Ford legt in Europa als einer der letzten großen Autobauer den Hebel um in Richtung Elektromobilität. Am europäischen Sitz des Unternehmens in Köln soll von 2023 an das erste rein elektrische Volumenmodell der Marke gebaut werden. Es wird auf Basis der MEB-Plattform von Volkswagen entstehen. Das kündigte Ford am Mittwoch offiziell an, nachdem zuvor schon vielfach über diese Entscheidung spekuliert worden war.
Insgesamt werde Ford für den Umbau der Fertigung in Köln etwas mehr als eine Milliarde Dollar investieren, kündigte Ford an. Künftig wird Köln von Ford als "Ford Cologne Electrification Center" bezeichnet und erhält damit eine führende Rolle im Konzern bei der beschleunigten Elektrifizierung des Autobauers. Damit bestätigte der Autobauer frühere Berichte der Automobilwoche.
NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) sprach in einer gemeinsamen Online-Pressekonferenz mit Ford-Europachef Stuart Rowley und Ford-Deutschlandchef Gunnar Herrmann von einer neuen Ära für Ford in Deutschland. "Dies ist ein Vertrauensbeweis für den Standort Nordrhein-Westfalen", sagte Laschet. "Was beim Autogipel in Berlin manchmal vergessen wird: Es gibt eine Automobilindustrie in Deutschland nicht nur in Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen", fügte er hinzu.
Weiteres E-Auto ist eine Option
Europachef Rowley sagte, Ford prüfe auch den Bau eines weiteren rein elektrischen Modells in Köln. Einzelheiten dazu wollte er aber nicht preisgeben.
Bisher wird in Köln allein der Kleinwagen Fiesta gebaut. Was künftig mit der Fiesta-Fertigung in Köln geschehen wird, teilte Ford nicht mit. Der niedrigmargige Fiesta dürfte in Köln auf Dauer keine Zukunft mehr haben. Er läuft 2024 aus, sodass noch rund ein Jahr lang gleichzeitig das neue E-Auto und der bisherige Fiesta in Köln gebaut werden.
Welche Auswirkungen der umfassende Umbau auf die Mitarbeiterzahl in Köln haben wird, ist ungewiss. Im reinen Fahrzeugwerk arbeiten derzeit noch rund 7000 Mitarbeiter, insgesamt sind in Köln aber mit dem Motorenwerk und weiteren Komponentenwerken fast 18.000 Mitarbeiter beschäftigt.
Ford-Deutschlandchef Herrmann sagte, die Beschäftigtenzahl könne auch wieder steigen - wenn die in Köln gebauten Modelle am Markt erfolgreich seien. Europachef Rowley nannte keine konkrete Zahl, erinnerte aber an die Vereinbarung mit Volkswagen. Demnach will Ford von 2023 bis 2029 rund 600.000 Fahrzeuge auf Basis des MEB bauen.
Einschnitte in der Belegschaft erwartet
Der Betriebsratsvorsitzende von Ford in Köln, Martin Hennig, zeigte sich zum einen erleichtert über die Investitionsentscheidung, andererseits befürchtet er dennoch einen weiteren Stellenabbau. "Diese Entscheidung bringt sicherlich noch einige gravierende Veränderungen im Werk mit sich", sagte er am Mittwoch. "Es wird trotz dieser guten Nachricht noch weitere Einschnitte in der Personalstruktur geben, da die Fertigung von elektrischen Fahrzeugen deutlich weniger Arbeitskräfte benötigt, als die von Verbrennerfahrzeugen." Hinzu komme der allgemeine Branchentrend. "Ein eigenes Auto ist vielen nicht mehr so wichtig. Auch der technische Umbruch in unserer Industrie ist längst nicht abgeschlossen."
Stark abhängen wird die Beschäftigung auch von der Fertigungstiefe. Zunächst einmal wird diese mit der Nutzung des MEB deutlich sinken. "Zunächst einmal nutzen wir die komplette Plattform (inklusive Batterie) von Volkswagen", sagte Deutschlandchef Herrmann. Mittel- bis langfristig sei aber noch nicht entschieden, welche Komponenten und Systeme davon Ford wieder selber fertige.
Im Sommer 2019 hatte Ford europaweit den Abbau von 12.000 seiner damals noch insgesamt 54.000 Mitarbeiter in Europa angekündigt, davon 5000 an den deutschen Standorten Köln und Saarlouis.
Elektrifizierung auch im Nutzfahrzeugbereich
Zusammen mit der Entscheidung zum Bau eines ersten E-Autos in Köln kündigte Ford-Europachef Stuart Rowley eine schrittweise umfassende Elektrifizierung der gesamten Modellpalette in der nächsten Dekade an. Bereits von 2024 an will Ford in allen PKW-Baureihen mindestens ein Fahrzeug anbieten, das entweder rein elektrisch angetrieben wird oder mit einem Plug-in-Hybridantrieb ausgestattet ist. Von 2030 an sollen alle PKW-Modelle dann nur noch rein elektrisch fahren.
Im Nutzfahrzeugsegment, das für Ford in Europa eine besonders große Rolle spielt, wird bis 2024 ebenfalls in jeder Baureihe mindestens ein E-Modell oder Plug-in-Modell angestrebt. Von 2030 an sollen in diesem Segment wenigstens zwei Drittel aller Modelle rein elektrisch oder als Plug-in-Fahrzeug auf die Straße kommen.
Der wesentliche Hebel für Ford auf diesem Weg ist die 2019 eingeleitete Kooperation mit Volkswagen. Ford wird den Modularen E-Antriebs-Baukasten (MEB) von VW nutzen können, und zwar sowohl im PKW- als auch im Nutzfahrzeugbereich.
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