die EU-Rechtsexperten der Bundesregierung würden einen Weg finden, eine Kaufprämie mit dem Europarecht in Einklang zu bringen: Wie sich eine Kaufprämie im Bundeshaushalt finanzieren lassen soll, ist völlig offen.

Rückblick: 2016 hatte die Bundesregierung unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) die Kaufprämie eingeführt, um den E-Auto-Absatz anzukurbeln. Bis zu 6000 Euro waren für Privatkäufer drin. Wie das Wirtschaftsministerium Ende 2023 bekanntgab, wurden in den sieben Jahren mit der Prämie so etwa zehn Milliarden Euro Förderung für 2,1 Millionen elektrifizierte Fahrzeuge ausgezahlt.

Doch inzwischen klaffen große Lücken im Haushalt der noch amtierenden Ampel-Regierung, die Ende 2023 auch für das Aus der Förderung gesorgt hatten. Ein Aufweichen der Schuldenbremse im Bundeshaushalt für 2025 lehnt FDP-Finanzminister Christian Lindner zudem ab. Für eine Rückkehr der Kaufprämie fehlen schlicht die Mittel, oder der Konsens innerhalb der Ampel-Regierung, die Mittel dafür zu schaffen.

EU-Recht und Kosten lassen eine Kaufprämie für deutsche E-Autos schon äußerst unwahrscheinlich werden. Aber auch bei der Wirksamkeit des Prämieneffekts gibt es Bedenken.

Denn Kaufanreize stimulieren Märkte immer noch kurzfristig und für die Dauer der Prämie. Wie lange soll die E-Auto-Prämie diesmal gezahlt werden? Und wann endet sie? Und was machen die Hersteller, wenn dann wie Ende 2023 die Prämie akut endet und die Nachfrage in Deutschland in Folge massiv einbricht? 

Dazu erstreckt sich die Krise in der deutschen Automobilindustrie bei weitem nicht nur auf Hersteller. Auch die Zulieferer kämpfen mit der Marktsituation und planen Werksschließungen und Stellenabbau. Von einer Kaufprämie profitieren sie nur indirekt. 

Gleiches gilt für den kompletten Automotive Aftermarket in Deutschland, der durch die Transformation schon jetzt von Gewinneinbrüchen betroffen ist. Bis 2030 sollen sich die entgangenen Gewinne auf rund sieben Milliarden Euro summieren, analysiert die Unternehmensberatung Berylls.

In einer früheren Version dieses Textes hatten wir die Zulassungszahlen ausländischer Elektroautos in Deutschland im Jahr 2023 nicht zutreffend dargestellt. Angegeben waren die Werte aus ganz Europa, nicht ausschließlich vom deutschen Markt. Wir haben den Fehler korrigiert.