Wenn McLaren dieses Frühjahr für knapp 1,7 Millionen Euro endlich den lange angekündigten Elva auf die Straße bringt, hilft auch die dickste Jacke nichts: Ohne Front- und Seitenscheiben und vor allem ohne Dach wähnt man sich im Auge des Orkans und kommt dem Formel-1-Gefühl so nahe, wie man es in einem offenen Zweisitzer nur kommen kann.
Technisch eng verwandt mit dem Senna, der zurecht der Ultimate-Series zugeschlagen wird, und für den Auftritt auf dem Boulevard der eiligen Eitelkeiten komplett neu in einen äußerst knapp geschnittenen Tanga aus Karbon eingekleidet, wird er zum ultimativen Spielzeug für 149 reiche Raser – denn nachdem Corona die Konten der Sehr-Viel-Besserverdiener gebeutelt und zugleich die Fabrik in Woking für drei Monate lahm gelegt hat, wurde die geplante Stückzahl noch einmal gekürzt. Das macht den Elva zu einer rasenden Rarität und sichert ihm selbst dort maximale Aufmerksamkeit, wo Ferrari und Rolls-Royce so präsent sind wie bei uns Fiat oder Renault. Denn selbst vor dem Casino in Monaco recken sich die Hälse nach dem Tiefflieger, der vor dem Hotel de Paris zur ersten Ausfahrt bereitsteht.
Aber nicht nur der Anblick ist ungewohnt, auch der Ausblick ist von einer ganz speziellen Sorte: Sobald die charakteristischen Flügeltüren ins Schloss fallen, fühlt man sich wie in einer Art Badewanne – unten rum wohlig warm und wie in Watte oder Schaum gepackt und obenrum nackt im Wind. Nur dass in die Badewanne Räder hat und einen V8-Turbo, der ihr ordentlich Dampf macht. Aus dem Senna übernommen und noch einmal um ein paar PS erstarkt, leistet das vier Liter große Triebwerk nun 815 PS und hat mit dem Elva buchstäblich leichtes Spiel. Denn ohne Dach und ohne Fenster und natürlich wieder komplett aus Karbon gebacken, bringt der Elva nur 1148 Kilo auf die Waage und wird so zum absoluten Fliegengewicht in der McLaren-Historie. Selbst der Senna wiegt einen Zentner mehr.
Windschott schützt die Insassen
Kein Wunder also, dass der Elva beschleunigt, dass einem Hören und Sehen vergeht: In nur 2,8 Sekunden katapultieren die maximal 800 Nm den Donnerkeil auf Tempo 100 und mit den 6,7 Sekunden von 0 auf 200 km/h hängt er sogar den Senna ab. Und was sich schon hinter Glas rasend schnell anfühlt, wirkt nun fast surreal, wenn man mittendrin ist im Geschehen statt nur dabei. Selten war der Rausch der Sinne so intensiv wie in diesem Auto.
Natürlich sind solche radikalen Roadster nicht neu. Renault hat das mit dem Sport Spider schon einmal versucht, Ferrari lockt die Vielverdiener unter den Fans mit dem Monza SP2, und auch McLaren hat in der Zeit mit Mercedes vor über einem Jahrzehnt schon mal einen "Stirling Moss" gebaut, um damit lahmenden Ausverkauf des SLR anzukurbeln.
Doch bei keinem anderen Extremisten wird der Kampf gegen die Elemente mit so harten Bandagen gefochten wie beim Elva. Denn als erster seiner Art bekommt er ein Active Air Management System, das dem Sturm auf Knopfdruck mit einem 15 Zentimeter hohen Schild die Stirn bietet – nur dass dieses Windschott anders als etwa bei der Mercedes E-Klasse nicht auf dem Rahmen der Frontscheibe montiert ist oder wie sonst hinter den Sitzen, sondern mitten auf der Bughaube.
Es sieht deshalb zwar eher eigenwillig aus, wenn es sich aufstellt, macht den ohnehin schon auffälligen Elva aber dann gänzlich zum Blickfang. Erst recht, wenn es wie in den meisten Fällen auch noch in Kontrastfarben lackiert ist. Und es ist wirkungsvoll: Es führt den Fahrtwind in eine große Kieme und leitet ihn darin so um, dass er direkt über den Fahrer hinweg wischt. Während über dem Kopf mit zunehmender Geschwindigkeit ein Orkan tobt, zupft es den Insassen nur leicht an den Haaren und man kann sich sogar noch unterhalten, ohne dass man schreien müsste.
Bis zu 327 km/h schnell
Wie gut das System funktioniert, merkt man spätestens, wenn man es deaktiviert und sich der Deflektor während der Fahrt wieder einfaltet. Eben noch im Auge des Orkans und damit halbwegs sicher, fühlt es sich dann plötzlich so an, als würde man bei voller Fahrt den Kopf aus einem Zugfenster halten.
Das Erlebnis ist so einschneidend, dass McLaren sicherheitshalber ein paar Einschränkungen bei der Nutzung macht. Beim Losfahren manuell und ab Tempo 50 automatisch aktiviert, kann man das Active Air Management Systemnur bis Tempo 70 ausschalten, weil sonst der Schreck im Sturm zu groß sein und man vor lauter Überraschung das Lenkrad verreißen könnte. Danach allerdings kennt der Elva kein Limit mehr. Während er mit Windschott ebenfalls aus Sicherheitsgründen auf 200 km/h limitiert ist, jagt er ohne den Windabweiser mit bis zu 327 km/h über die Piste – aber dann bitte mit Helm, mahnen sie bei McLaren.
Schutzbrillen von militärischer Güte und Helme
Das Active Air Management System ist zwar der ganze Stolz der Briten. Doch haben sie für den Elva noch viel mehr Hirnschmalz verbraten. Es gibt eine neue Klimaanlage, die auch bei solch stürmischen Verhältnissen für etwas Herzenswärme sorgt, es gibt neue Materialien, die ähnlich nobel wirken wie Leder, sich aber von Wind und Wetter nichts anhaben lassen, und es gibt ein komplett neues Cockpit. Digitale Instrumente, Wechselschalter, die endlich auch mit den Händen am Lenkrad erreicht werden können und ein Infotainment-Bildschirm, der wie eine Apple-Watch in XXL vor der Mittelkonsole prangt, sind Vorboten des Artura, mit dem McLaren bald die erste Etappe auf der Electric Avenue in Angriff nimmt. Und als wäre der Elva nicht schon speziell genug, darf sich auch die Special-Operations-Truppe austoben, und montiert deshalb zum Beispiel Metallkonsolen aus Weißgold oder gleich aus Platin.
Zwar hat McLaren die Insassen des Elva mit hohem Aufwand in den Windschatten gerückt, doch sind die reichen Raser dem Windfang zum Trotz nicht gegen alle Widrigkeiten gewappnet. Deshalb gibt's zum Auto gleich noch zwei selbsttönende Schutzbrillen von militärischer Güte und zwei Helme, die McLaren für den Einsatz im Elva sogar im Windkanal optimiert und mit speziellen Spoilern bestückt hat. Nur was Niederschläge angeht, müssen die Briten passen. Doch wer sich so ein Spielzeug für 1,7 Millionen Euro leisten kann, der muss nicht nach Regenwolken schauen – denn der hat es unabhängig vom Wetter längst auf die Sonnenseite des Lebens geschafft.
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