Die Übernahme des deutschen Batteriesysteme-Herstellers Akasol durch den US-Antriebsspezialisten BorgWarner hat für viel Aufsehen gesorgt. Rund 730 Millionen Euro will der US-Zulieferer zahlen. Eine Freigabe durch die Kartellbehörden erwartet Vorstandschef und Hauptaktionär Sven Schulz "in den nächsten drei bis vier Monaten".
Für Schulz ist der US-Zulieferer der richtige Partner für seine Expansionspläne. Bislang hat Akasol knapp 300 Mitarbeiter. Zwar habe es viele Interessenten gegeben, "aber kein Konzern hat uns so viel Wertschätzung entgegengebracht und ist uns so auf Augenhöhe begegnet wie BorgWarner", sagt Schulz im Gespräch mit der Automobilwoche.
"Die deutschen Konzerne schauen oftmals lieber nach Amerika oder China und tragen ihr Geld dorthin, als sich im eigenen Land umzusehen, welche Technologien hier entwickelt werden", erklärt Schulz. Umso mehr freue es ihn, dass Akasol jetzt diese internationale Aufmerksamkeit bekomme, sowohl von Investoren als auch von seinen Kunden. Das Unternehmen erziele nur zehn bis 15 Prozent seines Umsatzes in Deutschland. "Im Ausland hat man erkannt, was Akasol imstande ist zu leisten. Im Inland sind potenzielle Kunden oftmals leider skeptischer", bedauert der Manager.
Kleinseriengeschäft bis 5000 Einheiten
Bei Fragen der agilen Finanzierung, des global Footprint, des Zugangs zu weltweiten Lieferantenstrukturen und Lieferketten komme "man als mittelständisches Unternehmen in diesem sehr dynamischen Marktumfeld irgendwann an seine Grenzen" und müsse "zusätzliche Wachstumspotenziale unter Umständen an sich vorbeiziehen lassen", sagt Schulz. Mit BorgWarner als starkem und finanzkräftigem Partner könne Akasol nun "zusätzliches Wachstumspotenzial schneller realisieren, als wenn wir auf uns allein gestellt wären". BorgWarner sehe seine Hauptaufgabe darin, "uns dort zu unterstützen, wo wir Potenziale haben, die wir aus eigener Kraft deutlich langsamer oder gar nicht realisieren könnten".
Der Zulieferer Akasol, der sehr stark auf den Nutzfahrzeugbereich konzentriert ist, sieht mit dem US-Zulieferer jetzt die Möglichkeit, "insbesondere unser internationales Kundennetzwerk nochmals auszuweiten". Gerade durch den anhaltenden Elektromobilitätstrend sieht Akasol hier noch sehr großes Wachstumspotenzial, "und wir wollen unsere Position als führender Hersteller von leistungsfähigen Batteriesystemen für verschiedene Nutzfahrzeugapplikationen weiter ausbauen", so Schulz.
Zwar werde der Nutzfahrzeugmarkt "sicherlich auch für die Zukunft ein Schwerpunkt von Akasol bleiben", aber BorgWarner sei "nun mal auch im Pkw-Geschäft unterwegs, was uns wiederum in Zukunft weitere Geschäftspotenziale diesbezüglich eröffnen könnte, da unsere Technologie sich auch für Pkw-Anwendungen einsetzen lässt", sagt Schulz. Dabei denke Akasol "an das Kleinseriengeschäft mit jährlich bis zu 5000 Einheiten".
Knapp 70 Millionen Euro Umsatz
Die Kapazitäten sind vorhanden. "In unserer Produktionsstätte in Langen wäre es auch möglich, Batterien für Pkw zu bauen. Rein hypothetisch könnten wir in 18 bis maximal 24 Monaten eine Serienproduktion für neuartige Batteriesysteme aufbauen, wenn wir den Auftrag von einem Fahrzeughersteller bekommen würden", so Schulz.
Doch damit würde sich Akasol derzeit "nicht besonders" beschäftigen, "da unser Fokus ganz klar auf dem Nutzfahrzeugbereich liegt". Dort habe das Unternehmen jüngst "langjährige Folgeaufträge für unsere neuen Hochenergiebatteriesysteme von zwei Bestandskunden erhalten". Zudem sammle Akasol weitere Aufträge von kleineren Herstellern ein, die die Anlagenauslastung entsprechend optimieren.
Der Batteriespezialist hat ehrgeizige Pläne. "Wir haben 2020 einen Umsatz von knapp 70 Millionen Euro erzielt", sagte Schulz. Trotz der Pandemie sei das ein Zuwachs von rund 40 Prozent im Vergleich zu 2019 gewesen. "Auch in diesem Jahr erwarten wir ein Umsatzplus, das voraussichtlich noch höher ausfallen wird als 2020." Zudem habe Akasol für die Jahre danach "volle Auftragsbücher".
Batteriezellen von verschiedenen Anbietern
Dafür werden auch die Batteriekapazitäten kontinuierlich ausgebaut. "In unserem US-Werk Hazel Park haben wir im vergangenen Jahr eine erste Produktionslinie mit einer Kapazität von 400 Megawattstunden aufgebaut. Ende dieses Jahres werden zwei weitere Produktionen entstehen, die für eine zusätzliche Kapazität von bis zu einer Gigawattstunde sorgen", erklärt Schulz.
Derzeit sei das Unternehmen damit beschäftigt, weitere Globalisierungsaktivitäten voranzutreiben. "Wenn man in aussichtsreichen Märkten mitspielen will, erwarten die jeweiligen Regierungen, dass man dort zumindest auch einen Teil der Produktion ansiedelt."
Seine Batteriezellen bezieht der Zulieferer von verschiedenen Anbietern. "So kooperieren wir mit koreanischen Unternehmen, sprechen aber auch mit chinesischen Firmen." Mittlerweile sei Akasol auch mit einem deutschen Zelllieferanten im Gespräch. "Unsere Hauptlieferanten sind derzeit aber koreanische Firmen, die jedoch auch im europäischen Raum produzieren."
Zellen ähnlich wie bei Tesla
Stand heute habe Akasol eine Gigawattstunde Produktionskapazitäten in Betrieb. "Unser Werk in Langen kann für den Nutzfahrzeugbereich bis zu 800 Megawattstunden bereitstellen. Somit haben wir schon heute Europas größten Serienproduktionsstandort für Nutzfahrzeugbatterien in Betrieb", so der Akasol-Chef.
Im März werde Akasol mit dem Aufbau der Produktionslinien für eine dritte Batteriesystem-Generation beginnen, die sich durch eine sehr hohe Energiedichte auszeichnet. "Wir setzen in den Batteriesystemen zylindrische Zellen ein, ähnlich wie Tesla bei seinen Fahrzeugen, nur eben mit nutzfahrzeugspezifischen Funktionalitäten und Features."
Die neuen vollautomatisierten Fertigungslinien in Darmstadt werden auf bis zu 2,5 Gigawattstunden Produktionskapazität hochgefahren. Etwa ein halbes Jahr später werde in den USA eine Produktionslinie des gleichen Typs aufgebaut. Schulz: "Wir werden in Summe im Jahr 2022 über eine gesamte Produktionskapazität von bis zu fünf Gigawattstunden in den beiden Gigafactories in den USA und in Deutschland verfügen. Und zwar als serientaugliche Kapazitäten, denn die Serienproduktion ist die große Kunst in der Elektromobilität."
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Dazu aus dem Datencenter:
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