Der VW ID.4 bekommt Konkurrenz aus den eigenen Reihen: Kaum beginnen die Wolfsburger mit der Auslieferung ihres elektrischen SUV, geht am 24. April auch bei Skoda der erste designierte Stromer an den Start, um der SUV-Kundschaft ihr schlechtes Gewissen zu nehmen. Und wie üblich im ewigen Wettstreit zwischen Mutter und Tochter ist der Enyaq nicht nur etwas größer, geräumiger und praktischer als das Original, sondern mit einem Grundpreis von 33.800 Euro auch noch billiger.
Zwar ist der Enyaq keine komplette Eigenleistung, auch wenn der Wagen in Mlada Boleslav und nicht wie alle anderen kompakten Konzern-Stromer in Zwickau vom Band läuft. Sondern natürlich basiert der Enyaq auf dem Modularen Elektrifizierungsbaukasten (MEB) des VW-Konzerns. Doch einmal mehr hat Skoda einen gewissen Eigensinn bewiesen, den elektrischen Erstling deshalb simply clever positioniert und insbesondere innen einen klügeren Weg gewählt.
Authentisch statt synthetisch
Denn während das Design der Karosserie – vom beleuchteten (aber natürlich aufpreispflichtigen) Kühlergrill einmal abgesehen – eher gewöhnlich und deshalb langweiliger ist als beim ID.4, erfreut man sich innen an einer gewissen Beständigkeit: Anders als bei den ID-Modellen, die bei der Digitalisierung ein wenig übers Ziel hinaus geschossen sind, gibt es noch einen gewöhnlichen Fahrschalter auf dem Mitteltunnel, ein Lenkrad mit Tasten und Walzen statt der neumodischen Touchfelder und sogar noch ein paar Schalter in der Mittelkonsole, mit denen man wichtige Funktionen direkt anwählen kann. Wer es etwas extravaganter mag, kann auf das Enyaq Coupé warten, das noch in diesem Jahr präsentiert werden soll.
So, wie Skoda elektrischen Einsteigern den Wechsel bei Design und Bedienung leicht machen will, halten sich die Tschechen auch beim Fahren an Bewährtes: Auf der Straße ist der 4,65 Meter lange Enyaq, dessen Name von den Kelten inspiriert ist und für "Quell des Lebens" steht, einem Kodiaq deshalb näher als den meisten Elektroautos der ersten Stunde: authentisch statt synthetisch. Die Sitzposition ist erhaben, ohne dass man sich auf einem Thron aus Akkus wähnt, die Lenkung ist direkt, die Beschleunigung harmonisch, das Bremsen mit der Rekuperation und den Trommeln an der Hinterachse gelingt feinfühlig, und dass der Wagen rund zwei Tonnen wiegt, federt er tapfer weg.
Kein One-Pedal-Betrieb
Nur in einem Punkt unterscheidet sich der Enyaq dramatisch von Kodiaq & Co: Weil es vorne weder Motor noch Antriebswelle gibt, können die Räder deutlich weiter einschlagen und der Wendekreise schrumpft um rund zwei Meter auf kaum mehr als zehn Meter. Selbst ein Octavia wirkt deshalb im Vergleich ziemlich sperrig und das Rangieren mit dem elektrischen Riesen wird auch ganz ohne Kamera-Überwachung und Einpark-Assistent zum Kinderspiel.
Die Nähe zum konventionellen Auto heißt aber auch, dass man nach manchen elektrischen Eigenheiten im Enyaq vergeblich sucht: Den bei vielen E-Fahrern so beliebten One-Pedal-Betrieb, bei dem die Rekuperation stark genug ist, um die mechanische Bremse zu ersetzen, müssen die Entwickler erst noch programmieren – und auch dann wird es das nur im untersten Menüpunkt geben.
Jede Menge Stauraum
Und noch ein Spezifikum der Stromer sparen sich die Tschechen: Den Freiraum für die Füße in der ersten Reihe. Weil ihnen eine große Ablage im Alltag wichtiger war, hat auch der Enyaq einen hohen, wenngleich luftigen Mitteltunnel: "Anders hätten wir kaum 48 Liter zusätzlichen Stauraum in der Kabine schaffen können", sagen die Entwickler.
Wo sich der Enyaq abgesehen vom ungewöhnlich kleinen digitalen Cockpit und dem dafür umso größeren Touchscreen daneben in der ersten Reihe anfühlt wie ein Kodiaq, profitieren die Hinterbänkler deutlich von der elektrischen Architektur mit den Akkus im Wagenboden und den kleinen Motoren an der Hinterachse: Obwohl vier Zentimeter kürzer als ein Octavia, bietet der Enyaq bei 2,77 Metern Radstand im Fond fünf Zentimeter mehr Knieraum, und der Kofferraum ist mit knapp 600 Litern fast so groß wie beim Superb.
Große Unterschiede bei den Varianten
Um die Modellpalette möglichst weit zu spreizen, variiert Skoda kräftig bei Batteriegröße und Motorleistung. In der Basis fährt der Enyaq mit einem 55-kWh-Akku für maximal 340 Kilometer sowie einem Heckmotor von 109 kW oder nach alter Währung 148 PS und bekommt einen Onboard-Lader mit 7kW Leistung, sodass einem die Zeit an der Wallbox ziemlich lang wird. 11 kW gibt es nur gegen Aufpreis, und wer wirklich schnell laden will, der muss an die Autobahn und bekommt bei 125 kW den Hub von zehn auf 80 Prozent in 40 Minuten.
Bei den Batterien bietet Skoda alternativ 62 kWh für eine Normreichweite von 390 oder 82 kWh für 510 Kilometer Reichweite an. Und den Motor schalten sie auf Wunsch für 132 kW oder 150 kW frei. Wem das nicht reicht, der kann weitere 75 kW für die Vorderachse dazu bestellen, so auch im Enyaq auf Allradantrieb bauen und entsprechend sportlich fahren: Von 0 auf 100 km/h beschleunigt der Enyaq dann in 6,2 Sekunden, und wo sonst bei 160 km/h Schluss ist, ziehen die Tschechen bei ihrem Top-Modell erst bei 180 km/h den Stecker.
Integrierter Ladekabel-Reiniger
Er hat ein alltagstaugliches Format für ein Familien-Erstauto, bietet Fahrleistungen ohne nennenswerte Einschränkungen und typisch für die Autos aus Mlada Boleslav reichlich Platz. Und wie immer liegt der Preis ein wenig unter dem Pendant aus Wolfsburg.
Aber nicht nur in diesen klassischen Kategorien ist der Enyaq ein typischer Skoda, sondern erst recht im Detail. Denn auch der Enyaq strotz nur so vor cleveren Kleinigkeiten: Der Eiskratzer ist zwar mangels Tankklappe nun nach innen auf die Rückseite des Heckdeckels gewandert, doch dafür ist der Stromer von Skoda das erste Elektroauto mit integriertem Reiniger fürs Ladekabel. So wird er in jeder Hinsicht zu einer sauberen Sache.
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