Mit einer Börsenkapitalisierung von 1,9 Billionen Dollar ist Apple das reichste Unternehmen der Welt. Die Erfolgsstory des Tech-Konzerns kennt kaum dunkle Kapitel - abgesehen von kleineren Flops wie der Pippin-Spielekonsole, der Quick-Take-Digitalkamera und einer On-Off Fata Morgana namens iCar. Am Autothema war einst schon Steve Jobs gescheitert, und auch Tim Cook ist auf dem besten Weg, sich mit dem Projekt Titan zu verheben.
Nicht einmal ausgewiesene Koryphäen wie John Giannandrea (ex-Google), Bob Mansfield (der erste Chef der Autosparte) und Doug Fields, der nach einem Intermezzo bei Tesla 2018 nach Cupertino zurückgekehrt ist, konnten das Projekt entscheidend vorantreiben. Nach dem - vorläufigen? - Ende der Verhandlungen mit Hyundai/Kia ist jetzt erst einmal nachdenken und neu orientieren angesagt.
BMW winkte beim i3 ab
Wir erinnern uns: vor rund zehn Jahren hatten Apple und BMW erste Gespräche über ein gemeinsames Auto geführt. Konkret ging es damals um den i3, von dessem mutigen technischen Konzept die Apple-Granden nachhaltig begeistert waren. BMW hat damals lange überlegt, am Ende aber genauso abgelehnt wie 2016, als die Kalifornier erneut anfragten, ob sie nach Ende der Laufzeit in irgendeiner Form Zugriff auf den i3 nehmen dürfen. Die Bayern blieben standhaft und beschlossen stattdessen, die Laufzeit der Karbon-Ikone bis 2024 zu verlängern. Neun Jahre nach den ersten Gedankenspielen stand das Apple Car damit wieder auf null.
Ebenfalls 2016 begann Hyundai-Kia sich für ein vollelektrisches und zumindest teilautonomes Stadtauto zu interessieren. Zunächst wollten die Koreaner mit Google kooperieren und im Austausch gegen Software und Sensorik die Fertigung des noch nicht zu Ende definierten Autos übernehmen. Doch weil Google zögerte und erste Ergebnisse hinter den Erwartungen zurückblieben, entschlossen sich die Asiaten, weiterzusuchen - bis sie vergangenes Jahr bei Apple fündig wurden. Die erwartet komplizierten Sondierungen endeten freilich nicht mit einem Kooperationsvertrag, sondern Anfang Februar 2021 mit der abrupten Trennung. Der Grund: die einen wollten sich nicht als verlängerte Werkbank abspeisen lassen, die anderen sind sich nach vierzehn Jahren offenbar immer noch nicht in allen Details klar darüber, was sie wirklich wollen.
Manager kommen und gehen
Inzwischen haben diverse Auto-affine Top-Manager und Ingenieure bei Apple angeheuert und das Unternehmen wieder verlassen. Sie hinterließen ein vielschichtiges Info-Puzzle, dessen Bodensatz nur unter Vorbehalt zu deuten ist. Unbestritten scheint, dass Apple sich mit einer automobilen Partnerschaft auf Augenhöhe schwertut. Einen Auftragsfertiger wie Foxconn als Subunternehmer anzuheuern, wäre mit dem Selbstverständnis der Kalifornier durchaus vereinbar. Aber weitreichende Mitspracherechte einräumen, konsequent an einem Strang ziehen, sich Invest und Ertrag teilen, das ist nicht unbedingt im Sinne des iCar-Erfinders.
Wobei unklar ist, wie dieses iCar überhaupt aussehen soll, in welchem Segment es zu positionieren wäre, wo die USPs liegen, welche Funktionen das Auto in der Apple-Welt übernehmen soll. Mal ist von einem zweisitzigen Stadtwagen die Rede, dann pusht die Gerüchteküche einen viertürigen Viersitzer. Mal macht ein aerodynamisch ausgefeilter Kokon mit unidirektionalen Scheiben (rausschauen geht, reinschauen nicht) die Runde, dann kolportieren Insider ein Manövrierwunder mit vier um 360 Grad drehbaren Rädern.
