Agenturmodell: Die große Ernüchterung bei den Herstellern

2024 ist das Jahr des ­Umdenkens. Viele Hersteller unterziehen die Agenturpläne einem Realitäts­check. Und der fällt oft ernüchternd aus. Die Euphorie ist bei vielen weg. Mit der Rückkehr zum Käufermarkt streichen viele Autobauer ihre Pläne zusammen oder schieben sie auf die lange Bank.

Die Einführung ist komplex und kostet viel Geld. Bis sich Erfolge einstellen, braucht es Zeit. Das Risiko gehen nur wenige Autobauer ein. Die Ausnahme: die deutschen Hersteller. Sie halten – neben wenigen jungen Marken – am Agenturkurs fest.

Durch die Vermittlung von Fahrzeugen (Agenturkonzept) statt deren Verkauf (Händlersystem) sollen mittelfristig die Kosten sinken und die Gewinne steigen. Corona-Krise und Lieferengpässe, die die Gewinne von Herstellern und Händlern sprunghaft nach oben schnellen ließen, befeuerten die Fantasien. Doch mittlerweile gibt es wieder mehr Fahrzeuge als Käufer. Incentives spielen wieder eine entscheidende Rolle. Doch jeder Rabatt schmälert den Gewinn.

Die Liste der Absagen ist prominent: JLR und Ford zogen ­einen Schlussstrich, Microlino Deutschland dreht das Rad zurück und sammelt seine Agenturverträge wieder ein.

Und nun scheint auch Branchenriese Stellantis der Entwicklung zu folgen: "Konkret ist für Deutschland aktuell nicht von einem Start des Agenturmodells zu Mitte 2025 auszugehen", teilte Johannes Alings, Händlernetzentwickler bei Stellantis Deutschland, Ende Juni in ­einem der Automobilwoche vorliegenden Schreiben den Vertriebspartnern mit. Einen neuen Termin nennt er nicht.

Das deuten viele Stellantis-Händler als den Anfang vom Ende der Agenturpläne. "Ich glaube nicht mehr daran, dass Stellantis die Agentur überhaupt einführen wird", sagte Karl Kleba vom Verband der Konzern-Händler.

Nun wird schon spekuliert, dass das Ausscheiden von Stellantis-CEO Carlos Tavares auch das endgültige Aus der Agenturpläne bedeuten könnte. Der 66-Jährige hat noch bis März 2026 ein Mandat. Dann könnte ein Nachfolger übernehmen und die Pläne ohne ­Gesichtsverlust zu den Akten legen.

Nur die leichten Nutzfahrzeuge könnten bei Stellantis die Ausnahme bilden. Denn hier liegt der europaweite Marktanteil an der 30-Prozent-Marke. Die magische Grenze: Damit verbunden sind die Freistellung vom Kartellverbot und die Vorteile des selektiven Vertriebs. Das garantiert nicht nur die Stärkung des Markenimages, sondern auch ein effektives Vertriebsnetz.

Dass sich Europas Autobauer Nummer zwei mit den Agenturplänen schwertut, zeigte sich früh. Ende 2023 zog Europa-Chef Uwe Hochgeschurtz die erste Reißleine. Der Hersteller wechselte vom horizontalen zum vertikalen Ansatz. Statt alle europäischen Länder gemeinsam nach Markengruppen (Premium/Volumen) umzustellen, sollten die Märkte den Schritt einzeln vornehmen, aber gleich mit allen Marken.

Stellantis-UK-Chefin Maria Grazia Davino nutzte als Erste den neuen ­Ansatz, um den Druck aus dem britischen Markt zu nehmen, und kündigte an, nicht vor Ende 2026 umzustellen. Zu schlecht waren die Erfahrungen in den Pilotmärkten Österreich und ­Benelux – auch Monate nach der Umstellung Anfang September 2023. Vor allem ­österreichische Händler ­berichten, dass Stellantis den Überblick über ­seine Fahrzeuge verloren habe.

