Es wirkt fast so, als hätte die angekündigte Trennung vom Pkw-Geschäft auch bei Daimler-Lkw-Chef Martin Daum zusätzliche Kräfte freigesetzt. In der Pressekonferenz zur Bilanz 2020 strotzt der 61-Jährige trotz der schwachen Zahlen des vergangenen Jahres vor Zuversicht und Selbstbewusstsein. Diese schöpft er aus den Erfahrungen im Umgang mit der Krise. "Wir können mit Zyklen umgehen", sagt Daum. Und: "Das Lkw-Geschäft ist Achterbahnfahrt."
Übersetzt heißt dies, dass es nach der Talfahrt durch das Corona-Jahr in Zukunft wieder steil bergauf gehen soll. Vor allem das letzte Quartal lässt Daum positiv auf 2021 blicken. Da hatte die Truck-Sparte weltweit rund 121.000 Einheiten abgesetzt und damit doppelt so viele wie im von der Pandemie am stärksten betroffenen zweiten Quartal. Im ganzen Jahr waren es nur 378.500 – rund ein Drittel weniger als im Vorjahr. "Den Schwung aus dem zweiten Halbjahr wollen wir im laufenden Jahr beibehalten", so Daum.
Volle Auftragsbücher
Vor allem in den USA seien die Auftragsbücher aktuell voll, der Markt geradezu explodiert. Auch in Europa soll es nach dem starken Einbruch um ein Drittel im vergangenen Jahr wieder bergauf gehen. Es sei "Licht am Ende des Tunnels", so Daum. Selbst in Brasilien rechne er mit einer Erholung. Allein in Indonesien sei eine vergleichbare Entwicklung noch nicht abzusehen. "Das könnte dann noch on top kommen", so Daum. Am Ende soll 2021 eine Marge von sechs bis sieben Prozent stehen. Im vergangenen Jahr waren es nur zwei Prozent. Allerdings stehe der Ausblick unter dem Vorbehalt, dass es nicht einen neuerlichen Lockdown gebe.
Neben einer besseren Kostenstruktur sei die Basis dafür die globale Aufstellung. Man wolle nicht aus dem Neckartal bei Stuttgart heraus Welt beackern, stattdessen sei eine starke lokale Mannschaft auf allen Märkten sei extrem wichtig. Teil der Strategien seien zudem Partnerschaften wie mit Volvo bei Brennstoffzelle, Torc beim automatisierten Fahren oder jüngt mit Cummins bei mittelschweren Motoren. "Jeder könnte es auch alleine, aber zusammen erhält man mehr Ideen und kann jeden Euro besser nutzen", so Daum. Der amerikanische Motorenbauer soll für Daimler in Mannheim die nächste Generation von mittelschweren Diesel-Aggregaten bauen, da die Stückzahlen hier nicht für eine eigene Plattform ausreichten. Schwere Motoren will Daimler weiter selber bauen.
Dynamik durch Abspaltung
Zusätzliche Dynamik erwartet Daum durch die geplante Abspaltung der Truck-Sparte aus dem Daimler-Konzern und den bevorstehenden Börsengang. Dadurch könne das Unternehmen seine strategischen Pläne agiler umsetzen, seine Profitabilität erhöhen und die Entwicklung von CO2-neutralen Antriebstechnologien vorantreiben. Parallel arbeite Daimler Truck daran, die Kosten weiter zu senken und die Effizienz zu steigern. Durch eine "disziplinierte Ressourcenkontrolle" sei bereits eine deutlich Ersparnis erreicht worden. "Unser Weg nach vorne ist klar und unsere Eigenständigkeit wird uns helfen, hier künftig noch schneller voranzukommen", so Daum.
Vor allem der Umstieg auf alternative Antriebstechnologien dürfte sich auf die Beschäftigung auswirken. Daum geht davon aus, dass bis 2030 rund die Hälfte der Stellen in den Aggregate-Werken wegfallen könnte. Man könne sich dem technologischen Wandel nicht entziehen und dürfe hier keine falsche Versprechungen machen, so Daum. Auf der anderen Seite sagte Daum, dass der Diesel in manchen Anwendungsbereichen wie etwa schweren Baustellenfahrzeugen oder einem Unimog als Brandbekämpfer noch weit über das Jahr 2040 hinaus im Einsatz sein werde. "Es macht ja keinen Sinn, wegen einer schweren Batterie nur 1500 statt 5000 Liter Löschwasser zu transportieren."
Brennstoffzelle erst nach 2025
Bei den alternativen Antrieben geht Daimler zunächst mit dem elektrischen Actros an den Start, der demnächst in der Serienversion Premiere feiert. Allerdings rechnet Daum hier zunächst nicht mit großen Stückzahlen und verweist auf die Erfahrung mit dem elektrischen Stadtbus Citaro. Hier seien es zunächst weniger als die anvisierten 200 Busse pro Jahr gewesen, da viele Kommunen wegen der fehlenden Ladeinfrasruktur und den Kosten zögerten oder nur wenige Vorzeigeexemplare orderten. Erst jetzt zeige die Kurve steiler nach oben. Die Versorgung mit Batterien für die Fahrzeuge sei trotz mancher Engpässe aktuell kein Problem.
Bei der Brennstoffzelle rechnet Daum dagegen erst nach 2025 mit einem Durchbruch der Technologie. Dies liege vor allem an der fehlenden Infrastruktur. "Grüner Wasserstoff wird erst in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts in ausreichender Menge verfügbar sein. Wenn wir dann in Großserie gehen, ist es genau richtig." Daimler Truck hatte mit Volvo ein Joint Venture gegründet, um die Technologie in den nächsten Jahren zur Serienreife zu entwickeln. Mit dem GenH2-Truck hatte Daum im vergangenen Herbst einen Schwerlaster präsentiert, der vor allem auf langen Strecken zum Einsatz kommen soll.
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