Die Daimler-Standorte in Berlin-Marienfelde und Stuttgart-Untertürkheim zählen zu den ältesten des Konzerns und blicken auf eine über 100-jährige Geschichte zurück. Gerade sie werden vom Wandel hin zur Elektromobilität am härtesten getroffen. Denn hier werden hauptsächlich Verbrenner-Motoren gebaut, die in Zukunft nicht mehr so stark nachgefragt sein werden. Nun hat das Unternehmen eine erste Richtung für die Zukunft vorgegeben.
So soll das Werk in Marienfelde zu einem "Campus für die Entwicklung, Erprobung und Implementierung wegweisender Softwareapplikationen für das globale Produktionsnetzwerk" umgebaut werden, wie es in einer Mitteilung des Unternehmens heißt. Auch Komponenten für die E-Mobilität im Bereich der Leistungselektronik sollen nach Berlin kommen. Dafür will Mercedes-Benz einen zweistelligen Millionenbetrag investieren. Betriebsrat und Geschäftsführung hätten sich darauf geeinigt, die Zukunft des Werks nachhaltig zu sichern.
Geplant ist, den Standort zu einer Art Kompetenzzentrum für die digitale Fabrik zu machen. Im Zentrum steht das von Mercedes entwickelte Ökosystem MO360, das bereits in der Factory 56 in Sindelfingen zum Einsatz kommt und eine deutlich höhere Produktivität etwa durch vorausschauende Wartung ermöglichen soll. Statt nur Motoren zu montieren, sollen die Mitarbeiter in Zukunft in einer realen Produktionsumgebung Software-Applikationen entwickeln, erproben und validieren.
Darauf sollen die Mitarbeiter mit Schulungen gezielt vorbereitet werden. Der Campus werde dabei neue Qualifizierungskonzepte entwickeln und umsetzen, die modernste digitale Trainingstools inklusive Virtual und Augmented Reality nutzten. "Als ältestes produzierendes Mercedes-Benz-Werk im Bereich der konventionellen Motorentechnik ist die Transformation des Standorts Berlin ein Symbol für den Wandel in der Automobilindustrie", sagte Mercedes-Produktionschef Jörg Burzer laut Mitteilung.
Kleine Zellfertigung für Untertürkheim
Völlig unklar ist aber, wie vielen Menschen dieser Umbau in Zukunft noch Arbeit ermöglicht, wenn die Motorenproduktion wie beschlossen zur Mitte des Jahrzehnts ausläuft. Die Reduzierung der Serienproduktionsumfänge werde in Berlin "zu personellen Anpassungen führen", heißt es in der Mitteilung. Dies dürfte zum Wegfall eines Großteil der bisher rund 2500 Jobs führen, da die Software-Entwicklung die Motoren-Montage kaum kompensieren kann. Der Abbau solle sozialverträglich geschehen. Die Verhandlungen darüber stehen aber erst am Anfang.
Nach Informationen der Automobilwoche befinden sich auch die Verhandlungen für den Standort Untertürkheim auf der Zielgeraden. Dabei handelt es sich um das Lead-Werk des Powertrain-Produktionsnetzwerks mit fast 19.000 Beschäftigten. Auch hier geht es um die Ansiedlung von Zukunftskomponenten, um die Auswirkungen der Transformation auf die Beschäftigung möglichst gering zu halten.
Kern des Umbaus hier ist der so genannte eCampus, auf dem die Entwicklung und Erprobung von Komponenten für die Elektromobilität angesiedelt werden soll. Als wesentlicher Teil gilt eine kleine Zellfertigung, um die Prozesse und Spezifikationen für die Anwendung in den Modellen der EQ-Familie besser zu verstehen. "Die Zelle selbst bringt zwar nur wenig Beschäftigung, aber sie bringt Know-how und wirkt wie ein Magnet für weitere Produkte", so das Kalkül von Betriebsratschef Michael Häberle.
Im Gegenzug dafür hatte das Unternehmen zunächst einen signifikanten Stellenabbau und die Verlagerung von Teilen der Produktion gefordert. Vor allem die Gießerei im Werkteil Mettingen steht bereits seit Jahren unter Druck. Zeitweise war von 4000 Jobs die Rede, die im Zuge des Umbaus wegfallen könnten. Diese Zahl dürfte nun aber vom Tisch sein. Wie die Details des Umbauplans aussehen, könnte noch in dieser Woche bekanntgegeben werden.
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