Volkswagen kooperiert mit Microsoft bei der Entwicklung von Software für vernetzte Assistenz-Systeme und automatisiertes Fahren. Microsofts Cloud-Dienste sollen beim Aufbau einer Plattform für Entwickler zum Einsatz kommen, wie die Unternehmen am Donnerstag mitteilten.
Volkswagen erhoffe sich davon unter anderem schnellere Entwicklungszyklen, sagte der Chef des neuen Software-Unternehmens des Konzerns, Dirk Hilgenberg. "Es ist eine sehr tiefgreifende Partnerschaft", betonte Microsoft-Manager Scott Guthrie. VW solle zum Beispiel eigene Software-Werkzeuge auf Basis von Microsofts Diensten aufbauen können. Neben der sicheren Übertragung von Daten bringt der Software-Konzern auch seine Fähigkeiten bei künstlicher Intelligenz mit.
Datenhoheit bleibt bei VW
Zugriff auf die VW-Daten bekomme Microsoft nicht, betonte Guthrie. Das sei VW auch wichtig gewesen, erklärte eine VW-Sprecherin. "Die Datenhoheit liegt bei uns. Microsoft hat keinen Zugriff." VW-Chef Herbert Diess und Audi-Boss Markus Duesmann hatten mehrfach klargestellt, dass der Konzern die Datenhoheit nicht aus der Hand geben wolle.
Im ersten Schritt gehe es bei der Kooperation nun darum, gemeinsam mit Microsoft Werkzeuge für die Entwicklung zu schaffen. "Die Softwareentwicklung ist sehr schnelllebig und folgt ihren eigenen Gesetzen. Wir wollen und müssen in der Lage sein, in relativ kurzen Zyklen innovative Lösungen für sich verändernde Kundenbedürfnisse hervorzubringen", sagte Hilgenberg. Dafür sollen zunächst nur simulierte Daten und Daten aus Versuchsfahrzeuge genutzt werden. Langfristig sollen aber auch technische Daten aus Kundenfahrzeugen einfließen. "Aber nur mit Zustimmung der Kunden und nur anonymisiert", fügte die Sprecherin hinzu.
Kundenfunktionen entwickelt VW dann selbst
"Wir bauen die Automated Driving Platform gemeinsam mit Microsoft auf, um unseren Entwicklern über eine skalierbare und datenbasierte Entwicklungsumgebung die Arbeit zu erleichtern", sagte Hilgenberg. "Die Entwicklung der Kundenfunktionen selbst und die Daten, die hierbei entstehen, bleiben in unserer Hoheit."
"Es geht erst einmal darum, Werkzeuge für die Entwicklung zu schaffen", sagte die Sprecherin weiter. "Die Entwicklung der Kundenfunktionen ist dann der nächste Schritt. Das machen dann unsere eigenen Entwickler." Dabei wolle man auf die Daten möglichst vieler Fahrzeuge aus dem Konzern zurückgreifen. "Wir müssen schauen, dass wir eine starke, skalierbare Plattform schaffen. Da ist immenses Potenzial."
Testflotte starte noch in diesem Jahr
"Die Automated Driving Platform ist der nächste Schritt für die Entwicklung von Software für automatisiertes Fahren - schneller und im globalen Maßstab", schrieb Konzernchef Herbert Diess nach der Entscheidung auf dem Karrierenetzwerk LinkedIn. "Sie wird die Entwicklungszyklen unserer Car.Software-Org. von Monaten auf Wochen", fügte er auf Twitter hinzu. Und kündigte an: "Wir freuen uns darauf, dass unsere mit der Cloud verbundenen Testflotten noch in diesem Jahr auf die Straße gehen!"
Volkswagen und Microsoft kooperieren bereits seit 2018 beim Aufbau einer Cloud-Plattform für den Datenaustausch zwischen vernetzten Fahrzeugen. Die neuen Pläne weiten diese Partnerschaft aus.
Microsoft ist einer der wenigen Tech-Riesen ohne ein eigenes Autoprojekt. Die Google-Schwesterfirma Waymo und Apple arbeiten an eigener Software zum autonomen Fahren, Amazon kaufte die Roboterwagen-Firma Zoox. Microsoft wolle nicht mit seinen Kunden konkurrieren, betonte Guthrie. Außerdem habe der Konzern bereits in den 90er Jahren erkannt, dass Unternehmen, die alles machen wollten, nicht erfolgreich seien.
Software spielt die Hauptrolle
Volkswagen legte in der von Hilgenberg geführten Firma Car.Software Organisation die Entwicklung künftiger Software für alle Konzernmarken zusammen. Es geht um die ganze Palette von Fahrzeug-Funktionen, einer Plattform für Infotainment-Systeme, Fahrwerks-Technologie sowie neue Geschäftsmodelle.
Es ist ein entscheidendes Feld: Die Industrie ist mit der fortschreitenden Digitalisierung an einem Wendepunkt angelangt. Die Branche stellt sich auf eine Zukunft ein, in der Software die Hauptrolle spielt und ein Auto mit Updates permanent verbessert werden kann. Dabei konkurrieren die Autounternehmen mit Apple und Google als Betreiber der großen Smartphone-Plattformen um den Zugang zu den Kunden und damit auch künftige Dienste-Erlöse.
60 Prozent würden für bessere Features die Marke wechseln
"Wir brauchen Partner, die uns beschleunigen können", sagte Hilgenberg. "Microsoft hat viel Know-how auf dem Gebiet skalierbarer Cloud-Dienste. Davon profitieren wir." Er hofft auch, gemeinsam mit Microsoft Ansätze zu entwickeln, die branchenweit als Standard etabliert und anderen Unternehmen angeboten werden könnten.
Zur Bedeutung des autonomen Fahrens hier ein paar Zahlen der Unternehmensberatung McKinsey: In Deutschland würden 60 Prozent der Premiumauto-Käufer die Marke wechseln, wenn sie bei der Konkurrenz bessere Features beim automatisierten Fahren bekämen.Schon 2025 werden 63 Prozent der Neuwagen zumindest Level-2-Entry-Technologie an Bord haben, also assistiertes Fahren. (dpa/swi/joh)
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