Die Engpässe bei der Lieferung von Halbleitern legen immer mehr Werke in der deutschen Autoindustrie lahm. Erst am Nachmittag meldete Audi die Unterbrechung der Produktion, jetzt sind bei Daimler neben Rastatt weitere Pkw-Werke betroffen. Eine Sprecherin bestätigte am Abend Informationen der Automobilwoche, wonach es auch in Bremen zu Störungen kommt. "Für die Kalenderwoche 5 (ab dem 1. Februar) hat das Werk Kurzarbeit beantragt", hieß es. Auch im ungarischen Werk in Kecskemet werde "die Fahrweise angepasst". Dort werden wie in Rastatt Kompaktwagen gebaut. In Bremen sind laut Daimler rund 12.500 Mitarbeiter vorwiegend in der Montage beschäftigt. Mit einem Ausstoß von rund 400.000 Fahrzeugen pro Jahr handelt es sich um eines der größten Werke im Mercedes-Produktionsverbund.
In Bremen werden neben der C-Klasse auch der GLC sowie das elektrische Pendant EQC produziert. Die Produktion erfolgt dabei während der Lieferschwierigkeiten offenbar nach der Priorisierung von Modellen. So werden in Rastatt beispielsweise die A- oder B-Klasse gebaut, die traditionell weniger Profit bringen als beispielsweise eine S-Klasse aus Sindelfingen. In Rastatt soll die Montage bis mindestens zum 7. Februar gedrosselt werden. In Bremen steht zudem der Generationswechsel bei der C-Klasse an, weshalb ohnehin größere Umbauten notwendig sind und die Nachfrage aktuell geringer sein dürfte. Im Gegensatz dazu solle die "EQ-Elektrooffensive mit höchster Priorität fortgesetzt werden", wie eine Sprecherin sagte.
Mit den Problemen ist der Daimler-Konzern keineswegs allein. Auch der Volkswagen-Konzern hat in Wolfsburg bereits Tausende Mitarbeiter in die Kurzarbeit geschickt, weil Autos wegen fehlender Chips nicht gebaut werden können. In Emden soll die Produktion ab kommenden Montag für zwei Wochen ruhen, bis zu 9000 Mitarbeiter gehen in Kurzarbeit. Dies könnte im ersten Quartal rund 100.000 Fahrzeuge betreffen, ließ VW bereits in Dezember wissen. Auch Audi hat sich entschieden, die Produktion in Ingolstadt und Neckarsulm zu drosseln und Tausende Mitarbeiter in Kurzarbeit zu schicken. Weltweit sind die Lieferketten nach der Corona-Krise erneut brüchig geworden und Autobauer von Honda bis Ford in Mitleidenschaft gezogen.
Vorwurf der Chip-Hersteller: Zu spät bestellt
Die Gründe für den Mangel liegen hauptsächlich in der Corona-Pandemie. Während die Nachfrage nach Fahrzeugen vor allem in Europa während des Lockdowns im vergangenen Jahr stark gefallen war, orderten Hersteller von Spielekonsolen, PCs oder Smartphones umso mehr. Samsung etwa meldete einen Umsatzsprung um ein Fünftel im Schlussquartal 2020. Diese Umschichtung der Kapazitäten lässt sich nun nicht mehr so leicht ausgleichen, da die Chip-Produktion wegen der Komplexität einen langen Vorlauf benötigt.
Hinzu kommt, dass neue Generationen von Autos mit immer mehr Funktionen ausgestattet sind und daher deutlich mehr Chips brauchen als früher. Dies gilt insbesondere für reine Elektroautos und Plug-In-Hybride. Auch große Zulieferer wie Bosch oder Conti, die Komponenten mit Halbleitern liefern, können daher zum Teil nicht wie erforderlich liefern. "Wir stehen dazu im engen, täglichen Austausch mit Kunden und unseren Zulieferern und arbeiten daran, die Liefersituation gemeinsam zu verbessern", heißt es etwa bei Bosch. Der Chef des Licht- und Elektronikspezialisten Hella, Rolf Breidenbach, sagte: "Wir sehen da schon erhebliche Auswirkungen. Teilweise mussten wir unsere Linien anhalten."
Die Chip-Hersteller sehen sich nur zum Teil verantwortlich für die Engpässe. "Manche Kunden haben zu spät bestellt. Daher kommen wir jetzt in einigen Bereichen mit der Lieferung nicht hinterher", heißt es beim niederländischen Produzenten NXP. Schnelle Abhilfe sei nun kaum möglich. "Denn von der Produktion komplexer Chips bis zur Lieferung dauert es drei Monate oder mehr."
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