"Die Deutschen sind oft zu langsam": Mit diesen Hebeln will BYD jetzt Europa-Wachstum erzwingen

BYD ist zum größten Autobauer in China aufgestiegen. 2024 schnellten die Verkäufe um 41 Prozent auf 4,27 Millionen Einheiten in die Höhe. In Europa jedoch spielt der Hersteller bislang nur eine Statistenrolle.

Damit will sich Vizepräsidentin Stella Li, zuständig für das gesamte Europa- und Amerikageschäft, nicht zufriedengeben. Nach den fest projektierten zwei Werken in Europa erwägt sie mittelfristig ein drittes europäisches Fertigungswerk – und als notwendige Ergänzung eine eigene Batterie-Gigafactory.

In einem Frankfurter Hotel kommt Li eine halbe Stunde später als geplant in ein Meeting mit Journalisten. Sie setzt sich mit selbstbewusstem Lächeln an den Konferenztisch. In ihren Händen spielt sie ab und zu mit ihrem in eine golden glitzernde Hülle eingepackten Smartphone – China-Style.

"Wir sind aggressiv, und wir sind sehr innovativ", beschreibt Li die Strategie des Herstellers. Bei allem, was BYD unternehme, sei man sehr schnell – jedenfalls deutlich schneller als die Europäer. "Wir lieben die deutsche Kultur. Wir sind genauso detailverliebt wie sie, aber die Deutschen sind oft zu langsam."

Li hat auch eine Antwort auf die Frage parat, warum die deutschen Hersteller in China zurzeit so stark unter Druck stehen. "Sie wurden langsam, seitdem die Kunden mehr EVs und mehr Technologie erwarten. Sie sind nicht voll auf BEVs fokussiert. Dadurch verlieren sie Zeit." Doch noch sei es nicht zu spät. Schließlich könnten die Europäer ja mit chinesischen Herstellern kooperieren, fügt sie lächelnd hinzu.

Allerdings läuft es auch für BYD nicht überall rund. Europa-Manager Michael Shu peilte sogar noch vor dem für Ende 2025 geplanten Beginn der Produktion im ungarischen Werk Szeged einen Anteil am BEV-Pkw-Markt von fünf Prozent an. Das hätte 2024 rund 70.000 Einheiten entsprochen. Tatsächlich wurden es knapp 50.000.

Für Li ist das aber kein Misserfolg, sondern Ansporn. Durch eine Intensivierung der lokalen Fertigung, durch eine Neuaufstellung des Vertriebs und vollen Marketingeinsatz soll BYD zu einem gewichtigen Spieler in Europa werden.

Konkrete Marktanteilsziele nennt Li zwar nicht mehr. Weniger ehrgeizig ist sie aber nicht. "Wir erwägen ein drittes Werk in Europa. Die Entscheidung darüber werden wir in eineinhalb bis zwei Jahren treffen", kündigt sie an. Wann und wo dieses Werk seine Produktion aufnehmen wird, ließ sie offen.

Das derzeit im Bau befindliche Werk in Szeged werde Ende des Jahres die Produktion starten und in einer ersten Phase eine Jahreskapazität von 150.000 Einheiten erreichen, dann in einer zweiten 300.000.

Etwa das gleiche Produktionsvolumen soll das fest geplante Werk in der Nähe von Izmir in der Türkei aufweisen, dessen Inbetriebnahme für "Mitte 2026" geplant ist. "Wir haben große Erwartungen an den türkischen Markt", sagt Li. Die Fertigung dort erlaube es auch, ohne Zollhürden in den EU-Markt zu exportieren.

Auch in anderen Weltregionen baut BYD derzeit erhebliche Produktionskapazitäten auf. In Brasilien übernahm der chinesische Hersteller in Camaçari ein von Ford aufgegebenes Werk. In Thailand startete bereits im vergangenen Juli die Fertigung in einem neuen Werk in Rayong, und im Januar begann die Produktion in einem Werk in Usbekistan.

