Analyse: Woran BMW, Mercedes und Porsche in China leiden

Es ist noch nicht lange her, da demonstrierte Mercedes-China-Vorstand Hubertus Troska mal wieder grenzenlose Zuversicht für den wichtigsten Markt der Stuttgarter. „Ich bleibe Optimist, die Wirtschaft wird auch wieder anziehen”, sagte er im April auf der Autoshow in Peking.

Dabei sprechen die Zahlen eine andere Sprache. Nach einer Auswertung des Datendienstleister Marklines ging der Absatz von Mercedes in China von Januar bis Juli um acht Prozent auf 403.725 zurück. Schon 2023 herrschte Stagnation. Jetzt schockte der Autobauer die Börsen mit einer Gewinnwarnung.

Besonders bitter sind die Rückgänge in China bei den teuren Modellen, die in der Vergangenheit für die guten Margen gesorgt haben. Die S-Klasse fiel von 13.824 auf 11.572 Einheiten, auch andere Verbrenner wie G-Klasse oder GLS SUV samt AMG-Varianten verzeichnen teils deutliche Rückgänge.

Bei den Elektrofahrzeugen ist die Bilanz katastrophal. Von dem mit großen Hoffnungen gestarteten Luxus-SUV EQS Maybach hat Mercedes laut Marklines in den ersten sieben Monaten des Jahres fünf Exemplare aus Tuscaloosa nach China verschifft. Auch der in Sindelfingen gefertigten EQS (von 1268 auf 615 Einheiten gefallen) sowie das zugehörige SUV wird von den Kunden abgestraft.

Es ist vermutlich nur ein schwacher Trost, dass es bei BMW und Audi auch nicht besser läuft. Auch die Münchner hatten wegen der schwachen China-Zahlen jüngst eine Gewinnwarnung herausgegeben. Anders als Mercedes ist BMW etwas großzügiger bei Rabatten. Trotzdem bleibt der Siebener hinter der S-Klasse zurück.

Selbst das Erfolgsmodell X3 verkaufte sich schlechter. Auch der A8 von Audi hat traditionell einen geringeren Marktanteil als die S-Klasse. Inzwischen laufen aber auch frühere Bestseller wie der Q5 (minus 15 Prozent in den ersten sieben Monaten) in der Langversion nicht mehr von selbst.

Ganz übel hat es Porsche erwischt. Beim Stuttgarter Sportwagenbauer beträgt das Minus mit 31.201 verkauften Einheiten verglichen mit den ersten sieben Monaten des Jahres 2023 sogar 37 Prozent.

Auch Porsche versucht sich der Rabattschlacht auf dem chinesischen Markt mit der Strategie des „wertschaffenden Wachstums“ zu entziehen. Dafür sinken die Stückzahlen rapide. Jetzt soll der bisherige Deutschland-Chef Alexander Pollich den Markt auf Vordermann bringen und die nervösen Händler beruhigen, die keine Autos mehr verkaufen.  

Ein Hauptgrund für die akute Schwäche ist die derzeitige Immobilienkrise in China, die auch die betuchte Klientel in den Städten hart trifft. Viel Geld wurde verbrannt, weshalb statt Konsum erstmal Sparen angesagt ist.

So lag die Sparquote laut des Wirtschaftsportals Germany Trade & Invest im vergangenen Jahr in China bei 28,4 Prozent, in Deutschland waren es trotz wirtschaftlichem mauem Umfeld 11,3 Prozent. Es ist gerade die betuchte Klientel, die ihr Geld derzeit lieber auf die Bank trägt anstatt ein deutsches Premiumauto zu kaufen.

Obwohl gerade dieses Argument von den deutschen Herstellern gerne wiederholt wird, ist es nur ein Teil der Wahrheit. Der andere ist, dass das glänzende Image der deutschen Hersteller langsam verblasst angesichts der technologischen Fortschritte der heimischen Autobauer.

Die großen drei aus Deutschland wurden dort bislang geradzu verehrt als die „BBAs“ – Benz, BMW, Audi. Die Autos galten als das Beste, was es im Reich der Mitte zu kaufen gab.

Doch an ihre Stelle sind andere Namen getreten. Zu ihnen gehört beispielsweise Xiaomi mit seinem charismatischen Chef Lei Jun. Innerhalb von wenigen Jahren hat er aus einem Smartphone-Hersteller einen weltweit führenden Tech-Konzern gemacht.

Und als der Unternehmer im April auf der Autoshow in Peking mit dem SU 7 sein erstes Elektroauto vorstellte, da wurde er vom Publikum gefeiert wie ein Popstar. Bezeichnenderweise lief am Stand ein Werbevideo, in dem zu sehen war, wie der SU 7 auf der Rennstrecke einen Porsche Taycan hinter sich lässt.

Wie Xiaomi sind inzwischen viele lokalen Hersteller auf Augenhöhe mit den westlichen Autobauern. Und weil der Preiskampf im mittleren Segment unerbittlich ist (der Xiaomi SU7 kosten umgerechnet unter 40.000 Euro), suchen einige ihr Heil in einer höheren Positionierung.

Li Auto, XPeng, Nio, Zeekr als Edelmarke von Geely oder BYDs Marke Yangwang haben es auf die Konkurrenz aus Deutschland abgesehen. Mercedes, Audi und BMW müssen sich auf einen verschärften Wettbewerb an der Spitze des Feldes einstellen. Und dies gilt für alle Antriebsvarianten.

Zwar haben fast alle deutschen Hersteller ihre Strategie in China nochmals nachgeschärft und setzen noch mehr auf Lokalisierung. So hat beispielsweise Audi eine Partnerschaft mit SAIC geschlossen, um Elektromodelle schneller in den Markt bringen zu können. Die ersten Modelle sollen schon 2025 vorgestellt werden.

Mercedes hat eine neue Investitionsoffensive angekündigt und will unter anderem den GLE SUV lokalisieren, der bisher im US-Werk in Tuscaloosa gebaut wurde. Außerdem soll ein elektrischer Luxus-Van auf der nächsten Elektro-Plattform in China gebaut werden. Ob dies aber angesichts des Tempos der chinesischen Autoindustrie ausreicht, darf bezweifelt werden.

Nach Prognosen von Beratungsfirmen wird der chinesische Markt in den nächsten Jahren anders als Europa und die USA weiter zulegen. So geht McKinsey im Jahr 2035 von einem Volumen von jährlich 33,1 Millionen Fahrzeugen aus. Im Jahr 2023 waren es noch 24,1 Millionen.

Doch für die deutschen Hersteller dürften die fetten Jahre in China endgültig vorbei sein. Vor allem im schnell wachsenden Elektro-Segment haben sie bisher keine passende Antwort gefunden. Eine Möglichkeit ist, das Risiko in Asien besser zu streuen und beispielsweise auf die Wachstumsmärkte in Südostasien zu setzen. Es ist kein Zufall, dass Porsche den rein elektrischen Macan der Weltöffentlichkeit nicht in China präsentierte, sondern in Singapur.