Dagegen läuft die Agentureinführung bei den beiden deutschen Premiumherstellern BMW und Mercedes-Benz relativ geräuschlos. Seit gut einem Jahr vertreibt Mercedes seine Fahrzeuge im Agenturmodell. Das ­anfängliche Knirschen bei der Umsetzung wird leiser. In Österreich, wo der Hersteller zwei Jahre früher umstellte, läuft es laut Händlern längst rund.

Anfang Oktober stellt BMW zunächst Mini um, im Januar 2026 soll die Kernmarke folgen. Die Erfahrungen mit der missglückten Einführung der i‑Agenten vor einem Jahrzehnt hilft dem Hersteller jetzt weiter. 2018 ­stoppte BMW die Pläne. Ein Grund laut Händlern damals: die Komplexität der parallel betriebenen Systeme. Bei Verbrennern hatte der Hersteller am selektiven Vertrieb festgehalten.

Genau diese Mehrgleisigkeit bekommt nun der Volkswagen-Konzern zu spüren. Die Wolfsburger starteten 2020 mit dem Agenturvertrieb bei den Elektromodellen der Kernmarke. Seat, Audi und VW Nutzfahrzeuge folgten, zum Jahresende will nun auch Škoda starten. Weder der Hersteller noch die Händler sind mit der aktuellen Situa­tion und den zwei Systemen zufrieden.

Deshalb will VW das Agenturmodell auf die Verbrenner ausweiten. Das wird noch einige Jahre dauern und ­frühestens 2027 stattfinden. Erste ­Gespräche laufen.

Doch von Händlerseite kommt Widerstand. "Sollte der Konzern tatsächlich eine Agentur auch für Verbrenner wollen, was ich für ausgeschlossen halte, geht er ein hohes Volumenrisiko ein", so Dirk Weddigen von Knapp, scheidender Präsident des VW- und Audi-Partnerverbands.

Und weiter: "Er wird das Absatzvolumen nicht mehr halten können. Das Verbrennergeschäft ist sowohl für den Konzern als auch für den Handel existenziell. Durch den Verkauf der Verbrenner müssen wir das Geld verdienen, um mit der Elektromobilität erfolgreich zu sein."

Aus Sicht vieler Partner ist bislang zu wenig angekommen. Das doppelte System – Handelssystem bei Verbrennern und die Agentur bei BEVs – macht beiden Seiten zu schaffen. Es sorgt für eine höhere Komplexität und verhindert die Reduzierung der Prozesskosten. Die Partner müssen ihre Strukturen aufrechterhalten.

Zugleich hat Volkswagen die Vergütung gesenkt. Erhielten die Händler bislang ­eine Grundmarge von zehn Prozent, sind es im Agenturmodell bei VW Pkw derzeit vier Prozent fix und zwei Prozent flexibel.

Um Kannibalisierung zu verhindern, will der Konzern die Vergütung markenübergreifend angleichen. Aus Unternehmenskreisen war zu hören, dass die einheitliche Provision bei 6,5 Prozent liegen soll.

Das reicht aus Sicht von Händlern nicht aus. Vor allem nicht bei der derzeitigen Aufgabenverteilung. "Mit den sicheren vier Prozent können wir unsere Kosten für Marketing, Personal und Schauräume nicht decken. Die Ausgaben für Dispo, Verwaltung, Fuhrpark und Neubauten kommen noch hinzu", sagt Till Heinrich, Geschäftsführer der Autohausgruppe Feser-Graf.

Aus heutiger Sicht seien die sechs Prozent entschieden zu niedrig. Zumal die flexiblen zwei Prozent die Gefahr bergen würden, auf Gedeih und Verderb dem Hersteller ausgeliefert zu sein.

"Mit ­fixen sechs Prozent können wir unsere Prozesskosten decken. Dann sollte man mit der Erfüllung seiner Ziele auch noch Geld verdienen können. Sechs plus drei Prozent wäre aus unserer Sicht eine Mindestvariante."

Die VW-Händler sind bereit mitzuziehen, aber nur, wenn auch sie vom Agenturmodell profitieren. Sonst droht der Sonderweg zur Sackgasse zu werden.