Auf die Frage, woher ihr Optimismus für den Verkauf von künftig bis zu 600.000 oder gar knapp einer Million in Europa produzierter Fahrzeuge stamme, verweist die BYD-Vizechefin zunächst einmal auf den extrem harten Wettbewerb auf dem Heimatmarkt. Dies mache BYD noch stärker.

"In China gibt es mehr als 200 Automarken. Das werden künftig deutlich weniger sein, und wir sind uns sicher: BYD wird zu den Überlebenden zählen." Mit dem Verschwinden etlicher Marken in China werde auch die Zahl der chinesischen Wettbewerber in Europa geringer. "Es ist unmöglich, dass in Europa 20 oder mehr chinesische Marken auf Dauer existieren."

Ein entscheidender Hebel für mehr Absatz in Europa sei der geplante Netzausbau, fügt Li hinzu. In Deutschland hat BYD derzeit rund 25 Verkaufsstützpunkte. Bis zum Jahresende sollen es mindestens 120 sein. Bei der Suche nach Handelspartnern sei BYD sehr wählerisch, betont sie. "Wir brauchen gute Händler und gute Standorte. Beides ist wichtig."

Der Netzausbau sei aber nicht der einzige Hebel. "Wir wissen, dass eine hervorragende Qualität und ein hervorragendes Aftersales-Geschäft Voraussetzung für den Erfolg in Europa sind." Dieses Vertrauen werde sich BYD durch höchste Produkt- und Servicequalität erringen. "In Deutschland ist schließlich jeder Kunde ein kleiner Ingenieur."

Einen weiteren Hebel für steigende Marktanteile sieht Li im Ausbau des Produktportfolios. Der Konzern übernahm im vergangenen Jahr die letzten Anteile an dem einstigen Joint Venture Denza, das 2010 gemeinsam mit Mercedes gegründet worden war.

BYD will Denza nun auch in Europa als Premiummarke positionieren. Ihren ersten Auftritt in Europa wird die Marke auf der Mailänder Design Week vom 7. bis 13. April haben. Danach sollen bereits die ersten Showrooms in Italien eröffnet werden.

"Wir nutzen bei Denza die gleiche Technologie wie bei der Marke BYD. Denza wird aber noch mehr Technologie haben, und sie wird eine noch ausgeprägtere Designmarke sein", beschreibt Li die Eckpfeiler. Denza werde eine eigene Händlerstruktur in Europa erhalten und erfordere eigene Showrooms. Möglich sei aber ein paralleles Angebot zur Marke BYD.

Schließlich erwäge BYD auch, seine elektrischen leichten Nutzfahrzeuge nach Europa zu bringen, sagt Li. "Wir werden noch in diesem Jahr mit einem Modell starten und in den nächsten drei Jahren weitere Modelle in Europa anbieten." Einzelheiten zu den Fahrzeugen und geplanten Märkten nennt sie nicht.

Die Pläne der Europa-Chefin in die Realität umsetzen soll unter anderem Maria Grazia Davino. Die Italienerin verantwortet seit Kurzem das Geschäft in der DACH-Region, in Tschechien und Polen.

Die frühere Stellantis-Managerin schlug im Rahmen der Automobilwoche-Konferenz leisere Töne an als ihre Chefin. "Wir wollen Europa nicht erobern, sondern bereichern", gab sich Davino bescheiden. Ihre Hauptaufgabe ist der Aufbau des Händlernetzes.

Das hätte BYD schon im vergangenen Jahr gebraucht, als die Marke durch das Sponsoring der Fußball-Europameisterschaft in aller Munde war, aber niemand einen Showroom fand.

Apropos Produkte: Geht es um ihre Fahrzeuge, wird Davino deutlicher. Auf die Frage, warum jemand einen BYD und keinen VW kaufen soll, antwortet sie selbstbewusst: Einen BYD zu fahren sei "wie ein iPhone" zu haben. Es muss ja nicht unbedingt so golden glitzern wie das ihrer Chefin.