Das Land Pakistan mag zwar nicht der größte Markt für Porsche sein, doch die Geschichte um den dortigen Generalimporteur ist mehr als eine bunte Randnotiz. Über zwei Jahre lang soll das Porsche Zentrum "Performance Automotive Limited" (PAL) mit Sitz in Lahore Anzahlungen für teure Sportwagen wie 911, Panamera oder Taycan kassiert und diese dann nicht geliefert haben. Die Polizei in Pakistan geht inzwischen von einem Schaden in Höhe von 800 bis 900 Millionen Pakistanische Rupien aus. Das sind umgerechnet rund 4,5 Millionen Euro.
Einer der geschädigten Kunden ist Ashan Shamim, der in München lebt und Mitbegründer der britischen Firma V2X für Konnektivitätsdienste ist. Er habe über einen Geschäftspartner für seine zweite Firma in Pakistan im April 2019 einen Porsche Taycan bestellt und dafür umgerechnet 25.500 Euro angezahlt. Zwar sei die Infrastruktur für E-Autos in Pakistan nicht besonders gut ausgebaut, aber Autokäufer nutzten dafür private Lademöglichkeiten. "Dieses Auto wurde bis heute nicht ausgeliefert, obwohl die Lieferung binnen eines Jahres zugesagt war", klagt Shamim gegenüber der Automobilwoche. Zwar habe PAL nach Aufforderung einen Scheck über die Rückzahlung angewiesen. Dieser sei aber nicht gedeckt gewesen. "Ich weiß von anderen Kunden mit anderen Fahrzeugen, denen es genau so ergangen ist", sagt Shamim.
Stellungnahme auf Porsche-Papier
Der Fall zieht inzwischen immer größere Kreise. In englischsprachigen pakistanischen Medien wurde berichtet, dass der Inhaber von PAL, Abuzar Bokhari, mit dem eingesammelten Geld seiner Kunden über Dubai nach England geflohen sei. Alle Anzeichen deuteten auf einen klaren Fall von Betrug des Porsche-Importeurs hin. Die Polizei in Pakistan habe Interpol bei der Suche nach Bokhari um Hilfe gebeten. Inzwischen hat sich Bokhari über die Medien mit einer Stellungnahme gemeldet, in der er die Betrugsvorwürfe vehement zurückweist.
In dem auf Porsche-Papier verfassten Schreiben, das auch der Automobilwoche vorliegt, erhebt Bokhari seinerseits Anschuldigungen gegen die Porsche AG in Deutschland. "Porsche hat aus unserer Sicht illegalerweise mehr als zwei Jahre lang keine Fahrzeuge mehr nach Pakistan geliefert", heißt es darin. Es handle sich bei den Bestellungen um ordnungsgemäße Aufträge im Namen der Porsche AG. Er selbst habe von dem Geld nichts einbehalten. Porsche Pakistan werde daher eine Zivilklage gegen die Porsche AG anstrengen und habe bereits Mitte 2020 den London Court of International Arbitration als Institution der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit angerufen. In einer persönlichen Korrespondenz mit einem Kunden, die der Automobilwoche vorliegt, beschuldigt Bokhari Porsche gar "krimineller Machenschaften". Rückzahlungen seien Sache des Unternehmens.
Taycan nicht für Verkauf freigegeben
Porsche bestätigte auf Anfrage der Automobilwoche, dass PAL gemäß einer Vereinbarung mit der Regionalgesellschaft Porsche Middle East (PME) als Importeur von Porsche in Pakistan tätig gewesen sei. Diese Vereinbarung sei jedoch ordnungsgemäß gekündigt worden. "Entsprechend vertritt PME den Standpunkt, dass die Vereinbarung zum 1. Februar 2021 endete", so eine Porsche-Sprecherin. Jegliche Vorwürfe gegen PME oder die Porsche AG weist das Unternehmen zurück. Zu den rechtlichen Auseinandersetzungen wollte sich Porsche nicht weiter äußern, da es sich um laufende Verfahren handle.
Die Anzahlung für den Taycan hätte aber noch aus einem anderen Grund nie kassiert werden dürfen. "Das Fahrzeug wurde nie für den Verkauf in Pakistan zugelassen und ist derzeit nicht zum Verkauf in Pakistan erhältlich", so die Sprecherin. Jegliche Geschäfte bezüglich des Modells durch PAL seien zu keinem Zeitpunkt genehmigt gewesen. "Dementsprechend hat kein mit Porsche verbundenes Unternehmen (einschließlich PME) jemals eine vollständige oder teilweise Anzahlung erhalten, die von einem Kunden für ein Porsche Taycan Modell an PAL geleistet wurde." Jeder Kunde, der eine Anzahlung an PAL geleistet hat, müsse die Rückforderung der Anzahlung direkt dort beantragen.
Kunde: "Rechne mit Image-Schaden"
Gerade dieser Satz sorgt bei den pakistanischen Kunden für Unmut. "Wir haben den Taycan bei einem offiziellen Porsche-Händler gekauft. Es ist unfassbar und frustrierend, dass die Porsche AG hierfür jegliche Verantwortung ablehnt", so Shamim. Er habe für seine Firma in Pakistan beim gleichen Händler zuvor bereits einen Porsche Panamera erworben, werde aber keine Autos mehr bei Porsche kaufen. "Angesichts dieser Reaktion rechne ich mit einem erheblichen Imageschaden für die Marke in diesem Land", sagt Shamim.
Wie es mit Porsche in Pakistan weitergeht, ist derzeit noch unklar. Das Unternehmen war 2008 mit der Vertretung in Lahore in den Markt eingetreten. Ein neuer Vertragspartner in dem Land, das immerhin 200 Millionen Einwohner hat, sei noch nicht gefunden. Im Jahr 2020 seien lediglich vier, 2019 sieben Sportwagen von Porsche in Pakistan verkauft worden, so die Sprecherin. Wie viele es hätten sein können, wenn die angezahlten Fahrzeuge auch geliefert worden wären, ließ Porsche offen.
Lesen Sie auch:
Porsche schließt Lücke nach Apple-Abgang
Fahrbericht Taycan: Weniger ist mehr als genug
Auch nach Aufholjagd: Porsche bleibt beim Absatz knapp unter Vorjahr
Aus dem Datencenter:
Europäischer Absatz des Porsche Panamera und Porsche Taycan in Europa in den Jahren 2019 und 2020