China: Mit diesen Elektro-Konzepten wollen Audi, BMW und Mercedes die Wende schaffen

Wer auf dem größten Automarkt der Welt auch künftig eine Rolle spielen will, braucht zwingend den Erfolg in der Elektromobilität. Davon sind die deutschen Premiummarken aktuell weit entfernt: BMW lag in China 2024 bei einem Elektro-Marktanteil (BEV und Plug-ins) von 0,9 Prozent, Mercedes-Benz bei 0,3 Prozent, Audi bei 0,2 Prozent und Porsche im nahezu nicht mehr messbaren Bereich.

Nicht zuletzt aufgrund der Schwäche seiner Premium-Töchter Audi und Porsche bringt es die VW Group laut Zahlen der Beratungsgesellschaft AlixPartners 2024 auf einen Marktanteil von gerade mal 1,9 Prozent.

Die deutschen Premiumhersteller setzen nun voll auf die zweite Welle. Bei BMW heißt die Antwort Neue Klasse, bei Mercedes muss es die brandneue MMA-Plattform mit dem CLA als erstes Modell richten, und Audi bringt mit AUDI gar eine eigene Elektroauto-Marke in China an den Start.

Die Zielsetzungen der deutschen Premiummarken lesen sich wie eine konzertierte Aktion. Sowohl BMW und Audi als auch Mercedes-Benz rücken stark das Interesse chinesischer Käufer in den Vordergrund und fokussieren ihre Aktivitäten auf die Inhalte des Software-definierten Fahrzeugs (SDV) mit den Kernfeldern „Autonomes Fahren“, „Connected Vehicle“, „Infotainment & Cockpit“ und „Vehicle Motion & Energy“.

Auch räumen die deutschen Hersteller inzwischen unumwunden ein, trotz ihrer jahrzehntelangen Marktpräsenz in China die dortigen Kundenwünsche nicht ausreichend verstanden zu haben. Das soll sich rasch ändern. Am deutlichen wird dies daran sichtbar, wie massiv Kapazitäten in Forschung und Entwicklung nun nach China verschoben werden.

So hat BMW im Frühjahr 2024 bekannt gegeben, rund 2,6 Milliarden Euro zusätzlich in Forschung und Entwicklung am Standort Shenyang zu investieren, wo ab 2026 die Neue Klasse und auch die Batterien für den neuen Wunder-Stromer der Münchner gebaut werden. Anfang September war es dann Mercedes-Benz, der ein zusätzliches Investitionspaket von 1,6 Milliarden Euro ankündigte.

Bei BMW wähnt man sich mit der Einführung der zonalen Architektur unter den klassischen Autoherstellern ganz vorne und auf Augenhöhe mit IT- und Tech-Unternehmen wie Nio, Xpeng oder Huawei.

"Unsere Softwareplattformen im Fahrzeug und in der Cloud haben wir in den letzten Jahren konsequent so weiterentwickelt, dass es uns mit der Neuen Klasse noch besser gelingen wird, in höherer Frequenz verbesserte und neue digitale Funktionen over the air in die Fahrzeuge zu bringen", sagt Christoph Grote, der bei der BMW Group den Bereich Electronics und Software verantwortet.

Technologisch verspricht BMW mit der Neuen Klasse keine Evolution, es ist von Revolution die Rede. Durch das komplett neu entwickelte E-Antriebskonzept Gen6 soll sich Effizienz, Reichweite und Ladegeschwindigkeit um 20 bis 30 Prozent gegenüber aktuellen BMW-Modellen verbessern.

Während man bei BMW den Start der Neuen Klasse in China aus einer relativen Position der Stärke angeht, ist der Handlungsdruck von Mercedes bei der Elektromobilität deutlich höher. EQS und EQE verkaufen sich als Limousinen schlecht, selbst die elektrischen SUVs treffen den Geschmack der Kunden nicht oder sind schlicht zu teuer.

Daher muss es der neue CLA richten. Technologisch ist das Auto über alle Zweifel erhaben. Mit einer Reichweite von über 750 Kilometern und einer Schnellladefähigkeit, die in 15 Minuten weitere 400 Kilometer ermöglicht, muss sich das Auto vor der chinesischen Konkurrenz nicht verstecken.

