Arne Joswig möchte gar nicht daran denken. Wenn der Geschäftsführer von Lensch & Bleck sein Autohaus in der Altstadt von Oldenburg in Holstein mit Schnellladesäulen ausstatten muss, wird das ein großes Projekt. Umliegend befinden sich viele über 100 Jahre alte Häuser, die Infrastruktur ist bei Weitem nicht auf das Schnellladen von E-Fahrzeugen ausgelegt. Allein die Investitionen für die erweiterten Leitungskapazitäten werden sich auf 40.000 Euro belaufen.
Die Autohersteller machen ihren Vertragspartnern konkrete Vorgaben, was für die E-Mobilität vorzuhalten ist. So fordert etwa BMW neben einer Ladesäule mit zwei Ladepunkten im Außenbereich und einer Ladesäule in der Werkstatt auch eine Wallbox im Verkaufsraum. Um den Bonus zu erreichen, sollte die Ladestation außerdem öffentlich zugänglich sein, sodass sie im BMW-Navigationsgerät angezeigt werden kann.
VW schreibt eine abrechenbare Schnellladestation vor, die für Kunden zugänglich sein muss, zusätzlich eine abrechenbare AC-Ladestation mit 22 kW und eine abrechenbare AC-Ladestation am Auslieferungsplatz. Opel-Händler müssen bis Ende des Jahres unter anderem drei Ladesäulen pro Betrieb bereitstellen – 2023 dann neun Ladesäulen mit 13 Ladepunkten.
"Der Handel geht in Vorleistung"
Händler beschweren sich, dass die Hersteller für die Ladeinfrastruktur Zusagen an den Staat machen, die Autohäuser aber letztlich für die Umsetzung verantwortlich sind – und auf den Kosten sitzen bleiben. Zwar gewährten viele Fabrikate angesichts der Corona-Krise einige Monate Aufschub. Doch die Fristen laufen bei den meisten spätestens Ende des Jahres aus.
Unterstützung vom Staat erhalten Händler nur, wenn sie die Vorgaben des Herstellers übererfüllen. Viele Anträge auf Förderung wurden dennoch abgelehnt. Die Investitionen liegen schnell im sechsstelligen Bereich. Der Aufwand rechnet sich noch nicht.
"Der Handel geht hier absolut in Vorleistung", sagt Opel- und Ford-Händler Joswig. Im laufenden Jahr hat der Unternehmer 14 Ladepunkte in Betrieb genommen. Die Kosten belaufen sich, je nach den baulichen Voraussetzungen, auf 8000 bis 15.000 Euro pro Ladepunkt. Joswig hat noch keine öffentlich zugänglichen Schnellladesäulen errichtet, denn das wäre um ein Vielfaches teurer.
Zweifel am Sinn der Investitionen
Joswig ist sich sicher, dass auch Opel bald entsprechende Vorgaben machen wird. "Die AC-Ladesäulen werden künftig nicht mehr ausreichen und müssen dann für höhere Ladespannungen aufgerüstet werden. Da kommen noch einmal hohe Investitionen auf uns zu", sagt der Geschäftsführer. Zusätzlich schlagen Vorführwagen, Schauraumpakete, Beschriftungen, Marketingmaßnahmen und Schulungen zu Buche, deren Gesamtbetrag die Installation von Ladesäulen um ein Vielfaches übersteigt.
Auch Klaus Philipp, Geschäftsführer von Auto Kölbl, klagt: "Die Vorgaben von VW im Bereich Elektromobilität haben uns als Volkswagen- und Audi-Händler fast 200.000 Euro gekostet. Das geht natürlich auch günstiger, aber mit 22 kW Ladeleistung macht 'Schnellladen' keinen Sinn." Derzeit zählt er an der Schnellladesäule durchschnittlich einen Ladevorgang pro Tag. "Die Investition von 130.000 Euro amortisiert sich hierdurch noch lange nicht", sagt Philipp.
Nach Einschätzung von Sven Strube, Professor an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Ostfalia, werden sich nur manche Aufwendungen der Händler lohnen. "Die Investitionen in die Werkstatt machen teilweise Sinn und werden sich in den kommenden drei bis fünf Jahren amortisieren", prognostiziert er. Ob sich die Kosten für die Ladeinfrastruktur hingegen rechnen, bezweifelt Strube, der selbst Inhaber eines Autohauses ist – vor allem dann, wenn es sich um öffentlich zugängliche, abrechenbare Ladesäulen handelt, wie etwa von VW gefordert. "Diese Investitionen werden sich nie auszahlen, denn das geht am Bedarf vorbei." Solche Ladesäulen seien bei Autohäusern, die meist abseits liegen, fehl am Platz. Strube: "Allein die monatlichen Kosten für die Bereitstellung und Wartung übersteigen den Umsatz."
Probleme mit der Stromkapazität
Daran ändern auch die derzeit schnell zunehmenden Neuzulassungen von E-Fahrzeugen nichts. "Trotz der steigenden Neuzulassungen haben wir weder an Ladesäulen mehr Verkehr noch mehr Werkstattaufenthalte von E-Fahrzeugen", sagt Joswig. Auch Christian Rönsch, Geschäftsführer von May & Olde, sieht noch keine nennenswerte Besserung: "Natürlich gibt es jetzt etwas mehr Traffic, aber ob der ausreicht, um in Krisenzeiten die Investitionen zu rechtfertigen, ist fraglich."
Bislang hat der Händler rund 500.000 Euro für E-Mobilität ausgegeben, um die Vorgaben von BMW zu erfüllen. Ein Teil der Kosten ist bei vielen Händlern auch der örtlichen Infrastruktur geschuldet. Denn eines der Hauptprobleme bei der Errichtung von Ladesäulen ist die Stromkapazität. "Es gibt Städte, die wirklich auf der letzten Rille laufen", sagt ein Händler. Da seien 40 kW für die Ladesäulen schon zu viel. Die Unternehmer müssen also Trafohäuschen bauen oder sich mit anderen Händlern zusammentun. Rönsch: "Es gibt einen Wettlauf bei den Stromversorgern, um sich Kapazitäten zu sichern. Den Letzten beißen die Hunde."
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