Viele Fragen weiter offen
Der Computer-Riese könnte Entwicklung und Produktion aus der Portokasse finanzieren. Aber wer übernimmt Vertrieb und Wartung? Wie steht es um die Produkthaftung? Wie verhält sich die margenschwache Fertigung zu den im Nachgang erzielbaren Erlösen? Welche Volumina sind zu welchen Preisen absetzbar? Vielleicht sind diese Fragen zu kurz gedacht. Vielleicht geht es hier um Grundsätzlicheres, um die nächste Stufe der Mobilitätsevolution nach dem Jahrhundert des Verbrenners und dem Paradigmenwechsel zur Elektromobilität.
Vieleicht ist das iCar - analog zum iPhone - eine neue Universalschnittstelle zum User, die den Vertrieb von Software, Dienstleistungen, Apps, Daten und Funktionen entscheidend vorantreibt. Vielleicht entsteht hier gerade ein Bermuda-Dreieck mit Apple und Amazon (seit kurzem übrigens Besitzer von Zoox, einem Entwickler autonom fahrender Kleinwagen) als spannende Sparringspartner für die unter Druck geratenen OEMs (die sich mit eigenen Software-Architekturen absichern wollen) und Big Data (die Gegenreformation reicht von den Verwaltern der Cloud bis zu den Waymo-Pfadfindern), ganz zu schweigen von den Batterie-Schwergewichten und den Möchtegern-Herrschern über die lückenhafte Ladeinfrastruktur. Für Apple geht es vor allem darum, zeitnah Neuland zu erobern, egal ob mit Partner oder ohne.
Smartphone auf Rädern
Dass hier das letzte Wort noch nicht gesprochen ist, gilt als sicher. Aber welche Fraktion wird sich durchsetzen? Apple könnte es bei einer multi-kompatiblen Black Box belassen, die per abgestufter Flatrate alle denkbaren User-Anwendungen abdeckt: Bezahlservices, das per click-and-go installierte autonome und manuell steuerbare Fahren, ein Strauß von OTA-Angeboten, die über Satellit sichergestellte flächendeckende 5G-Vernetzung, dazu integrative Lösungen für Betriebs-IT und Fahrzeug-IT - die Liste ist beliebig verlängerbar. Alternativ wird an der Pazifikküste als Komplettlösung besagtes Smartphone auf Rädern diskutiert, das als subtil gestalteter High-Tech Straßenschmeichler mit ausgeprägtem Haben-Wollen-Appeal die iCar-Formel mit besonderen Inhalten füllen soll.
Die Frage, wer dieses Auto bauen kann und will, ist wohl noch nicht beantwortet. Die deutschen Premium-Hersteller werden sich keinen Kuckucks-Apfel ins Nest legen wollen, für Toyota wäre die Apple-Connection eine selbst gelegte Stolperschwelle, Stellantis und Renault dürften nach der Konsolidierung die neue Auto-Welt vermutlich im Alleingang erobern.
Schwierige Partnersuche
Quo vadis, Apple Car? Option eins sind billige Auftragsfertiger wie Pegatron oder Foxconn, die allerdings noch nie im Leben ein Auto zusammengeschraubt haben. Option zwei sind vergleichsweise teure Spezialisten wie Magna oder Benteler, die ein Konzept mitentwickeln und dessen Umsetzung begleiten könnten. Option Nummer drei sind hoch qualifizierte Quereinsteiger und innovative Start-ups, die mit viel Risiko völlig neue Wege beschreiten, zum Beispiel in Sachen Zellchemie oder Modulfertigung. Aber vielleicht kommt es doch ganz anders und die 600 stolzen Titan-Mitarbeiter ziehen das Ding in Eigenregie hoch, frei nach dem Motto "Was Elon kann, kann der Tim schon lange."
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