Die Zukunft der Mobilität liegt nicht allein im batterie-elektrischen Fahren, sondern auch in der Wasserstoff-Technik. Dies macht eine von der Bundesregierung veranstaltete Konferenz rund um das Thema Wasserstoff-Wirtschaft deutlich, die am heutigen Dienstag und am morgigen Mittwoch online stattfindet.
Bei der erstmals in dieser Form ausgetragenen "Deutschen Wasserstoff-Vollversammlung" waren am Dienstag nach Angaben der Veranstalter mehr als 3500 Teilnehmer online zugeschaltet. Damit sei dies die bislang größte Konferenz zu dem Thema in Europa, sagte zur Eröffnung die Vorsitzende des Deutschen Wasserstoff-Rates und Vorstandschefin der Westenergie AG, Katherina Reiche.
Reiche betonte, dass Deutschland hervorragend positioniert sei, um von der gesamten Wertschöpfungskette einer Wasserstoffwirtschaft zu profitieren. "Wasserstoff ist die industriepolitische Antwort auf das Pariser Klimaabkommen", erklärte sie.
Neues Innovationszentrum für Wasserstofftechnologie kommt
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) kündigte an, dass die Entscheidung für den Standort des geplanten deutschen "Technologie- und Innovationszentrums Wasserstofftechnologie" in die entscheidende Phase getreten sei. "Es sind 15 Bewerbungen aus ganz Deutschland eingegangen, davon werden wir drei Kandidaten für die Endrunde auswählen", sagte Scheuer.
Der zuständige Abteilungsleiter Adam Mutwil ergänzte, Anfang April würden die drei Kandidaten bekanntgegeben, die endgültige Enscheidung falle dann voraussichlich im September. Es könne am Ende auch mehr als ein Standort als Gewinner aus dem Wettbewerb hervorgehen.
Die Bundesregierung hatte im November einen Wettbewerb um den besten Standort und das beste Konzept für ein Anwendungszentrum gestartet, das sich auf die gesamte Wertschöpfungskette der Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie im Mobilitätsbereich konzentrieren soll. Vor allem kleinere und mittelständische Unternehmen sowie Start-Ups soll dieses Zentrum eine günstige Entwicklungsumgebung bieten, um sich auf dem internationalen Markt zu positionieren. Das Zentrum soll letztlich für die deutsche Automobilindustrie zu einem Katalysator der H2-Projekte werden.
Bund fördert ehrgeizige Wasserstoff-Projekte
"Wir wollen Wasserstoff zu einer Erfolgsgeschichte machen", betonte Scheuer. Er übergab während der Life-Konferenz drei Förderbescheide an Unternehmen und Forschungseinrichtungen, die konkrete H2-Projekte verfolgen.
Die folgenden Projekte werden gefördert:
HyLightCOM (Förderung: rund 5,7 Millionen Euro)
Beim Projekt HyLightCOM der Opel Automobile GmbH geht es um die Entwicklung eines leichten Nutzfahrzeugs bis 3,5 Tonnen mit Wasserstoff-Brennstoffzellenantrieb. Ab 2025 will Opel damit eine Großserienfertigung starten. Ein Opel-Manager erklärte, schon Ende 2021 oder Anfang 2022 werde eine kleine Flotte von Vorserienfahrzeugen zur Verfügung stehen, die Flottenkunden per Leasing angeboten werde.
SELV (Förderung: rund 16,9 Millionen Euro)
Bei dem Projekt der RWTH Aachen geht es um die Umrüstung von schweren Lkw auf Brennstoffzellenantrieb. Dabei hat die TU nicht nur Neufahrzeuge im Blick, sondern auch die Umrüstung von Bestandsfahrzeugen. Dafür entwickelt ein Team um Prof. Achim Kampker einen modularen Baukasten, zu dem neben der Brennstoffzelle auch die Tanks und die elektrische Achse gehören. "Wir wollen zeigen, dass die Brennstoffzelle nicht in Konkurrenz zur Batterie steht," sagte Kampker bei der kurzen Vorstellung des Projektes. Wichtig sei bei dem Projekt die enge Zusammenarbeit mit Unternehmen aus der Praxis wie Dachser und Schenker.
Scale-e-Drive (Förderung: rund 1,8 Millionen Euro)
Die Daimler Truck AG und die Universität Kassel werden bei ihrem Projekt Scale-e.Drive gefördert. Dabei geht es um die Entwicklung und Erprobung von batterie-elektrischen Nutzfahrzeugen mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 3,5 und 7 Tonnen.
Lohnender Einsatz von H2 im Mobilitätsbereich
Ein massives Plädoyer für den Einsatz der Brennstoffzelle im LKW- und PKW-Bereich hielt Kurt-Christoph von Knobelsdorff, Geschäftsführer der bundeseigenen NOW GmbH (Nationale Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie). "Der Mobilitätssektor ist der ideale Startmarkt für das Hochlaufen der Wasserstoff-Technik", sagte von Knobelsdorff.
Zum einen sei diese Technik im Mobilitätssektor gerade in Deutschland schon sehr weit entwickelt, zum anderen sorge der hohe Regulierungsdruck zur CO2-Senkung der Antriebstechnologien dafür, dass es sich im Mobilitätssektor weit schneller lohne, auf H2 zu setzen als etwa in der produzierenden Industrie.
So seien die so genannten "CO2-Vermeidungskosten" im Mobilitätssektor so hoch, dass sich ein Ersatz von fossilen Brennstoffen schon bei einem Preis von sieben Euro je Kilogramm "grünen" Wasserstoffs lohne. Bei Industrieanwendungen hingegen rechne sich dieser CO2-neutrale Wasserstoff erst bei einem Preis von unter zwei Euro je Kilogramm.
Keine Produkte, keine Einigung auf Betankungs-Technik
Die Ziele der Bundesregierung im Bereich Wasserstoff-Hochlauf seien ambitioniert, betonte von Knobelsdorff. "Bis 2030 wollen wir, dass ein Drittel der Kilometer-Leistung im Schwerlast-Verkehr durch batterieelektrische oder Brennstoffzellenfahrzeug erbracht wird."
Davon sei man derzeit aber noch denkbar weit entfernt, räumte der NOW-Geschäftsführer ein. "Derzeit gibt es kein einziges Serienfahrzeug in diesem Segment zu kaufen."
Ein nicht zu unterschätzendes Problem sei auch die Frage, welches Betankungssystem die schweren H2-Nutzfahrzeuge künftig europa- und womöglich weltweit nutzen sollten. "Die Industrie hat hierüber noch keine Einigung gefunden", klagte von Knobelsdorff. So setze Daimler Trucks auf flüssigen Wasserstoff, Shell oder auch Hyundai auf hochkomprimierten Druckgas-Wasserstoff, andere wie das bayerische Start-up Cryomotive auf eine Tiefenkühlung des Wasserstoffs, was zu niedrigeren Drücken und somit günstiger zu bauenden Tanksystemen führt.
Von Knobelssdorf appellierte an die Fahrzeughersteller, hier schnell eine Einigung zu erzielen. Ansonsten werde das angepeilte Tempo beim Hochfahren der Wasserstoff-Wirtschaft im Mobilitätssektor nicht zu erreichen sein.
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