Das stärkste Argument aber ist die Effizienz. So spricht Mercedes-Chef Ola Källenius gerne vom Ein-Liter-Auto der Elektromobilität. Denn mit einem realistischen Verbrauch von 12 kWh auf 100 Kilometer zählt der CLA zu den sparsamsten Elektroautos, die es derzeit gibt.

Und das bei einem Innenraum, der verdächtig nah an den der höher positionierten C-Klasse rückt. Mit dem neuen Betriebssystem MB.OS lässt sich das Fahrzeug zudem stärker auf lokale Geschmäcker abstimmen als jemals zuvor. Neben dem Design wird auch das neue Infotainment entscheidend sein. "Wenn der Kunde Karaoke will, dann bekommt er das auch", kündigte Källenius an.

Mercedes hat seine Entwicklungskapazitäten in China zuletzt deutlich ausgebaut. Im vergangenen Jahr wurde ein neues Zentrum für Forschung und Entwicklung in Schanghai eröffnet.

In Peking sind inzwischen 2000 Mitarbeiter damit beschäftigt, lokale Lösungen in die Autos zu bringen. Dafür geht Mercedes Partnerschaften ein. Als Beispiele nennt Entwicklungschef Markus Schäfer den Technologiekonzern Tencent und den Computerspiel-Riesen EA Sports.

Audis Elektroauto-Zukunft in China soll in den Händen der im vergangenen November aus der Taufe gehobene China-Submarke AUDI liefern. Mit der ganz auf China fokussierten Marke, bei der der Premiumhersteller auf das ikonische Logo mit den vier Ringen verzichtet, zielt man auf junge chinesische Käufergruppen.

Um schnell konkurrenzfähige Fahrzeuge auf den Markt zu bringen, baut man auf eine enge Partnerschaft mit SAIC, wobei die Chinesen die Technologieplattform und die Software-Kompetenz beisteuern.

Dabei kann Audi auf eine bereits bestehende Technologieplattform von IM Motors zurückgreifen. Hinter dem ambitionierten Elektroauto-Start-up steckt ein Joint Venture von SAIC, Zhangjiang Hi-Tech und dem Internet-Riesen Alibaba.

IM Motors hat auch bereits ein Fahrzeug auf der Straße, das die Technologieplattform nutzt. Anders, räumt man in Ingolstadt ein, wäre es auch gar nicht möglich gewesen, die China-Marke AUDI innerhalb von nur zwei Jahren auf den Markt zu bringen.

Freilich bemüht man sich, den Eindruck zu vermeiden, man greife für die neue Marke auf ein fertiges Produkt zurück und verweist auf die eigene Entwicklungsleistung, um die neue Marke qualitativ auf Audi-Niveau zu bringen.

In der starken Ingenieursfraktion in Ingolstadt mit seinen 10.000 Entwicklern verfolgt man indes mit einigem Argwohn, wie sehr sich der Autobauer bei der neuen Marke auf die technologische Expertise der Chinesen stützt. Sauer ist dort aufgestoßen, dass CEO Gernot Döllner die eigenen Entwickler intern reichlich unverblümt als zu langsam und zu teuer bezeichnet hatte.

Die spannende Frage ist nun, ob die deutschen Premiumhersteller mit ihrem zweiten Anlauf in der Elektromobilität zurück in die Wachstumsspur finden. Ein hartes Stück Arbeit wird das allemal. Aktuell balgen sich mehr als 160 E-Auto-Marken um die Gunst der Käufer, der Preiskampf ist gnadenlos, die Überkapazitäten hoch.

Wie Xing Zhou, Partner bei AlixPartners, sagt, macht aus dieser Hersteller-Armada gesichert nur ein Unternehmen Gewinn. Dabei soll es sich um Li Auto handeln. Noch befinde man sich in einer Phase, in der die E-Auto-Marken von den jeweiligen Regionen wirtschaftlich gestützt werden. Diese neigt sich aber dem Ende zu. Zhou wie auch andere Marktbeobachter erwarten, dass spätestens in zwei Jahren ein knallharter Ausleseprozess – Play-offs nennt er das – einsetzt, an dessen Ende zehn bis 15 Unternehmen übrig bleiben. Für die wirtschaftlich unabhängigen deutschen Hersteller ist das eine positive Nachricht.