Wenn es darum geht, seine Idee zu präsentieren, greift Fabian Rusitschka schon mal zu ungewöhnlichen Hilfsmitteln. Als er kurz nach der Gründung seines Ingolstädter Start-ups Aruclus 2016 erstmals bei Audi zeigte, wie er sich die Produktion der Zukunft vorstellt, fuhr er einfach eine Flotte von Staubsaugerrobotern auf. Mit ihnen demonstrierte er, wie sich die Montage mit intelligent vernetzten Transportrobotern viel effektiver gestalten lässt als am klassischen Fließband.
Audi war schnell überzeigt. Seit 2019 sind in Ingolstadt auf zwei Produktionslinien 30 Logistikroboter, die Arculus inzwischen selbst entwickelt hat, im Einsatz. Bisher aber nur in der Teileversorgung. Das soll jedoch nur der erste Schritt sein, versichert Rusitschka. Denn eigentlich will er die komplette Montage umstellen: Statt auf dem Fließband sollen die Karosserien auf autonomen Transportsystemen durch die Montagehalle fahren und sich frei bewegen können. Ein erstes Pilotprojekt dazu läuft bereits, derzeit aber noch abseits der zentralen Produktionslinien. Auch in Györ und Brüssel sind schon erste Arculus-Roboter im Einsatz.
Fließband hat ausgedient
"Wir stellen ein 100 Jahr altes Prinzip infrage", sagte Rusitschka. Schließlich hatte Henry Ford 1914 mit dem Fließband, das er beim Model T einführte, den Automobilbau revolutioniert. Beim Model T sei das auch der richtige Ansatz gewesen, sagt Rusitschka. "Doch wenn die Produkte weit auseinandergehen, ist es nicht mehr sinnvoll." Das war schon bisher bei den vielen Extras und Derivaten so, mit dem Einzug der E-Mobilität werde der Druck nun noch größer. "Wenn der Mix schwankt, funktioniert das klassische Fließband nur noch eingeschränkt."
Um 20 bis 30 Prozent lasse sich die Produktivität durch die Umstellung auf eine modulare Fertigung erhöhen, verspricht Rusitschka. Dabei geht er sogar noch über die 2020 eröffnete Factory 56 von Daimler hinaus, die bereits ohne Fließband auskommt. "Das ist ein Schritt in dir richtige Richtung", sagt Rusitschka. "Unser Ansatz geht aber noch viel weiter." Denn anders als bei Daimler sollen seine Roboter keine festen Routen mehr abfahren, sondern sich frei im Raum bewegen.
Regal kommt zum Mitarbeiter
Statt nacheinander abzufahrender Stationen gibt es in der Halle verteilte Montageinseln. Die einzelnen Karosserien fahren nur noch diejenigen an, die sie auch benötigen, und überholen notfalls andere Karosserien, an denen länger gearbeitet wird. Zugleich übernehmen Logistikroboter die Teileversorgung am Band. "Es sollte nicht der Mensch zum Regal laufen, Das Regal muss zum Mitarbeiter kommen", bring es Rusitschka auf den Punkt. Gesteuert wird alles mittels Künstlicher Intelligenz, die ständig die optimalen Wege errechnet.
Die Idee war dem heute 36-Jährigen schon zu seiner Zeit bei Audi gekommen, wo er sieben Jahre lang in der Technologieentwicklung Produktion gearbeitet hat. "Wir suchten dann nach einem externen Partner dafür. Und merkten: Es gibt niemanden, der das liefern kann." Also gründete der studierte Maschinenbauer zusammen mit zwei Mitstreitern das eigene Start-up Arculus. Frank Hempel kümmert sich um die Software und Marius Leffler um die Robotik. Inzwischen hat ihre Firma 74 Mitarbeiter an vier Standorten, Ende 2021 sollen es 110 Mitarbeiter sein.
Chef schraubt selbst am ersten Roboter
Eigentlich, so der ursprüngliche Plan, wollte Arculus nur die Software liefern, die dann die Fahrerlosen Transportsysteme der verschiedenen Hersteller vernetzt. "Wir haben dann aber gemerkt, dass es besser funktioniert, wenn wir auch unsere eigenen Roboter entwickeln." An den ersten eigenen Robotern, die man Arculee taufte, hab er noch selbst mit montiert, berichtet Rusitschka. Für die Serienproduktion habe man sich dann aber einen Partner gesucht, der die Roboter nun für Arculus herstellt.
Komplett ersetzen will Rusitschka die Menschen in der Montage aber nicht. "Es gebt nicht um eine Vollautomatisierung." Vieles in der Montage könne der Mensch noch immer am besten. Doch alles Überflüssige drum herum wolle man ihm gern abnehmen.
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